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Wieso? Weshalb? Warum?

Informationsbeauftragte, stellvertretende Bereichsleiterin
Sibylle Ratz
Sibylle Ratz
24. Mai 2024

«Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.» So lautet ein Kindervers und -lied aus der «Sesamstrasse», zu meiner Zeit eine der beliebtesten Kindersendungen im Fernsehen. Nach wie vor ist es ein Ohrwurm und bis heute in meinem Gedächtnis geblieben.

Natürlicherweise stellen die Fragen jeweils den ersten Schritt in meiner Arbeit als Journalistin und Kommunikationsspezialistin dar. Ich will den Dingen auf den Grund gehen. Ich will wissen, warum etwas so ist, wie es ist. Das ist meine tägliche Arbeit. Und ja, ich komme nicht gut klar damit, wenn mir jemand auf eine Frage antwortet: «Ist halt so.»


So ging es mir diese Woche, als ich mir das Exklusivinterview der Journalistin Norah O’Donnell vom amerikanischen TV-Sender CBS mit Papst Franziskus ansah. Es wurde bereits im April aufgezeichnet und diese Woche im Vorfeld des Weltkindertages ausgestrahlt.

Eloquent und auf Harmonie bedacht, beantwortet der Papst darin alle Fragen der Journalistin. Oft sind seine Antworten zwar wenig konkret und ausweichend, aber kommen locker, flockig daher.


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Papst Franziskus wie man ihn meistens kennt: Sympathisch lächelnd und vor Freude strahlend. Foto: Pixabay

Und dann ein knappes «NO», ohne weitere Erläuterungen. «Nein» – das war die kurze und knappe Replik des Papstes auf die Frage von O’Donell, die wissen wollte, ob ein Mädchen, das heute katholisch aufwächst, jemals die Möglichkeit haben wird, zur Diakonin geweiht zu werden.

Helena Jeppesen, schweizerische Delegierte an der Weltsynode, äusserte sich auf kath.ch: «Das ist eine sehr schwierige Aussage und der Synode nicht dienlich.» Karin Ottiger, Co-Geschäftsleiterin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds kommentierte das päpstliche Nein so: «Dieses Nein des Papstes grenzt schon fast an Sabotage.»

Ansonsten, von den Bischöfen und anderen katholischen Würdenträger: ohrenbetäubende Stille. Wenn die Argumente ausgehen, muss wohl ein simples «Nein» genügen (was es aber nicht tut).

Kommen wir gleich zu einem weiteren heiklen Thema. Nemo. Niemand. Eben kein Mann, keine Frau, aber mit einer göttlichen Stimme. Das Gesangstalent, das nach zig Jahrzehnten den Eurovision Song Contest wieder in die Schweiz bringt. Hurra, bravo, endlich. Auch meine Kollegin Saskia nahm das Thema schon in einem Newsletter auf.

Aber was ist in den sozialen Medien zu finden: viel Häme, viel Spott, anstelle von Freude und Stolz. Ich durfte Nemo in seinen Anfängen vor rund zehn Jahren bereits live erleben. Dieser Mensch hatte schon damals eine unheimliche Bühnenpräsenz und eine beeindruckende Stimme. Es ist nicht die Frage von er, sie, es. Nemo ist kein Fisch oder Seepferdchen. Es ist einfach ein Mensch.


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Nemo holte den Sieg für die Schweiz am diesjährigen Eurovision Song Contest. Foto: Pixabay


Und wie betonen der Papst und andere Kirchenvertreter nimmermüde: In der katholischen Kirche sind alle willkommen. Ja, auch Menschen wie Nemo und Menschen mit Beeinträchtigungen.

Und auch solche mit nicht-heterosexueller Orientierung (für die es ja jetzt auch einen «Fast Blessing», also einen McDonalds-Segen gibt; dabei dachte ich bisher immer, die katholische Kirche setzt sich unter anderem für Nachhaltigkeit ein und von daher wäre ihr Slow Food näher als Fast Food; glaubt jemand ernsthaft daran, dass da jemand davon Gebrauch macht?)

Gibt es eine Stellungnahme der Katholischen Kirche zu diesem Thema? Zu nonbinären Menschen? Steht die Kirche zu diesen Menschen, hinter diesen Menschen, stärkt sie ihnen den Rücken? Jeder Mensch ist von Gott geliebt und von Gott gewollt, nicht wahr? Auch hier: Fehlanzeige.

Auf Nachfrage wollte bisher niemand zum «dritten Geschlecht» etwas sagen. Wie gehen wir als Kirche mit diesen Menschen um? Um hier gleich Transparenz zu schaffen: Mir persönlich ist es komplett «wurscht», als was er, sie, es sich sieht. Ich messe die Menschen primär an ihren Taten. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der sich dazu meldet.

