Über uns

Trüb und wolkenverhangen

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Wahrscheinlich geht es vielen von Ihnen gleich: Das Wetter mit dem dauer-wolkenbehangenen, grauen Himmel schlägt mir seit Wochen aufs Imkergemüt. Meine Bienen sind zum Nichtstun verdammt, jedes herzerwärmende Frühlingsgefühl ist verflogen – was mir meine Laune von Tag zu Tag mehr verdirbt.
31. Mai 2024

Leider gilt das auch im übertragenen Sinn, wenn ich die letzten Tage über unsere Kirche nachdenke. Das schroffe «No» unseres «Heiligen Vaters» zur Diakoninnenweihe hallt noch lange nach, auch wenn sonst von mir geschätzte Dauer-Optimisten selbst in diesem Nein noch eine offene Türe zu erkennen glauben. Ich kann diesem dialektischen Zauber nicht mehr folgen.

Wobei man genauer hinschauen müsste: Der Papst sprach sein «Nein» ja ausdrücklich ‘nur’ zum Diakoninnenamt als Teil des «Magisteriums», das für ihn nicht in die Tüte respektiv in die Mitra kommt. Also Diakoninnen, die zur klerikalen Hierarchie gehören würden und da auch Mitspracherechte hätten, die solls nicht geben.

Eine andere Form einer Diakonin, einer mütterlichen Dienerin ohne Entscheidungsbefugnisse, ist damit nicht ausgeschlossen – und genau darin sehen ja viele Herren des Magisteriums ihre Lösung der Frauenfrage: aus dem Frauendiakonat ein Pseudo-Ämtli machen, das die «heilige Ordnung» der Kirche nicht stört und den Klerikern nichts wegnimmt. Wenn man also genauer liest bzw. hinhört, wird es umso düsterer!

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Unser Schweizer Neo-Kardinal Emil Tscherrig drückte es kürzlich so aus: «Wir dürfen Laien nicht in Kleriker verwandeln.» Hört sich im ersten Moment plausibel an. Nur, was wäre, wenn man das mal umgekehrt denken würde? Warum nicht Kleriker in Laien verwandeln, einfach als Glieder des Volkes Gottes, in dem alle gleich Sünderinnen und Sünder und alle gleich zur Heiligkeit berufen sind, in dem es keine Standesherrschaft geben soll und keine Privilegien einer speziellen Gruppe; in dem die Schafe gemeinsam wählen, wer Hirte sein soll, und der Hirte selbst auch Teil der Herde ist? Irgendwie schiene mir diese Vision näher bei dem biblischen Kreis der Jüngerinnen und Jünger um Jesus.

Aber mit der Wahl der Hirten tut sich ja gleich wenig wie in der Frauenfrage. In St. Gallen steht sehr bald, in Chur in wenigen Jahren wieder eine Bischofswahl an. Hat irgendwer irgendwelche Bestrebungen vernommen, als Ausfluss des «Synodalen Wegs» künftig das Volk Gottes in diese Wahlen einzubeziehen? Ich nicht.

Da lobe ich mir die christkatholische Schwesterkirche, in der die Synode den Bischof wählt. Das finde ich persönlich viel bemerkenswerter, als dass mit Frank Bangerter der erste offen schwule Mann zum Bischof gewählt wurde. Schwule Bischöfe kennen wir bei uns schliesslich auch, nur halt etwas versteckter.

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Graue Wolken hängen auch über unserem Bistum. Dass der Präventionsbeauftragte Stefan Loppacher entnervt kündigte, schmerzt mich. Wenn ein kritischer Geist, der den Finger auf die Wunde unseres Kirchensystems legt, als illoyaler Nestbeschmutzer gilt, zeigt sich genau darin unser wirkliches Problem. Gott sei Dank bleibt der Kirche Schweiz sein kritischer Geist erhalten.

