Am Tisch
Für die Person, die zurückkommt, stellt sich nun die grosse Frage: Wie finde ich heraus, was von dem, das mir jetzt erzählt wird, stimmt? Was ist übertrieben oder falsch, liebevoll oder sarkastisch gemeint? Denn sehr oft wird einfach etwas behauptet (ob wahr oder nicht, aber das kann der oder die andere nach der Abwesenheit ja nicht wissen), um zu sehen, wie das Gegenüber darauf reagiert. Wenn es gut gemacht wird und so angenommen wird – ob wahr oder nicht - kann man von dort aus dann im eigenen Sinn weitergehen.
So weit, so gut. Das gibt es in jeder Familie, in der Schule, im Beruf. Und, man glaubt es kaum, auch in der Kirche.
In den letzten Tagen wurden wir mit einigen angeblichen Tatsachen konfrontiert, die von Playern der katholischen Kirche oder von denen, die auf sie schauen, behauptet wurden. Und wir alle waren gefordert zu entscheiden: wahr oder nicht, Gerücht oder gar Lüge? Kann er oder sie das wirklich wissen oder ist es einfach eine Provokation und wenn ja, warum?
Wie oft ist der Papst in den letzten Tagen fast oder ganz gestorben? Und doch werden Bischofsrücktritte angenommen, Entscheidungen getroffen und Predigten geschrieben. Leider werden Bischofsbestätigungen nicht ganz so schnell angegangen. Wir schauen nach Rom und stellen fest: Der Laden läuft, auch wenn der Chef nicht fest im Sessel sitzt.
Solange er im Spital ist, muss er sich den Fragen vom Anfang des Textes nicht stellen. Bei den Alternativen zum Spital sieht das ein wenig anders aus.
Was passieren kann, wenn er stirbt, zeigt uns «Konklave» in 121 Minuten eindrücklich. In der heiligen Kirche menschelt es.
Was sein wird, sollte Franziskus wieder zurückkehren und sein Amt wieder ganz ausüben, ist, zumindest für mich, eine andere Frage. Logischerweise kann der Papst nicht jedes Thema selbst bestimmen, bearbeiten und entscheiden.
Wie wird es sein, wenn er plötzlich wieder am Sitzungstisch ist und fragt: «was steht an?» Themen gibt es genug, besonders auch solche, die ihm am Herzen liegen. Aber, was wird er zu hören bekommen?
Er ruft immer wieder dazu auf, für ihn zu beten. Beten wir also, aber nicht nur für ihn, sondern auch für diejenigen, die mit ihm zusammen auf dem Weg sind, dass sie sich dem Evangelium verpflichtet fühlen und nicht der eigenen Macht.
Die Frage, mit welchem moralischen Kompass man unterwegs ist, wenn jemand zurückkommt oder wie man sich verhält, wenn man diejenige Person ist, die wieder da ist, stellt sich in der Schweiz gerade auch.
Ist es legitim, dass Abt Scarcella sein Amt wieder antritt, wie wenn nichts gewesen wäre?
Neben den üblichen Verdächtigen in den Kommentaren, die nicht merken, dass Recht und Gerechtigkeit sich nicht zwischen zwei Buchdeckel einfangen lassen, sehen wir nun etwas, das schon lange nicht mehr so klar der Fall war.
Die Bischöfe und die Verantwortlichen der RKZ haben eine erstaunlich gleiche Haltung: So nicht!
Die einen in einer Mitteilung, in der laut darüber geschwiegen wird, wie man das findet. Die anderen mit einer sehr klaren Haltung und Forderung.
Meine persönliche Meinung ist, dass der Herr Abt, auch wenn er nicht verurteilt wurde, die Botschaft hören sollte und sich zurückziehen darf / muss / soll.
Sehr gespannt können wir sein, was geschieht, wenn Abt Scarcella wieder mit am Tisch sitzt. Er wird sich die Fragen gut überlegen. Und auf der anderen Seite ist es vielleicht so was wie ein Lackmustest. Wird er wieder in die Runde der Brüder aufgenommen? Und wenn ja, warum und wie? Aus Barmherzigkeit und weil man nicht anders kann? Oder hat man den Mut, das laute Schweigen der Bischöfe in eine laute Anweisung umzusetzen?
Die Fastenzeit kommt damit gerade zur richtigen Zeit. Das Verhalten am Tisch, das der Gebliebenen und der neu- oder wieder dazu Gekommenen, kann und darf seine Gründe haben. Diese Gründe sollen, offen, fair, gerecht, barmherzig sein. Nicht der eigenen Macht und dem persönlichen Thema dienen.
Und wenn man es mal nicht schafft - was ja nur menschlich ist - dann gibt uns die Fastenzeit eine Fülle von Möglichkeiten der Reflexion und des Bessermachens
Resultate von Reflexion und des Bessermachens haben die Bischöfe und die RKZ in anderen Dingen gezeigt. Die Assessments für kirchliche Mitarbeitende wurden beschlossen. Die Statuten für ein nationales Gericht wurden verfasst und nach Rom geschickt. Beide Projekte werden unsere Kirche in den Bemühungen um die Verhinderung von Missbrauch sicherer machen. «Endlich» kann man sagen. «Immerhin jetzt», passt auch.
Nachdem jetzt auch die etwas andere Fasnacht zu Ende ist, können wir uns ganz auf die Fastenzeit konzentrieren. Dazu gibt es in den nächsten Tagen eine Vielzahl von Gelegenheiten.
- Noch bis am 16. März lädt die Giardina und in ihr der Stand der Kirchen zum Nachdenken über die Schöpfung ein.
- Seit gestern ist der Gewinner des Filmpreises der Kirchen am ZFF 2024 in den Kinos. Eine eindrückliche Geschichte, was eine Mutter für ihre Kinder alles tut.
- Ganz spontane Menschen können sich heute Freitag um 18.30 Uhr in der Paulus Akademie über die Dargebotene Hand informieren und feststellen, wie viel Gutes hinter den Zahlen 143 steckt.
- Erzählungen aus Persien mit Livemusik und Tanz darf man zum persischen Neujahr Nouruz am Donnerstag und Freitag 20. Und 21. März erleben.
- Damit das Gerede auch verstanden wird: Samstagsinput in Geroldswil um 10 Uhr: «Verstehen und Verstanden werden»
- Am Samstag findet an vielen Orten der Pfadischnuppertag Gelegenheit zu sehen, mit welcher Kreativität und Freude, Welt verändern geht.
- Stärken sie sich mit einer guten Fastensuppe.
- Am Dienstag, 18. März, können sie einen schrägen Uhu auf der Bühne der Pfarrei Maria Krönung in Zürich erleben.
Eine frohe, manchmal nachdenkliche, manchmal freudige Woche wünsche ich Ihnen.
Thomas Boutellier
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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