Aber grundsätzlich sind dann in der Kirche halt doch nur diejenigen wirklich willkommen, die (mindestens gegen aussen hin) Mann und Frau, verheiratet und mit in der Ehe gezeugten Kindern gesegnet sind. Und andere sollen für ihre «Sünden» um Vergebung bitten und sich möglichst nicht allzu wohl fühlen. Auserwählt sind sowieso insbesondere die geweihten Männer in der Kirche. Egal, was hinter verschlossenen Türen passiert.

NO, NEIN; meine Herren. So funktioniert das nicht. Nicht auf nachhaltige und langfristige Weise. Ich habe das Privileg, dass ich schon politisch stimmberechtigt war, als ich volljährig wurde. Generationen von Frauen vor mir konnten dies nicht.

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Das Frauenstimmrecht wurde in der Schweiz erst 1971 angenommen. Foto: Jules Vogt - Sammlung der ETH-Bibliothek / Wikimedia Commons

Aber so ist das eben mit der Bildung. Wenn man(n) ausbildet, dann kommen Fragen, auch unangenehme. Von Frauen UND Männern. Wieso ist das so in der katholischen Kirche, dass Frauen nicht gleichberechtigt, gleichwürdig und solidarisch einbezogen sind? Bisher hat mir noch niemand eine nachvollziehbare Begründung geben können. Und ja, ich bin und bleibe katholisch, weil ich an Gott glaube und daran, dass Gott die Liebe ist.

Gott hat dem Menschen (nicht nur den Männern) den freien Willen gegeben. Und offenbar hat er auch einigen Frauen die Berufung zur Priesterin auf ihren Lebensweg mitgegeben. Oder ist das nur ein fehlgeleitetes Flüstern etwa des Teufels? Es lohnt sich da immer wieder von neuem, die gesammelten Zeugnisse von Schwester Philippa Rath zu lesen, die ich nur jedem als Lektüre empfehlen kann.

Im Interview in der NZZ letzte Woche liess sich mein Chef, Simon Spengler, wie folgt zitieren: In den letzten zwanzig Jahren gebe es bei den Kirchen einen massiven Rückzug auf sich selbst. Die Kirchen hätten Angst, sich zu den «grossen Fragen unserer Zeit» zu äussern.

Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn sich unser Bischof, wie auch die anderen Bischöfe in der Schweiz, mutiger und öfters zu aktuellen Themen in der Öffentlichkeit zu Wort melden würden. Und auch konkrete Taten folgen lassen.


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Vreni Peterer bei der Teilnahme an einer Podiumsdiskussion. Foto: Sibylle Ratz

So wie sich das auch Vreni Peterer, Präsidentin der Interessengemeinschaft von Missbrauchsbetroffenen in kirchlichem Umfeld (IG MiKu) im Hinblick auf ein Mediengespräch am Montag wünscht.

Was in der Hierarchie fehlt, wird zum Teil in den Pfarreien wett gemacht (zum Glück!). Auch diese(s) Woche(nende) wird gefeiert, diskutiert und engagiert gelebt.

  • So bin ich über einen Anlass in Guthirt in Zürich gestolpert, heute Freitagabend:
    Um 18 Uhr in der Kirche Guthirt im Untizimmer 3. Zürich schliesst sich der internationalen Aktion «Solche Blumen» zur Unterstützung minderjähriger politischer Gefangener an.
  • In der Pfarrei St. Konrad startet ebenfalls heute Abend «Vorstadt Sounds», ein mittlerweile in Zürich vielbeachtetes Musikfestival für Nachwuchsbands.
  • In Bruder Klaus Zürich geht es um Frieden und Krieg in einer Podiumsdiskussion von 19.15 bis 20.45 Uhr: «Wenn du Frieden willst, rüste für den Krieg»
  • Am Mittwoch, 29. Mai, von 18.30 bis 20 Uhr nimmt die Paulus Akademie in einem Zyklus Fragen um die Migration auf. Der erste Abend befasst sich mit den «Gründen der irregulären Migration aus dem subsaharen Afrika».
  • Und last not but least gratulieren wir herzlich den Freien Katholischen Schulen in Zürich, die am Wochenende mit einem Festgottesdienst, einem Symposium und Partys in den Schulhäusern ihr 100-jähriges Bestehen feiern.

Bleiben sie kritisch, stellen Sie Fragen! Gott hat uns Verstand und damit auch Verantwortung gegeben, aber geniessen Sie auch jeden Tag beim Aufstehen das Geschenk des Lebens.

Herzliche Grüsse
Sibylle Ratz

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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