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Der Laubbläser und die Welt

Informationsbeauftragter Generalvikariat
Thomas Boutellier
Thomas Boutellier
Wenn das Tageslicht kürzer wird und der Nebel das Wetter beherrscht, kann es passieren, dass man sich nach dem Mittagessen an den Schreibtisch (oder die Werkbank, die Schulbank) setzt und beim nächsten Aufblick ist es schon wieder dunkel. Die Zeit scheint schneller zu vergehen.
15. November 2024

Und das tut sie auch. Wenn auf der Nordhalbkugel der Erde Herbst ist, dreht sich die Erde eine tausendstel Sekunde schneller als im Sommer. Warum das so ist? Es hat mit den Blättern auf dem Boden zu tun.

Und was hat der Mensch erfunden, um dem Laub zu Leibe zu rücken? Den Laubbläser. Ob die «Verlagerung» des Problems nicht nur saubere Wege schafft, sondern auch der Beschleunigung der Erde entgegenwirkt?

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Dreht sich die katholische Welt schneller?

Für viele sind die letzten Wochen in der katholischen Kirche wie im Flug vergangen, für manche sind die Probleme nur verschoben worden und viele schauen nach oben und warten, dass alles wieder gut wird oder die Lösung von oben kommt.

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Also auch die gestrige Meldung zur Kirchenstatistik. Im Jahr 2023 sind 67.497 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten, etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Bereits 2022 war ein Rekordjahr, in dem «nur» 34’561 Personen ausgetreten waren. Ende 2023 zählte die römisch-katholische Kirche in der Schweiz rund 2,8 Millionen Mitglieder. Der Auslöser für diesen Exodus, der Missbrauchsskandal und die schleppende und schwer nachvollziehbare Aufarbeitung, ist unbestritten. Es gibt viele Gründe, warum wir als Organisation den Kulturwandel noch nicht geschafft haben. Sicherlich ist der Wille nicht überall gleich groß. Und immer wieder lesen wir von einem Fall und denken: «Lernen die es denn nie?» Da muss sich auch unsere Zunft, die Kommunikation, an der Nase nehmen. Es gibt viele Austritte, weil die Leute uns aus Erfahrung nicht glauben, dass wir transparent sind

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Als die Zahlen veröffentlicht wurden, dachte ich: «Schon wieder? War das nicht gerade? Wo ist die Zeit dazwischen geblieben?» Und wenn man genauer hinschaut, sieht man leider auch das Laubbläsersyndrom. Die Ursachen und Probleme sind nicht mehr da, wo sie waren. Bei genauerem Hinsehen sind die Probleme oft nur auf die andere Seite des Weges verschoben worden. Eine Taktik, die viele, viele Jahre funktioniert hat. Wie mit einem Laubbläser hat man unliebsame Themen auf einen Haufen geblasen und gewusst, die Natur wird es schon richten. Nur, bei Menschen funktioniert dieser Mechanismus nicht. Und mit dem Internet ist Vergessen nicht mehr möglich.

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Wie es weitergehen kann, zeigen drei Preise, die in diesen Tagen verliehen wurden oder werden. Dass mit Hella und Gregor Sodies, Monika Schmid und Priorin Irene vor allem Frauen ausgezeichnet werden, sollte uns zu denken geben. In der ganzen Diskussion um die verschiedenen Rollen in der Kirche haben die Ausgezeichneten sicher auch diskutiert. Was sie alle auszeichnet, ist der Schritt zum Handeln. Dieses Handeln passt nicht allen, aber was ist die Alternative? Und hat unsere Kirche für und mit den Menschen nicht den Anspruch, Heimat für möglichst viele zu sein? Den einen hier, den anderen dort?

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Wir wissen, dass die Lösungen für all die offenen Fragen und Wünsche nicht wie Blätter vom Himmel fallen. Nur in die Luft schauen und warten hilft nicht. Oder wenn, dann nur sehr langsam. Hinaufklettern und den Baum schütteln beschleunigt den Prozess. Projekte wie kirchenentwicklung-chur.ch, Pep to go und die kleinen und grossen Versuche in den Kirchgemeinden fallen auf fruchtbaren Boden. Und wenn sie, wie das Laub, die Zeit ein wenig beschleunigen, umso besser.

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Die grossen Schritte zurück kommen in dieser Woche aus der Politik. Die Wahlen in den USA lassen die Welt erstarren und jedes einzelne Land überlegt sich: «Was jetzt» und der Nationalismus ist auf dem Vormarsch.

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Die Schweiz kürzt die Entwicklungshilfe. Offiziell, weil sie sparen muss. Was das bedeuten kann und warum sich gerade die Schweiz auf ihre Werte besinnen sollte, hat Bischof Joseph Maria in einem emotionalen Brief formuliert. Weder Abschottung, noch Nationalismus, noch Sparen auf Kosten der Ärmsten dieser Welt machen diese sicherer und friedlicher.

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Wenn die Tage kürzer werden und die Erde sich schneller dreht, ist auch die Zeit der vielen Lichter.

Am Samstag findet im Grossmünster die traditionelle Nacht der Lichter statt. Ab 18.30 Uhr wird gemeinsam gesungen, gebetet und geschwiegen.

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Nächste Woche öffnen auch die Weihnachtsmärkte, auf vielen Plätzen und in vielen Städten und Dörfern findet viel Gemeinschaft unter freiem Himmel statt. Beim Bummeln, Glühweintrinken und Geschenkesuchen.

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In der Paulus-Akademie gibt es in der kommenden Woche ein vielfältiges Angebot. Es wird über Frieden, Kunst und Kirchenentwicklung nachgedacht. Herzliche Einladung zum Mitdenken.

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Und nach der Räbenlichterprozessionen, das Foto zeigt eine Eule aus dem Richterswilerumzug, üben mancherorts die Geiselklöpfer. Vorboten des Bischofs von Myra, der zumindest in diesen Tagen dem Weihnachtsmann Konkurrenz machen kann. 

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Wenn sich die Welt eine tausendstel Sekunde schneller dreht, ist das nicht viel. Aber es ist etwas, und allein das Innehalten und Nachdenken darüber, was man in dieser tausendstel Sekunde tun kann, bringt Ruhe in hektische Zeiten.

Herzliche Grüsse 

Thomas Boutellier 

Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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