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«Grüss Gott» oder «Gute Nacht»?

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Kennen Sie das? Sie müssen eine Aufgabe stemmen, sind aber kraftlos. Sie sollten Hoffnung verbreiten, spüren in sich aber vor allem Resignation. Statt wach und neugierig fühlen Sie sich müde, ausgelaugt und der Silberstreif am Horizont ist weit und breit nicht mehr zu sehen. Genau so geht es mir gerade heute Morgen, an dem ich im Büro bis zum Mittag die neue Ausgabe von «Grüss Gott Zürich» abliefern soll.
28. Juni 2024

Statt nach «Grüss Gott» steht mir der Sinn eher nach «Gute Nacht». Was ist los? Ich will ehrlich sein, auch auf die Gefahr hin, von einigen vielleicht falsch verstanden zu werden und böse Kommentare zu ernten: Der Auftritt unseres Bischofs letzte Woche vor der Synode hat mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Und die Reaktion des Kirchenparlaments gleich nochmals hinterher. Doppelt k.o.

Sicher, die Ablehnung einer Öffnung der Weiheämter für Frauen seitens des Bischofs war zu erwarten. Trotzdem haben mich die simplen Begründungen mit den klassischen Argumenten der komplexitätsreduzierten amtlichen Schultheologie erschüttert. Auf den Punkt gebracht: «Der liebe Gott hat das so gewollt und deshalb kann man das auch nicht ändern.»

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Als ob nicht zahllose Theologinnen und Theologen seit Jahrzehnten gegen diese unstatthaften Verkürzungen des offiziellen Lehramts anschreiben, als ob nicht andere Bischöfe das ganz anders sähen (zugegeben, eine Minderheit), als ob nicht selbst eine päpstliche Bibelkommission schon vor 50 Jahren festgestellt hätte, dass sich aus der Bibel kein Verbot der Frauenweihe ableiten lasse, als ob sich unsere Gesellschaft gerade in der Frage der Gleichberechtigung nicht grundsätzlich gewandelt hätte. «Nein, alles bleibt, wie es ist, weil es Gottes Wille ist, dass es so ist. Basta.»

Und dann? Nicht das leiseste Wort des Widerspruchs aus dem Kirchenparlament, nicht eine einzige zaghafte Nachfrage, nur braver, demütiger Applaus für seine Exzellenz, den Bischof. Das kann ich noch heute nicht fassen und das macht mich fertig.

Soll so der angekündigte Strukturwandel in der Kirche gelingen? Wie wollen wir aufgeweckte, junge Menschen gewinnen, für die die Gleichberechtigung der Geschlechter eine Grundvoraussetzung einer gerechten Welt ist? Also nicht nur Splittergruppen, sondern die Breite der jungen Generation? Ist der Fels, auf den unsere Hierarchie sich stützt, letztlich nur ein riesiger, ideologisch verbrämter Bremsklotz?

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Zurzeit macht es leider diesen Anschein, aber ich will die Resignation nicht siegen lassen. Denn trotz allem gibt es Gott sei Dank noch immer Frauen in der Kirche, die sich nicht beirren lassen. Ich danke dem katholischen (!) Frauenbund, der Herbert-Haag-Stiftung, der Allianz Gleichwürdig Katholisch, dem Catholic Women’s Council und etlichen anderen Gruppen für ihre jüngsten Briefe an Papst Franziskus und an die Weltsynode nach dem schroffem «No» zur Diakoninnenweihe. Sie alle sind auch Getaufte und Teil der katholischen Kirche, wie ich selbst.
 
Immerhin das muss man unserem Papst zugutehalten: Er lässt die offene Debatte in der Kirche zu, reagiert nicht mit Maulkörben, Denk- und Diskussionsverboten und Zensur. Auch wenn vielen Bischöfen die Frauenfrage so lästig ist wie ein Furunkel am Hinterteil, sie werden sie nicht los. Weil wir in unserer realen Welt gar nicht anders können, als uns diese Frage immer neu zu stellen. Weil die Menschen sie uns, der Kirche, stellen. Und wenn Frauen hie und da auch Leitungspositionen ohne Weihe in der Kirche besetzen, was unser Bischof auch fördern will, so ist das eine erfreuliche Entwicklung. Auch wenn die Grundfrage weiter auf eine Lösung wartet. Viele Menschen warten. Und viele haben das Warten satt und gehen.

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Auf den Weg nach Rom machen sich in wenigen Wochen rund 70'000 Ministrantinnen und Ministranten, ein paar hundert auch aus der Schweiz. Mein Kollege Thomas Boutellier ist dabei voll engagiert und fiebert dem Event entgegen.

Ich wünsche allen eine tolle Zeit. Und wenn ich daran zurückdenke, wie mir in meiner Kindheit der Pfarrer nach der Messe in der Sakristei sagte: «Deine Schwester darf jetzt auch gern Ministrantin werden, lade sie doch herzlich ein» und ich das freudestrahlend daheim in der Küche ausrichtete, dann hat sich in diesen 55 Jahren doch etwas bewegt. Und die Kirche wird sich weiterbewegen, kein Bremsklotz dieser Welt kann das längerfristig aufhalten. Weil die Welt sich dreht.

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Ausserdem scheint heute mal so richtig die Sonne. Meine Hühner gackern lustig im Pferch, vor meinem Fenster tummeln sich die Bienen im Blütenmeer des Lavendels – la vie est belle, lassen wir uns die Freude daran nicht verderben.

Ich wünsche der Pfarrei St. Josef in Zürich ein schönes Fest zur Wiedereröffnung der Kirche nach der Renovation, ihrem Pfarrer Hannes Kappeler Gottes Segen für sein neues Leben im Ruhestand (er hatte mir in meinen jungen Jahren als Pfarrblattredaktor mal angekündigt, mich auf einen Gleitschirmflug mitzunehmen und mich oben in der Luft dann auszuklinken, aber das ist lange her und wir schmunzeln heute beide darüber – auch so verändert sich die Welt und wir mit ihr).
 
Allen Trachtenfreunden wünsche ich ein tolles Fest in Zürich und überhaupt allen ein erholsames Wochenende möglichst frei von Resignation und Trübsal. Und natürlich am Samstagabend einen packenden Match!

Ihr
Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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