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10 Jahre Zürcher Ökumenebrief (September 2007)

„Längst ist uns bewusst, dass unsere Kirchen viel mehr miteinander verbindet als trennt.“ Kirchenratspräsident Ruedi Reich und Weihbischof Paul Vollmar bestätigen und erneuern die Anliegen des Zürcher Ökumenebriefs von 1997. Sie bitten die Verantwortlichen in Kirchgemeinden und Pfarreien darum, die ökumenische Zusammenarbeit weiter zu pflegen und auszubauen.

An die evangelisch-reformierten und römisch-katholischen
Kirchgemeinden und Pfarreien im Kanton Zürich

 

Zürich, anfangs September 2007

Liebe Schwestern und Brüder

„Längst ist uns bewusst, dass unsere Kirchen viel mehr miteinander verbindet als trennt.“ Dies ist die zentrale, einleitende Aussage des Ökumenebriefs vom September 1997. Weihbischof Peter Henrici und Kirchenratspräsident Ruedi Reich wandten sich damals gemeinsam an die Zürcher Kirchgemeinden und Pfarreien und ermutigten sie, die gute ökumenische Zusammenarbeit weiter zu pflegen und auszubauen.

Zehn Jahre später erneuern wir diesen Wunsch und bitten Sie, in den Kirchgemeinden und Pfarreien dem Geist der Partnerschaft Sorge zu tragen und an den keineswegs überholten Vorgaben des Ökumenebriefs von 1997 weiterzuarbeiten.

Die Geschichte der Schweiz und des Kantons Zürich ist zwar geprägt von konfessionellen Differenzen. Aber auch der respektvolle und pragmatische Umgang der beiden Konfessionen hat eine Jahrhunderte alte Tradition.

Am 10. September sind es 200 Jahre her, dass Katholiken und Katholikinnen im Kanton Zürich wieder regelmässig Gottesdienste feiern konnten. Für die damaligen politischen und konfessionellen Verhältnisse in der Schweiz war dies ein zukunftsweisender Entscheid des Kantons Zürich. Es dauerte noch Jahrzehnte bis es in anderen Landesgegenden vergleichbare Verhältnisse für Katholiken und Reformierte gab.

1963 wurde die Römisch-katholische Körperschaft vom Staat öffentlich-rechtlich anerkannt. So erhielten die Zürcher Katholiken im staatskirchenrechtlichen Bereich demokratische Strukturen mit Zentralkommission und Synode sowie das Pfarrwahlrecht.

Der Kantonsrat hat anfangs Juli 2007 mit nur vier Gegenstimmen dem neuen Kirchengesetz zugestimmt. Damit gibt es erstmals ein einziges Gesetz für alle drei öffentlich-rechtlich
anerkannten Kirchen. Dieses Gesetz schafft Rahmenbedingungen, die es den beiden Kirchen ermöglichen, ihren vom Evangelium aufgegebenen Auftrag wahrzunehmen und sich in vielfältiger Weise für das Wohl der Menschen in unserem Kanton einzusetzen. Die gleichberechtigte Partnerschaft der beiden Kirchen konkretisiert sich im Eintreten für christliche Werte in unserem Kanton. Der religiöse Frieden und der respektvolle Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen ist uns ein gemeinsames Anliegen.

An einem Geist der ökumenischen Partnerschaft ist uns viel gelegen. Ökumene heisst: voneinander lernen und dankbar den Reichtum des anderen anerkennen. Es kann dann aber auch bedeuten, in Gelassenheit und Offenheit die eigene kirchliche Identität zu leben.

Die beiden Kirchen sind historisch und kulturell unterschiedlich geprägt, und theologisch gibt es verschiedene Auffassungen und Anliegen. Auch darüber soll das Gespräch geführt werden. Doch das Gemeinsame überwiegt die Differenzen bei weitem. Es ist darum wichtig, dass wir dieses Gemeinsame im Dialog mit dem Evangelium, im Gebet und miteinander suchen und vertiefen.

Besorgt stellen wir fest, dass man sich in den beiden Kirchen in den letzten Jahren vermehrt mit sich selber beschäftigt und nach dem je spezifischen konfessionellen Profil fragt. Gewiss: In einer Zeit der zunehmenden religiösen Beliebigkeit und des Pluralismus ist dies verständlich und wohl auch nötig. Dabei darf aber unsere gemeinsame christliche Identität und unser gemeinsamer evangelischer Auftrag der Verkündigung des Reiches Gottes nicht aus dem Blickfeld geraten.

Eine Profilierung auf Kosten der Schwesterkirche lehnen wir ab. Eine solche Entwicklung wäre fatal, denn sie würde die Glaubwürdigkeit beider Kirchen belasten und insbesondere auch die Situation der vielen konfessionell gemischten Familien erschweren.

Die Probleme und Herausforderungen, mit denen die Kirchen heute konfrontiert werden, sind vergleichbar. Beide Kirchen stehen vor der Aufgabe, das Evangelium so zu verkünden und auszulegen, dass es für die Menschen Sinn stiftet. Sie sind herausgefordert, in unserer Gesellschaft Zeichen der Präsenz Gottes zu setzen und sich für Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Erhaltung der Schöpfung einzusetzen. Diesen gemeinsamen Auftrag gilt es auch in Zukunft wahrzunehmen.

Im Sinne des Ökumenebriefs von 1997 bitten wir darum die Verantwortlichen in unseren Kirchgemeinden und Pfarreien, die ökumenische Zusammenarbeit weiter zu pflegen und auszubauen. Dies kann zum Beispiel heissen:

 

  • Ökumenische Themengottesdienste feiern

  • Trauungen und Abdankungen in ökumenischer Offenheit gestalten

  • Gemeinsam soziale und seelsorgerliche Projekte umsetzen

  • Gemeinsam kulturelle Veranstaltungen anbieten

  • Konfessionell gemischte Familien seelsorgerlich begleiten und sie erfahren lassen, dass sie in beiden Kirchen willkommen sind

  • Über die Kirchenmusik das gemeinsame Erbe pflegen und als Zeichen der Einheit weitertragen

  • Miteinander die Bibel lesen und sie meditieren

  • Das Gebet pflegen und so christliche Spiritualität gemeinsam leben

  • Freundschaftliche Beziehungen aufbauen und vertiefen

 

Wir setzen uns dafür ein, dass die respektvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit auch auf kantonaler Ebene weitergeführt und intensiviert wird. Insbesondere ist es uns ein Anliegen, dass die vielen sozialen und seelsorgerlichen Dienste weiterhin ökumenisch verantwortet und ausgebaut werden.

Wir bitten Sie, Ihre Verantwortung in den Kirchgemeinden und Pfarreien ebenfalls ökumenisch engagiert wahrzunehmen. Alles Reden und Tun in unseren Kirchen kann nur gelingen, wenn es getragen ist vom gemeinsamen Gebet und vom Vertrauen auf den Herrn der Kirche: Jesus Christus.

Verbunden im gemeinsamen christlichen Glauben grüssen wir Sie herzlich

 

Ruedi Reich
Kirchenratspräsident
der evangelisch-reformierten Landeskirche
des Kantons Zürich

 

Paul Vollmar
Weihbischof und Generalvikar
der Römisch-katholischen Kirche
im Kanton Zürich