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Synodaler Weg – vorwärts oder im Kreis?

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Für mich geht eine aufregende und strenge Woche zu Ende. Im Auftrag der Schweizer Bischöfe und der Römisch Katholischen Zentralkonferenz, RKZ durfte ich Teil der Online-Delegation sein, die in der Propstei Wislikofen bis gestern die kontinentale Versammlung des Synodalen Wegs zur Erneuerung der Kirche in Prag begleitete.
09. Februar 2023

Vier Tage verfolgten wir fast pausenlos auf unseren Laptops die Berichte in Prag und beteiligten uns an verschiedenen internationalen Online-Diskussionsforen, die begleitend zum physischen Treffen in Prag stattfanden. Dank mangelnder Bewegung und dem tollen Essen in der Propstei nehme ich mindestens ein Kilo zusätzliches Fettpolster mit nachhause, vor allem aber auch geistlich-intellektuelle und theologische Impulse – und Einblicke in kirchliche Machtpolitik, die immer wieder sprachlos machen. Zu Letzterem später mehr.

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Online-Delegation, die von Wislikofen aus die kontinentale Versammlung des synodalen Prozesses in Prag verfolgte. (2.v.l.:Simon Spenger). Foto: zVg

Zuerst soll das Positive stehen: Berichte aus dem kirchlichen Leben aus 39 europäischen Ländern zu hören vom Nordkap bis Zypern und Portugal bis Russland ist schon per se eine enorme Bereicherung. Auch wenn organisatorisch manches am Anfang nicht gleich geklappt hat, so will ich der Vorbereitungsgruppe ein Kompliment aussprechen. Angesichts der immensen Aufgabe und der begrenzten finanziellen Mittel war das Resultat eindrücklich. Das muss der Kirche erst mal jemand nachmachen! Wenn sich die Superreichen und Mächtigen zum WEF in Davos treffen, gibt es zwar einen riesigen Medienrummel. Was aber wirklich in den Hinterzimmern bei Champagner und Kaviar diskutiert wird, erfährt die Öffentlichkeit kaum – geschweige denn, dass sich Bürgerinnen und Bürger an den Diskussionen beteiligen könnten. Das war in Prag anders.

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Eröffnung der kontinentalen Versammlung des synodalen Prozesses in Prag. Foto: zVg

Doch Prag ist kein Grund, in Euphorie auszubrechen! Vor allem wurde in den letzten Tagen auf drastische Weise deutlich, wie tief die Gräben in unserer Kirche sind und wie gegensätzlich interpretiert wird, was «Synodale Kirche» sein soll. Bildhaft zeigte sich das gleich zu Beginn: An der Wand das riesige Logo, davor auf dem Podium sieben grauhaarige und schwarz gekleidete Männer mit Kalkleiste. Schon rein optisch konnte der Widerspruch nicht deutlicher demonstriert werden.

Analoges bei den morgendlichen Gottesdiensten: Zwei Drittel der Sitzreihen im Saal besetzt von Männern mit priesterlichen Alben und Stolen, hinten die Laien. Und das in grösster Selbstverständlichkeit. Was soll da synodal sein? Mit einer Ausnahme! Der Präsident der deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, verweigerte sich diesem klerikal-liturgischen Maskenball. Er blieb in dunklem Anzug hinten beim Volk, trat gemeinsam mit diesem zur Kommunion, wodurch die Zuschauer sehen konnten, dass es auch anders gehen würde. Er blieb eine einsame Ausnahme.

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Soviel zur Optik. Mit noch mehr Sorgenfalten nahm unsere Gruppe in Wislikofen die inhaltlichen Spannungen wahr, die in Prag offen zu Tage traten. Während für die einen Gott auch unsere moderne säkulare Welt liebt und sich hier zeigt, ist sie für andere vom Teufel und nur eine Gefahr für den katholischen Glauben.

Während ‘Einbezug der Jugend’ für die einen bedeutet, junge Menschen mit ihren Werten und Hoffnungen Raum in der Kirche zu geben und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, verstehen andere darunter, Jugendliche wieder «mehr in die Kirche zu schicken» und den Religionsunterricht zu verstärken.

Während einige unter «Teilhabe von Frauen» auch Teilhabe an den kirchlichen Ämtern und Entscheidungsfunktionen verstehen, betonen viele die «besondere Aufgabe» der Frauen ausserhalb von Hierarchie und Weiheämtern.

Während wenige darauf hinweisen, dass eine echte synodale Kirche auch das Priester- und Bischofsamt neu ausgestalten müsse, beschwören nicht wenige, eine Kirche ohne die führende Rolle der Bischöfe und Priester breche zusammen und gerate zur Anarchie. Immer wieder wird die Teilhabe und Akzeptanz von queeren Menschen angemahnt, mindestens so oft aber auch erklärt, sie lebten in Sünde und gegen Gottes Schöpferwille.

