Persönliche Erklärung zur Rücktrittsforderung an Martin Grichting
Ich möchte an dieser Stelle kurz erklären, wieso ich diesen Offenen Brief geschrieben und verschickt habe.
Zunächst war ich aufgrund von Pressemitteilungen sehr überrascht, dass bereits am Montag, dem 23.11., im Domkapitel nun die Wahl des neuen Bischofs stattfinden sollte. Es wurde erwähnt, dass drei valable und moderate Kandidaten zur Wahl stünden. Erfreut habe ich daraufhin einen Entwurf eines Schreibens an den potentiell künftigen Bischof verfasst, um diesem rechtzeitig zu gratulieren und ihn an eine der nächsten Synodensitzungen einzuladen. Als dann medial bekannt geworden ist, dass einer Mehrheit des Domkapitels - die notabene von Papst Franziskus vorgeschlagenen – Kandidaten nicht genehm sind bzw. die Liste offenbar brüsk an den Papst zurückgewiesen wurde, habe ich mich entschlossen zu reagieren.
Genug ist genug: 30 lange Jahre dauert nun die bedauerliche Geschichte der Spaltung im Bistum bereits. Seit ich 2015 in die Synode eingetreten bin, habe ich persönlich unzählige Rückmeldungen aus Zürich und Graubünden erhalten, die einen traurig und wütend stimmen. Viele Katholikinnen und Katholiken treten aufgrund dieses langjährigen und leidigen Kampfes aus der Kirche aus oder begeben sich resigniert in die innere Migration. Für einen elitären Kreis an der Bistumsspitze - namentlich unter dem Einfluss von Martin Grichting – wird immer deutlicher: Ein echter Dialog auf Augenhöhe oder Schritte zur Befriedung der Situation im Bistum sind kein Szenario. Vielmehr zählt für diesen Kreis einzig die Hierarchie, ihr eigenes enges Korsett linearen Denkens, das nur zwei Farben kennt, nämlich schwarz oder weiss, die Guten und die Bösen. Zu den echten Gläubigen gehören ohnehin nur die, welche sich kategorisch an ihre Interpretation der katholischen Lehre und an eine rigide Gehorsamsverpflichtung halten.
Generalvikar Martin Kopp wurde dieses Jahr kaltschnäuzig entlassen und Nuntius Gullickson äusserte sich in salopper Weise noch kurz vor seinem Weggang despektierlich über das duale System der Kirchen in der Schweiz. Kurzum: Mit all den neuen Vorkommnissen wurde bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht, so dass ich mich zu diesem Schritt der Rücktrittsforderung an Martin Grichting entschlossen habe.
Die Geschichte ist nicht zu Ende. Zwei Tage später gelangte das Protokoll der geheimen Sitzung des Domkapitels durch Indiskretion an die Öffentlichkeit. Es zeigt eine skurrile und absolutistische Welt, welche die meisten Menschen sprachlos und verärgert zurücklässt. Strikte Geheimhaltung wird eingefordert, die Bischöfe Gmür und Büchel als feindliche „Einmischer“ gebrandmarkt oder Joseph Bonnemain als „grösste Priesterenttäuschung“ diffamiert.
Für mich ist klar, der Papst muss rasch einen integren, offenen, basisnahen Bischof ernennen, der fähig ist, Brücken zu bauen. An dieser Stelle erinnere ich Sie an unsere Resolution an der Synode vom 1. Dezember 2016. Die erbarmungslosen ideologischen Hardliner eines klerikalen Männerbundes müssen weg. Denn für Grichting sind Vertreter des staatskirchenrechtlichen Systems ohnehin ein Graus (siehe Protokoll).
Je rascher wir dieses verzerrte Bild des Katholizismus in der Öffentlichkeit korrigieren können, umso besser. Dabei werden wir alle gebraucht - Priester, Mitarbeitende, Institutionen, Katholikinnen und Katholiken, Synode und Synodalrat - um das lädierte Bild der Katholischen Kirche langsam durch gute Taten zu verbessern, menschliche Barmherzigkeit aufzuzeigen, durch einen mutigen und angstfreien Dialog mit Kritikern inner- und ausserhalb der Kirche sowie durch eine professionelle Kommunikation einen neuen Weg zu beschreiten. Damit muss der „eigentliche Sinn der Kirche“ mit seinen positiven Wirkungen wieder ins Blickfeld gerückt werden.
Diese Aufbauarbeit ist nicht in einem Jahr zu bewältigen, sondern benötigt einen Marshallplan für die Katholische Kirche für die Dauer eines Jahrzehntes. Es würde mich freuen, wenn wir alle dazu einen Beitrag leisten und so zur Befriedung der Situation im Bistum Chur einen Schritt weiterkommen könnten.
An der Synode vom 3. Dezember 2020, im Sinne einer programmatischen Rede Felix Caduff, Präsident der Katholischen Synode Zürich
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