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Blau – Schwarz oder Weiss – Gold?

Informationsbeauftragter Generalvikariat
Thomas Boutellier
Thomas Boutellier
In der katholischen Kirche steigt die Spannung auf die kommenden Tage. Für die Spannung gibt es viele Möglichkeiten: Der Herbst kommt. Damit sind wir mitten in der Chilbi- und Schöpfungszeit. Oder der 12. September, der Tag der Veröffentlichung der Pilotstudie zu Missbrauch in der Katholischen Kirche in der Schweiz, jährt sich in wenigen Tagen.
06. September 2024

Weniger Newsgehalt haben die ersten Supermärkte, die bereits Weihnachtsguetzli im Sortiment haben. Wobei der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, den Start der Weihnachtsfeierlichkeiten auf den 1. Oktober festgelegt und verordnet hat, dass diese drei Monate lang geht. Nichts Neues für die Menschen in Venezuela. Immer wenn es für Maduro eng wird, macht er der Bevölkerung dieses Geschenk. In den letzten Jahren begannen die Feierlichkeiten jeweils am 1. November.

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Da reiben wir, die wir uns über das Weihnachtsgebäck in den Supermärkten ärgern, die Augen und denken, das kann doch nicht wahr sein.

Dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte, das passiert den meisten Organisationen immer wieder. Im Hinblick auf den 12. September sicher auch auf die katholische Kirche in der Schweiz. Man darf gespannt sein, wie in den nächsten Tagen die Fortschritte bei der Aufarbeitung und Bewältigung der Missbrauchskrise dargestellt werden.

Dass es Fortschritte gibt, ist unbestritten. In Zürich nehmen in diesen Tagen zwei neu Präventionsbeauftragte ihre Arbeit auf.

Wer in der katholischen Kirche seelsorgerisch tätig sein will, muss sich zu Beginn seiner Arbeit einem Assessment unterziehen. Dabei geht es nicht nur um den Nachweis, dass man sich bisher nichts hat zuschulden kommen lassen.

Es gibt konkrete Pläne für verschiedene Meldestellen, für die Zusammenarbeit mit Opferhilfestellen etc. Und doch wird es immer wieder Negativschlagzeilen geben, wie die des potentiellen Ehrendomherrn im Bistum Basel.

Wenn man sich umhört, wenn man die Meldungen liest, findet man sehr viele negative Berichte. Das ist auch für mich als kirchlichen Mitarbeiter sehr frustrierend, arbeiten wir doch Tag für Tag an einer transparenteren und menschenfreundlicheren Kirche.


Welche Farbe ist die richtige?

In den letzten Tagen habe ich einen Podcast gehört, in dem es um das Foto eines Kleides ging. Ein Kleid, das, wenn man die Leute fragt, entweder weiss-gold oder schwarz-blau ist. Dasselbe Bild wird in verschiedenen Farben gesehen.

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Es gibt viele Erklärungen dafür. Aber eine ist besonders spannend. Wenn wir etwas nicht wissen, füllt unser Gehirn die Lücke manchmal mit einer wahrscheinlichen Lösung, die auf unserer persönlichen Erfahrung beruht. So sehen manche das Bild blau-schwarz oder weiss-gold. Unser Auge ist sich nicht sicher und macht uns einen Vorschlag. Das Auge verkauft uns dann eine Lösung, die eigentlich keine ist. Die Farbe ist dann so, «wie sie sein soll».

Das «Es ist so, wie es sein soll, oder es kann nicht sein, weil...» kennen wir alle. Wir kennen auch das Gefühl, dass wir schon vor der Lösung wissen, warum etwas so ist oder nicht so ist, wie es theoretisch sein sollte.


Mit den Erwartungen an den 12. September ist das sicher auch so. Wir wussten schon vor einem Jahr, dass es schwierig bis unmöglich sein wird, in kurzer Zeit alle Massnahmen im Kleinen wie im Grossen umzusetzen.

Wir können uns fast nicht vorstellen, dass die katholische Kirche, die so viele Jahre geschwiegen und vertuscht hat, jetzt plötzlich transparent sein soll. Deshalb wird es in den nächsten Tagen oft heissen: Was nicht ist, kann nicht sein. Hinzu kommt, dass die Erwartungen enorm hoch waren. Ein Jahr ist für diese Erwartungen eher eine kurze Zeit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die katholische Kirche immer lange gebraucht hat, wenn es um Reformen ging.

