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Wissen im Meer von Unwissenheit

Informationsbeauftragter Generalvikariat
Thomas Boutellier
Thomas Boutellier
«Wissen ist wie eine grosse Kugel in einem Meer von Unwissenheit. Jedes Mal, wenn neues Wissen hinzukommt, wächst die Kugel, aber auch das Unwissen.»
07. Juni 2024

Bei der Abschiedsvorlesung im Mai von Professor Markus Ries an der Universität Luzern sprach seine Kollegin Nadja El Kassar, Professorin für Theoretische Philosophie, über Wissen und Nichtwissen. Eine Frage blieb hängen:

Ist das Unwissen in Zeiten von Google und KI nicht verschwunden? Bevor ich zugebe, - und ich behaupte, das kennt jeder, - dass ich etwas nicht weiss, google ich es. Und immer, wenn ich das tue, fällt mir der Spruch einer Freundin ein: «Denken ist wie googeln, nur krasser.»

Und trotz Google, KI, Büchern und klugen Menschen, die erklären können, bleibt ungewiss, was gesichertes Wissen ist.

Mit meinen Firmlingen starte ich zum Thema «Wie ist Gott?» mit der Frage: «Was weiss ich ganz ganz sicher?». Das gibt dann immer spannende Diskussionen, bei denen immer wieder das Ergebnis rauskommt: «Nur weil mir das jemand erzählt hat, weiss ich es, und weiss es doch nicht so 100 Prozent.»

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In ihrem Vortrag erläuterte Nadja El Kassar dann Blaise Pascals Beschreibung von Wissen: «Wissen ist wie eine grosse Kugel in einem Meer von Unwissenheit. Jedes Mal, wenn neues Wissen hinzukommt, wächst die Kugel, aber auch das Unwissen.»

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Und das trifft, zumindest für mich, sehr gut auf das zu, was man in den letzten Wochen und Monaten über die Gesellschaft, aber auch über die katholische Kirche erfährt.

Im Pride-Monat werden Fahnen gehisst. Längst nicht mehr nur die Regenbogenfahne. In der Landeskirche Thurgau flattert die Intersex-Inclusive-Pride-Fahne im Wind, wie die Geschäftsführerin auf kath.ch erzählt. Und auch in Zürich sieht man im Vorfeld der «Zürich Pride» viel mehr Fahnen. An der Pride selbst findet ein ökumenischer Gottesdienst statt.

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Was die Intersex-Inclusive-Pride-Flagge betrifft, bin ich wieder bei Blaise Pascal. Ich weiss, dass es sie gibt und dass sie wichtig ist. Gleichzeitig hat sich viel Unwissenheit angesammelt, denn ich müsste wissen, was welche Flagge ist, welche Farben zu welcher Gruppe gehören und wie sich diese Gruppe definiert. Aber eines beruhigt mich. Trotz aller, zum Teil auch unterirdischer Kommentare mancher Menschen: Ich darf um mich herum eine Kirche erleben, die bunt und vielfältig ist; die interessiert auf die Menschen zugeht. Das ist nicht überall so, ich weiß, aber es sollte so sein, und alle, die diskriminieren, sollten das wissen. Leider führt dieses Wissen nicht dazu, dass man weiss, warum man das tut und warum Diskriminierung nicht christlich sein kann. Aber, je grösser die Kugel wird…

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 Innerkirchlich war ausnahmsweise nicht der Missbrauch das Thema der Stunde. Vieles drehte sich um die Zukunft von kath.ch, dem katholischen Nachrichtenportal. Der Verein braucht einen neuen Vorstand. Nach turbulenten Zeiten muss er sich neu aufstellen. Die Vergangenheit, die Fragen nach der Zukunft und die Frage nach der Rolle dieses für die katholische Kirche wichtigen Medienportals, fasst ein Artikel im Branchenportal «Kleinreport» zusammen.
Beim Lesen merke ich mit jedem Satz, dass meine Kugel zwar grösser wird, aber die Unwissenheit, das Nicht-Wissen, was hinter den Buchstaben steht, was wahr und was falsch ist, genau so wächst, wie es Blaise Pascale so schön beschreibt. Am 20. Juni ist Generalversammlung von kath.ch. Hoffen wir, dass bis dahin die Fragen gestellt und das Wissen für eine gute Ausrichtung geklärt sind.

