Weihnachtliches
Jüngst wurde die Bitte an mich herangetragen, das letzte «Grüss-Gott-Zürich» dieses Jahres möge doch «einfach weihnachtlich» sein. Diesem Wunsch will ich mich nicht verschliessen. Ich versuche es zumindest. Aber Vorsicht: Weihnachten ist nicht harmlos!
Schon vom ersten Tag an sitzen der «Heiligen Familie» die Schergen des Herodes im Nacken. Statt Mutterschaftsurlaub wird Maria mit ihrem Neugeborenen und ihrem Verlobten zur Flucht gezwungen. Gewalt überschattet schon die Geburt Jesu und gewaltsam wird auch sein Sterben sein. Für uns ein Grund, an die unter täglicher Gewalt verschiedenster Seiten leidenden Christen im Nahen Osten zu denken: die in Palästina, in Bethlehem selbst, aber besonders auch jene in Syrien.
Ganz im Gegensatz zu bei uns in den Medien gepredigten Meinungen ist der Sturz des alten Regimes für die schon arg dezimierten christlichen Gemeinschaften alles andere als ein Grund zum Jubel. Die Sorge, was nun unter der neuen Herrschaft der Islamisten mit türkischer Schützenhilfe aus ihnen werden wird, ist weit grösser als die Freude über den Sturz des Autokraten.
Lesen Sie dazu das Interview mit der syrischen Christin Silvia Stefanos, die in Zürich Co-Präsidentin des Verbands der Orthodoxen Kirchen ist. Vielleicht ist die Erinnerung an die der «Heiligen Familie» drohende Gewalt für uns Anlass, in diesem Jahr bei der traditionellen Weihnachtskollekte für die Kinderhilfe Bethlehem noch grosszügiger zu sein als sonst.
Zurück zur Weihnachtsgeschichte. Es waren wohl weniger süsse Glocken, die die Hirten auf dem Feld auf das Geschehen in ihrem Stall aufmerksam werden liess, sondern viel eher die Schmerzensschreie der gebärenden jungen Frau. Was wird wohl in dieser Mirjam/Maria vorgegangen sein?
Ein Kind gebären ohne jede Hilfe, ohne Arzt, ohne Hebamme, nicht mal ein Bett? Nur mit ihrem wahrscheinlich völlig überforderten Geliebten an der Seite, der zudem mit dem Gedanken spielte, sie zu verlassen? Welche Frau merkt das wohl nicht, dass die Beziehung in Gefahr ist?
Dazu die materielle Not. Und da kommen ausgerechnet noch diese nach Schafsmist und Schweiss stinkenden Hirten, Parias der damaligen Gesellschaft, denen jeder anständige Bürger tunlichst aus dem Wege ging und sie sicher nicht zu Besuch einlud?
Was für eine Gesellschaft im Stall von Bethlehem. Elend, Schmutz, Zukunftsangst. Ganz tief unten. Und genau da soll der «Erlöser» geboren werden, der Messias, die Hoffnung der Welt auf Frieden und Gerechtigkeit. Für uns als Kirche, die wir uns in der Nachfolge dieses Jesus verstehen, eine gewaltige Herausforderung, der wir immer wieder neu gerecht zu werden versuchen, was oft auch gelingt, an der wir als Kirche leider aber auch immer wieder mal scheitern.
Gerade in den letzten Tagen haben wir in der Öffentlichkeit ein trauriges und gänzlich unweihnachtliches Bild abgegeben. Da fährt ein Priester einer Frau vor der Kellertreppe ungebeten durch die Haare. Als sie sich wehrt, stösst er sie gegen die Wand, ihr Schlüsselbein bricht.
Ein «Handgemenge», wie es offiziell heisst, wofür Hochwürden aber zu einer saftigen Strafe verbrummt wurde und seinen Job in der Aargauer Kirchgemeinde verlor. Das alles ist ja schon schlimm genug. Noch schlimmer aber die Fortsetzung.
Ein gutes Jahr später taucht der «Prügel-Pater» wieder auf, diesmal als priesterlicher Mitarbeiter einer Pfarrei im Kanton Schwyz, Bistum Chur. Da weiss man nix von seiner übergriffig-gewalttätigen Vorgeschichte. Schon wieder die ewig gleiche Geschichte: Übergriff – abtauchen - neue Stelle in andrem Bistum – mein Name ist Hase, ich weiss von nix.
Der im Aargau zuständige Bischof von Basel will nicht mal wissen, wo der Priester abgeblieben ist (eine blödere Ausrede kann ich mir gar nicht vorstellen, denn es braucht knapp fünf Sekunden, um seinen Namen in Google einzutippen, und schon weiss man, wo er tätig ist). Und man habe den Ordenschef des Paters über den Vorfall informiert.