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Ein belesener Freund wies mich letzte Woche auf einen Text des Jahrhundert-Theologen Karl Rahner aus dem Jahr 1972 (!) hin. In «Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance» entlarvt Rahner die Rede vom «alle mitnehmen müssen» als Ausreden dafür, eben nichts zu tun.

Er schreibt: «…man darf durchaus mit Recht mehr Rücksicht nehmen auf die Glaubenden oder Glaubenswilligen, die in der heute oder morgen gegebenen Gestalt des Glaubens ihn wirklich vollziehen können und nur so, als auf die Nachzügler, die es selbstverständlich aus geschichtlichen und soziologischen Gründen auch gibt.» Wobei Gott die «Nachzügler» mit seiner Gnade «auch dann retten wird, wenn eine heutige und morgige Weise der Glaubensverkündigung sie eher verunsichert».

Statt also darauf zu warten, bis alle mitkommen wollen, verlangt er eine wirksame Strategie der Kirche, sich den Erfordernissen der heutigen Zeit entsprechend zu wandeln. «Die Heilsstrategie Gottes und die der Kirche sind nun einmal nicht identisch. Denn Gottes Gnade ist unendlich, die Kräfte der Kirche aber sind sehr endlich», mahnt Rahner. Und das 1972 – wir sind heute nach 50 Jahren noch keinen Schritt weiter!

In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift der deutschen Reformbewegung Maria2.0 schreibt Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin (also der Verbindungsmann der Amtskirche zur Politik): «Ich sage ganz klar: Wenn wir in der Frauenfrage in der katholischen Kirche nicht weiterkommen, haben wir keine Zukunft.» Also, was tun? Die Kräfte der Kirche sind endlich…

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Aber seien wir ehrlich, diese innerkirchlichen Blockaden sind längst nicht mehr (oder waren es nie?) die Sorge der grossen Mehrheit der Menschen. Das Problem der explodierenden Krankenkassenprämien bedrückt viele weit mehr als implodierende kirchliche Heilsgarantien. Caritas Zürich hat eine klare Strategie und beurteilt politische Auseinandersetzungen konsequent aus der Perspektive armutsbetroffener Menschen. Deshalb unterstützt Caritas auch die «Prämienentlastungsinitiative», über die wir am 9. Juni abstimmen.

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Wenn ich in den trüben Himmel schaue, vergesse ich leicht, dass die Schöpfung trotzdem schön und gut ist (ja, das trifft in gewisser Weise natürlich auch auf die Kirche zu). Was meinen wir eigentlich, wenn wir in den verschiedenen Religionen von «Schöpfung» sprechen? Darauf geben Vertreterinnen und Vertreter der Weltreligionen im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Zürcher Forums der Religionen ihre persönliche Antwort. Wer noch teilnehmen will, muss sich sputen, einige Anlässe sind bereits vorbei oder ausgebucht.

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Am Montag wurde das Team der Flughafenkirche von der japanischen Botschaft für seine guten Dienste gegenüber einer gestrandeten Person ausgezeichnet. Da, wo sich Kirche den echten Nöten der Menschen annimmt, wird sie auch positiv wahrgenommen. Danke dem Team und herzliche Gratulation zu dieser aussergewöhnlichen Ehrung.

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Die Fliegerei ist eigentlich nicht mein Ding, ich bleib lieber auf festem Boden. Aber eines können wir von ihr lernen: Steigt der Flieger in den düsteren Himmel auf, durchstösst er bald die Wolkendecke und darüber scheint die Sonne. Irgendwann wird sie sich auch uns hier unten wieder zeigen, meine Laune besser und die Bienen wieder fleissig fliegen. Hoffentlich bald.

Ich wünsche uns allen einen besinnlichen und weniger düsteren Sonntag. Wenn Sie Freude an orthodoxer Musik haben, verpassen Sie nicht die österliche Feier mit verschiedenen Chören in der serbisch-orthodoxen Dreifaltigkeitskirche: Sonntag, ab 17 Uhr. Und trinken Sie bitte beim Apéro einen Slivovic auf mein Seelenheil.

Ihr Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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