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Ob das Kleid nun weiss-gold oder blau-schwarz ist, oder ob die katholische Kirche auf dem Weg des Kulturwandels ist, das wird von allen unterschiedlich gesehen. Und ganz viele Prozesse, die im Gange sind, kennt die interessierte Öffentlichkeit noch nicht; weil es ein Prozess ist und sich noch ändern kann, weil wir uns nicht vorstellen können, dass und wie so ein Prozess ablaufen kann, füllt unser Kopf die Lücken im Bild.

Und weil das Bild auch innerkirchlich eher negativ gesehen wird, können die Berichte, die Verlautbarungen usw. noch so einfach und klar sein, wenn es nicht dem entspricht, was wir erwarten, füllen wir die Lücke und stellen so fest: Es ist noch nichts passiert. Alles andere als diese Erfahrung wäre fast ein Wunder, so denken zumindest die meisten von uns unbewusst.

Die Nachrichten, Geschichten, Rück- und Ausblicke daraufhin zu prüfen, ob sie weiss-gold oder schwarz-blau sind, ist die eine Herausforderung. Die andere ist zu akzeptieren, dass es beide Farbkombinationen gibt. Ebenfalls, dass beide richtig sind. Es hängt von unserer Erfahrung ab, ob wir einem Bericht oder den Fakten glauben. Und wenn jemand das nicht tut, heisst das nicht, dass die Fakten falsch sind, vielleicht kann er oder sie es «einfach nicht glauben».

Damit will ich die katholische Kirche nicht pauschal in Schutz nehmen. Wir sind auch nach einem Jahr noch nicht da, wo wir sein wollen und wo die Gesellschaft uns sehen will. Aber wir sind viele Schritte in die richtige Richtung gegangen.

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Auf einen Farbtupfer wird die Pfarrei St. Gallus in Zürich setzen, wenn sie am 22. September einen Tiersegnungsgottesdienst durchführt. Fredi Böhni und sein Team möchten im Gottesdienst zeigen, dass Schöpfung immer mehr ist als der Mensch, der sich so gerne als wichtigster Teil der Schöpfung sieht.

Schöpfung ist das Stichwort, das seit dem 1. September mit der Schöpfungszeit unser Bewusstsein für Umwelt und Natur stärken soll. Der Katholische Frauenbund Zürich lädt am Samstag, 7. September, dazu ein, die Biodiversität in der Stadt Zürich zu entdecken. Bis zum 4. Oktober finden Veranstaltungen zum Thema statt.


Eine Sonderausstellung ist in der Bahnhofskirche zu sehen. Die Lukasgesellschaft lädt anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens zum Besuch der Kunstinstallation «Hinter den Wolken» ein.

Ebenfalls 100 Jahre feierten die Pfadfinder des Bezirks St. Georg am vergangenen Wochenende. Dies mit einem großen Distrikttreffen aller Aktiven zu einem Tag voller Pfadfinderabenteuer und Gemeinschaft.

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Wer wissen will, wie die Kirche auch an den vielen Chilbis und Herbstmessen präsent ist, kann im Podcast von Laut und Leis hören, wie Schaustellerpfarrer Adrian Bolzern seine Arbeit in einem für die meisten Menschen fremden Umfeld beschreibt.

Ob er am Knabenschiessen dabei ist, konnte ich auf die Schnelle nicht herausfinden. Aber ich bin sicher, wer ihn sucht, wird ihn dort finden.

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Am Sonntag findet zu Ehren der Stadtpatrone Felix und Regula eine Prozession durch die Stadt statt. Ein farbenfrohes, überkonfessionelles Fest, das immer wieder fasziniert.

Und auch in der Paulus Akademie gibt es in der kommenden Woche eine ganze Reihe spannender Veranstaltungen. Los geht es am Dienstag mit dem Thema Suizid und wie die Dargebotene Hand helfen kann. (Dienstag ist auch Welttag der Suizidprävention).
Wer sich am Mittwochmittag beim Brainfood mit der ethischen Frage der Eizellspende beschäftigen möchte, kann dies um 12.30 Uhr tun. Der Donnerstag steht dann die Paulus Akademie unter dem Motto: «Ein Jahr nach der Pilotstudie». Zum Abschluss der Woche am kommenden Freitag stellen sich die Experten auf dem Podium der Frage nach dem Wandel zur Nachhaltigkeit.

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Und wer sich trotz all der spannenden Themen noch einmal mit dem Kleid beschäftigen möchte oder mit der Frage, warum Menschen einmal das Wort Laurel und einmal das Wort Yanny verstehen, kann dies mit dem Podcast «Ich höre was, was du nicht hörst.» tun.

Herzliche Grüsse vom schwarz-blau-sehenden


Thomas Boutellier
 

 

Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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