Der wiederum will davon nichts wissen und stellt für seinen Mitbruder ein Unbedenklichkeitszeugnis aus. Ja, was denn nun? Wer lügt? Der Bischof oder der Dominikaner-Chef? Oder beide auf gut katholisch je ein bisschen, mit je etwas Wahrheit umgarnt? Aber nur gerade so viel, dass man im Fall des Auffliegens alles als «Missverständnis» hinstellen kann? Und auf keinen Fall irgendeine Verantwortung übernehmen muss. Das ganze Drama können Sie hier nachlesen.
Immer noch das ewig gleiche miese Spiel – auch im Jahr eins nach der Missbrauchsstudie. Und wenn Sie jetzt fragen: «Wäre das auch bei uns in Zürich möglich?» müsste ich lügen, wenn ich mit Überzeugung antworten würde: «Bei uns sicher nicht!»
Immerhin gibts dazu auch Positives zu vermelden. Bischof Bonnemain als neuer oberster Chef des genannten Priesters schickt diesen in ein Psycho-Assessment, um seine Eignung als Verkünder des Evangeliums der weihnachtlichen Friedens-Botschaft von einer externen Fachperson überprüfen zu lassen. Hoffen wir, dass der Pater die Chance nutzt, für sich selbst und für die christliche Gemeinschaft.
Wieder zurück zur Weihnachtsgeschichte. Die hat ja auch mit Geschenken zu tun. Die bringen die «Weisen» aus dem Morgenland zur Krippe, aber auch das ganze Geschehen dort will als Geschenk an die Menschheit verstanden werden. Ich bin deshalb ein grosser Fan von Weihnachtsgeschenken.
Eines macht uns die RKZ, der Zusammenschluss der katholischen Landeskirchen. Sie kommuniziert heute die Komplettierung des Teams der neuen nationalen «Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext». Deren Leiter Stefan Loppacher wird künftig von Annegret Schär und Mari Carmen Avila unterstützt. Damit ist eine wichtige Massnahme zur Stärkung von Missbrauchs-Aufarbeitung und Prävention umgesetzt.
Die Berufung von Annegret Schär ist mutig. Die Präventionsfachfrau mit Erfahrungen im Schulwesen, im Justizvollzug und in der Gemeindearbeit kommt nicht aus der kirchlichen Bubble. Sie ist konfessionslos, war ehemals reformiert (Pfarrerstochter) und bringt so auch eine Aussensicht in die kirchliche Arbeit im Umgang mit Missbrauch ein. Das Berner Pfarrblatt hat heute bereits ein ausführliches Interview mit Annegret Schär publiziert.
Die Berufung von Mari Carmen Avila ist sogar wagemutig. Die gebürtige Mexikanerin arbeitet im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg für die Prävention. Aufhorchen lässt ihre Geschichte, ist sie doch Mitglied der «Gemeinschaft der gottgeweihten Frauen des Regnum Christi», wie das Communiqué der RKZ nüchtern berichtet.
Das ist aber nicht irgendein Club frommer Frauen, sondern er gehört zum Umfeld der «Legionäre Christi», einer stramm rechts-katholischen Priesterorganisation, die unter Johannes-Paul II. zu grossem Einfluss im Vatikan und der römischen Kurie gelangte und die über ein Milliardenvermögen verfügen soll.
Gegründet und geleitet wurde sie vom Mexikaner Marcial Maciel, einem persönlichen Freund des Papstes, der sich als einer der übelsten katholischen Missbrauchstäter der jüngeren Kirchengeschichte überhaupt entpuppte.
Wurde hier der Bock zum Gärtner gemacht? Avila entgegnet im Interview des Berner Pfarrblatts, sie kenne die Geschichte der Legionäre früher und heute nach deren Reform, sie kenne also sowohl die Täter- wie die Opferperspektive. Das kann tatsächlich ein Vorteil sein. Warten wir ab, was sie daraus macht.
Die schönsten Geschenke haben immer etwas Unerwartetes. Ein solches hat die katholische Kirche von nun wirklich überraschender Seite erhalten. Die tief gefallene GLP-Politikerin Sanija Ameti, die sich selbst als Atheistin versteht, bedankte sich in einem ausführlichen Interview letzten Sonntag in der Aargauer Zeitung (hinter der Abo-Schranke, Zusammenfassung auf kath.ch) für die Vergebung durch Bischof Bonnemain und fügte hinzu: «Ausgerechnet bei der katholischen Kirche fand ich einen Humanismus und eine Aufklärung, die ich an anderen Orten vermisst habe.» Bessere Gratis-Werbung für die Kirche gibts kaum.
Sie sollte uns nicht stolz, sondern demütig machen. Da, wo wir die Menschwerdung Gottes wahrhaftig, aufrichtig und hoffnungsvoll feiern und verkünden, da werden die Menschen auch davon bewegt. Angefangen mit den Hirten von Bethlehem bis zu den Notleidenden heute. Und dafür lohnt es sich gestern, heute und morgen, Teil dieser Kirche zu sein.
Im Namen des ganzen Teams der Kommunikationsstelle wünsche ich Ihnen ein friedvolles, hoffentlich auch erholsames und frohes Weihnachtsfest. Der nächste Newsletter erscheint dann am 10. Januar.
Simon Spengler
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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