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Wie das alles unter einem Dach zusammenpassen soll, bleibt mir ein Rätsel. Vor allem aber frage ich mich, wer denn am Schluss darüber entscheidet, wie es weitergehen soll. In Prag wurden die Laien gestern verabschiedet, heute diskutieren die Bischöfe alleine ohne Öffentlichkeit das Schlussdokument, das dann mit den Papieren der anderen Kontinente an der Weltsynode besprochen werden soll.

Alle tragen permanent die hohle Phrase des «gemeinsam unterwegs» vor sich her, aber wer entscheidet über die Richtung? Oder drehen wir nur im Kreis, was ja auch eine Form des Unterwegs-Seins wäre? In meiner Online-Diskussionsgruppe meinte ein bekannter deutscher Bischof: «Wir hauen uns dauernd fromme Sauce um die Ohren, kommen aber nie konkret in die Pötte. Auch der Papst muss endlich erklären, was er denn unter Synodalität versteht.» Welcher Bischof das sagte, werde ich natürlich nicht verraten. Sein Frust über die jüngste Erfahrung beim Ad-limina-Besuch im Vatikan war unüberhörbar, wo die deutschen Bischöfe wie Ministranten zusammengestaucht wurden. Von «Synodalität» keine Spur!

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Hilfreich war das Statement der Schweizer Delegation in Prag, die mit unseren Erfahrungen hier mit dem dualen System aufzeigte, wie Entscheidungsprozesse künftig auch auf gesamtkirchlicher Ebene ablaufen könnten. Uns in Wislikofen hat beschäftigt, dass viel über Jugend geredet wurde, aber keine Jugendlichen zu Wort kamen; viel über Missbrauch, aber keine Missbrauchs-Opfer; viel über Frauen, aber keine Frauen-Gruppen. Unverständnis bei uns auch über die Auswahl der Gäste, die in Prag zu Wort kommen durften: ausnahmslos (!) Leute aus konservativen kirchlichen Bewegungen, nicht ein einziger Gast aus einer kirchlichen Reformgruppe. So kann man natürlich auch Stimmung machen.
 
Was bleibt mir? Hoffentlich nicht nur eine schöne Erfahrung von zehn ausgewählten Menschen in Wislikofen (hier unser gemeinsames Fazit). Hoffentlich mehr! Zumindest auch dies: Die Gräben in der Kirche wurden ungeschönt sichtbar, sie lassen sich nicht länger fromm übertünchen. Von einer Lösung sind wir weit, weit entfernt, nicht mal ein Weg zur Lösungsfindung zeichnet sich ab. Ob diese in allen Fragen immer für alle Teilkirchen genau gleich aussehen muss, wird die Weltsynode befinden müssen. Und zumindest auch dies: Die Kirche kann nicht hinter Prag zurück, genauso, wie sie sich jetzt immer an ihrem selbst deklarierten Anspruch messen lassen muss, synodale Kirche sein zu wollen.

Zum Abschluss meiner Eindrücke sei nochmals Bischof Bätzing zitiert: «Wir haben in Prag kein kirchliches Pfingsten erlebt, wir sind noch im Abendmahlssaal.» Der Verrat des Judas und des Petrus und Karfreitag stehen noch bevor! Die Hoffnung auf Ostern und Pfingsten ist noch sehr vage: die Hoffnung auf eine synodale Kirche, in der das, was alle angeht, auch von allen beraten und von allen entschieden wird.

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Entschuldigen Sie, dass dieses Grüss-Gott-Zürich etwas länger ausgefallen ist. Als Delegierter der Bischöfe und der RKZ fühle ich mich halt verpflichtet, vom Erlebten weiterzugeben. Deshalb in aller Kürze nur noch wenige weitere Hinweise.
 
Im Podcast auf RefLab zieht Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding eine erste Bilanz ihrer Amtszeit, die ja im Sommer zu Ende gehen wird: wie immer frank und frei, ein wenig trotzig, dabei auch frohgemut und höchst unterhaltsam. Ein Hör-Erlebnis!
 
Ein sinnliches Erlebnis der besonderen Art verspricht auch die Lichtshow Enlightment im Offenen St. Jakob. Meine Kollegin Sibylle Ratz hat sie bereits erlebt und kam voll entspannt und erleuchtet nachhause. Sie empfiehlt von Herzen, es ihr gleich zu tun. Vielleicht sollte ich nach der anstrengenden Zeit in Wislikofen auf sie hören.
 
Diese Woche zeigte die neue Bevölkerungsstatistik, dass die beiden grossen Kirchen nun weniger als die Hälfte der Zürcher Bevölkerung repräsentieren. Was unsere Kirche mit der Kirchensteuer alles an Gutem bewirkt, zeigt dafür unsere Kampagne kirchensteuerwirkt.ch, die wir gerade neu lanciert haben.
 
Und noch zum Vormerken: Am 7. März feiert in der Paulus Akademie der Dokfilm zum Synodalen Weg Premiere, dies im Beisein der Zürcher Filmemacherin und weiterer Gäste. Allein der Titel tönt spannend: Die katholische Krise und die Frauen.

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Ich wünsche Ihnen allen ein entschleunigtes, segensreiches und sonniges Wochenende. Ich werde derweil im Garten ein paar überflüssige Pfunde abarbeiten.

Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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