Berufsbild «Pastoralassistent» gescheitert?
Generalvikar Martin Grichting hat am 7. Januar in der Neuen Luzerner Zeitung die Meinung vertreten: «Die Pastoralassistenten wurden in den letzten Jahrzehnten in ein Berufsbild hineinmanövriert, das eine Sackgasse ist. Sie sind Opfer einer verfehlten Personal- und Ausbildungspolitik der Kirche in der Schweiz. Das Berufsbild des Pastoralassistenten ist gescheitert.»
Gewiss ist das Berufsbild des Pastoralassistenten und der Pastoralassistentin weiter zu klären. Das macht die Pfarreiinitiative, die seit September letzten Jahres in der Deutschschweiz im Gange ist, mehr als deutlich. Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen sind kein Priesterersatz. Wo sie Dienste übernehmen, die mit der Ordination verbunden sind, kommt es zu Konflikten. Priester und Pastoralassistenten haben wohl gemeinsam Anteil an der Sendung Jesu Christi. Aber sie geben in verschiedener Weise, in je verschiedenen Berufungen und mit je verschiedenen Beauftragungen durch den Bischof Zeugnis von Jesus Christus.
BERUFUNGEN KLÄREN
Es bleibt zu hoffen, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern der Pfarreiinitiative und den Bischöfen einen Dialog in Gang setzen, welcher der Klärung der unterschiedlichen Berufungen dient. Aber deswegen darf das Berufsbild des Pastoralassistenten nicht als gescheitert erklärt werden. Vielmehr ist den theologisch und pastoral gut ausgebildeten Frauen und Männern, die seit mehr als 40 Jahren dem Volk Gottes in den Pfarreien, Spitälern, Gefängnissen, Schulen und kantonalen Stellen dienen, aufrichtig zu danken. Ohne ihren Dienst könnten wir als katholische Kirche im Kanton Zürich unsere Aufgabe nur sehr eingeschränkt wahrnehmen.
Ein Blick auf die Spital- und Klinikseelsorge im Kanton Zürich spricht für sich: Die katholische Kirche ist heute in 31 Spitälern und Kliniken mit 25 Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen, 3 Diakonen und 12 Priestern mit unterschiedlichen Prozentanstellungen tätig. Diese führen jährlich rund 30 000 Gespräche mit katholischen Patienten. Hinzukommen 15 000 Kontakte mit Angehörigen und Pflegepersonal. Total dokumentiert eine externe Evaluation für 2009 62 610 persönliche Kontakte der katholischen Spitalseelsorge. Kranke besuchen, Sterbende begleiten, Trauernde trösten gehört zu den vornehmsten Aufgaben der Kirche. Wollen wir in Zukunft darauf verzichten? Ohne Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen können wir den professionellen Dienst an den Kranken und Sterbenden in den Spitälern und Kliniken des Kantons Zürich nicht gewährleisten. Ähnliches gilt für den Dienst der Pastoralassistenten in den Pfarreien und den neu zu errichtenden Seelsorgeräumen. Gerade die von Bischof Vitus Huonder und Generalvikar Martin Grichting mit erarbeitete Rahmenordnung für Seelsorgeräume setzt ein Zusammenwirken von Priestern und Pastoralassistenten voraus.
KONSTTUKTIVES ZUSAMMENWIRKEN
Die Priester in den Seelsorgeräumen sollen von organisatorischen und administrativen Verpflichtungen entlastet werden. Dazu sieht die Rahmenordnung neu die Anstellung von Seelsorgeraumassistenten und Pfarreibeauftragten vor. Diese sind theologisch ausgebildete Laien, also Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen. Das vom Bischof von Chur lancierte Konzept der Seelsorgeräume steht und fällt mit dem konstruktiven Zusammenwirken von theologisch gebildeten Laien sowie Priestern und Diakonen. Es ist in unseren Seelsorgeräumen, die nicht selten weit über 10 000 Kirchenmitglieder zählen, unmöglich, die anfallenden Aufgaben der Koordination und Organisation allein ehrenamtlichen Kräften zuzumuten. Wir brauchen ein Minimum an hauptamtlich Angestellten, damit ehrenamtliches und freiwilliges Engagement lebensfähig bleiben. Diese Aufgabe ist mit den vorhandenen Priestern nicht zu bewältigen. Wir brauchen deshalb Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen. Ihr Dienst gründet in der Teilhabe aller Getauften und Gefirmten an der Sendung der Kirche. Wie können wir ihnen verweigern, wozu sie berufen sind?
Wäre es nicht gut, bei allen offenen Fragen rund um das Berufsbild der Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen immer wieder den Rat des Pharisäers Gamaliel in der Apostelgeschichte zu bedenken? Dieser spricht zu den Juden über die Anhänger Jesu und sagt: «Wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten, sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gott dastehen.» (Apg 5, 38f.).
JOSEF ANNEN
GENERALVIKAR ZÜRICH-GLARUS