Bischof Bonnemain zum Sparen bei der Entwicklungshilfe Kahlschlag bei der Menschlichkeit
"Das Geburtsland ganz konkreter Institutionen der Nächstenliebe, des Roten Kreuzes, das Land der «guten Dienste», welches sich seit Generationen für Frieden und Entwicklung einsteht, will im nächsten Jahr 250 Millionen Franken bei der internationalen Zusammenarbeit einsparen. Und das fortlaufend, getragen von den bürgerlichen Parteien im Parlament. 250 Millionen Franken. Das muss man sich erst einmal vorstellen. Es ist auch viel Geld hier in der Schweiz, im Budget der Bundesverwaltung jedoch nur ein bescheidener Betrag. Und dennoch, im globalen Süden, in Krisengebieten und Regionen, die von Naturkatastrophen betroffen sind, ist der Betrag um ein Vielfaches mehr wert.
Als Christ, Katholik und Bischof von Chur kann ich nicht mehr schweigen: Ich bin schockiert. Wie will die Schweiz in Zukunft noch die Etikette der humanitären Tradition, der Förderung von Frieden und Stabilität, der Vermittlerin in Konfliktsituationen auf ihre Fahne schreiben? Zieht als nächstes auch noch die UNO in die Wüste? Warum sollte sie einen ihrer Standorte in der teuren Schweiz behalten? Das einfache Spiel mit den Zahlen, könnte fatale Konsequenzen haben, wenn man nüchtern die politischen Argumente betrachtet.
Wo bleiben unsere Werte?
Was mich persönlich viel mehr beschäftigt, ist die Frage, wo bleiben unsere christlichen Werte, unsere historisch gewachsene Identität, die der Schweizer Demokratie durch die grössten Weltkrisen Halt gegeben hat? Im Jahr 2023 gab die Eidgenossenschaft 0,43 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aus. Weit entfernt vom international vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent, bedauert Alliance Sud. Die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt liegt damit lediglich auf Platz 10 unter den europäischen Ländern. Europäisch, wohl gemerkt. Ein Armutszeugnis schlechthin. Und davon will man nun nochmals 250 Millionen Franken abziehen? Im Ernst?
Meine Gefühle, meine Konsternation und meine Entrüstung werden die Politiker, die diesen Vorschlag der Finanzkommission beschliessen müssen, nicht umstimmen. Vielleicht aber die harten Fakten aus der Forschung: Trotz des globalen Bevölkerungswachstums hat sich die absolute Zahl von Menschen in extremer Armut um mehr als die Hälfte verringert, von rund 1,7 auf 0,7 Milliarden, schreibt Dina Pomeranz, Assistenzprofessorin in Mikroökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich, in ihrem Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung Ende März. Gleichzeitig sei der Anteil an unterernährten Kindern um über ein Drittel und jener an Analphabetismus und Kindersterblichkeit um die Hälfte gefallen. Das ist die Erfolgsbilanz jahrelanger und aufbauender Arbeit in der Entwicklungshilfe.
Die Armut ist deswegen aber nicht ausgerottet. Kriege, Krisen, Klimawandel, usw. kosten immer noch zu vielen Menschen die notwendige Lebensgrundlage und sind damit Nährboden für Extremismus, Fundamentalismus und Radikalisierung. Sind das die Samen, die wir sähen wollen?
Instrumente des Friedens statt mehr Waffen
Erzbischof Paul Richard Gallagher, vatikanischer Sekretär für Beziehungen zu Staaten und Nummer drei im Vatikan, hat diese Woche in Lublin über die besondere Diplomatie des Heiligen Stuhls in der heutigen Welt gesprochen. In seiner Rede betonte er die Friedensmission des Vatikans in Krisengebieten sowie die moralische und ethische Verpflichtung zur Menschlichkeit, welche darauf ziele, internationale Stabilität und Frieden zu fördern. Werte, die die Schweizer Politik bislang mitgetragen hat. Und genau diese Werte, seien das «Instrument des Friedens», ein Prinzip, das in der heutigen konfliktgeladenen Welt von besonderer Bedeutung sei.
Papst Franziskus prangerte in der Vergangenheit wiederholt die immensen Militärausgaben vieler Staaten und die Unmoral von nuklearen und konventionellen Waffen an. Gallagher erinnerte zudem daran, dass Papst Franziskus stattdessen einen internationalen Fonds für Frieden, Ernährungssicherheit und Entwicklung vorgeschlagen habe, um genau diese Ressourcen für den Bau einer gerechteren und friedlicheren Welt einzusetzen.
Wo setzen wir ein Zeichen der Hoffnung in dieser immer düster werdenden Weltperspektive? Wie fördern wir das friedliche und gerechte Zusammenleben der Völker? Kalte Kriege bringen keinen beständigen Frieden mit sich. Das haben wir bereits erfahren. Als Bischof von Chur ist es mein tiefes, christliches Bedürfnis, mich für den so nötigen Weltfrieden einzusetzen. Nochmals: Entwicklungsförderung und Ermöglichung von Bildung und Erziehung sind das unersetzliche Fundament des Friedens. Im Namen der Armen, Leidenden und Sprachlosen ergreife ich das Wort: Wir alle sind Schwestern und Brüder, eine weltumspannende Familie."
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