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Im Moment laufen noch die Aktionstage Behindertenrechte, an denen sich auch die Behindertenseelsorge Zürich beteiligt. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass in der Schweiz alle gleich sind, zeigt uns allein die Notwendigkeit solcher Aktionstage, dass wir noch nicht das Wissen (umgesetzt) haben, wie es sein sollte. Noch bis zum 13. Juni ist das Projekt «Kunst und Inklusion» in der Predigerkirche zu sehen. Wenn Sie noch die Gelegenheit haben, nutzen Sie sie, es lohnt sich. Das Projekt lässt unsere Kugel des Wissens viel grösser zurück, als sie vorher war.

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Wer hat die Welt geschaffen und wie? Diese Wissensfrage stellte und stellt sich das Zürcher Forum der Religionen. Es ist wohl DIE Frage, die uns Menschen seit jeher beschäftigt und begleitet. Die Frage, auf welche die Metapher von der Kugel des Wissens und dem Meer des Unwissens am besten zutrifft. Mit jeder Entdeckung und Erklärung, wie die Schöpfung wissenschaftlich funktioniert, tauchen zwei neue Fragen auf.

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Zur Einstimmung auf die «Zurich Pride» verspricht die Regenbogenkirche am Samstag, 15. Juni, einen Gottesdienst mit traditioneller Musik, Gebeten und Predigt. Lieder aus dem Gesangbuch und das Miteinander machen «gwundrig»: eine Mischung, auf die man im Zusammenhang mit der Regenbogenkirche nicht als erstes kommen würde.

Dass die Schweizer ihr Wissen gerne in der Welt erweitern, ist bekannt. Rund 800'000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch vermehrt von Einwanderern aus anderen Kulturen die Rede. Diese Wechselwirkung beleuchtet die Veranstaltung am Mittwoch, 12. Juni, in der Paulus-Akademie.

Bereits morgen Samstag, 8. Juni, ist Tag der offenen Tür im Triemlispital. Wer schon immer einmal ein Spital ohne Leidensdruck besichtigen wollte, hat dazu Gelegenheit. Die Spitalseelsorge ist mit dem Thema «Glück» vor Ort.

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Kurzentschlossene können heute Abend die «Lange Nacht im jenseits» des Viadukts mit Musik geniessen oder am Samstag, 15. Juni, beim Kleidertausch einen neuen Stil entdecken und entwickeln.

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Die theoretische Philosophie versucht, Wissen und Nichtwissen zu definieren. Sie versucht, die Begriffe zu fassen, zu verstehen. Dann bin ich immer froh, dass es die verwandte Disziplin der Theologie gibt. Sie lehrt uns, dass wir nicht alles wissen müssen, weil es jemanden gibt, der alles weiss. Wir dürfen unsere offenen Fragen auch stehen lassen. Oder sie Gott übergeben. Wissend, dass sie dort gut aufgehoben sind. Dass wir als Kugel des Wissens in diesem Meer des Nichtwissens nie untergehen, weil wir vom Glauben getragen werden.

Mit dieser Ausgangslage wird man auf dem Klostermarkt im Hauptbahnhof Zürich am 14. und 15. Juni viel zu entdecken geben.

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Genug Zeit um sich all diesen Fragen zu widmen hat man pilgernd auf der Zürcher Wallfahrt, die am 6. Juli nach Einsiedeln führt. Herzliche Einladung.

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Ich wünsche Ihnen viel neues Wissen und vor allem spannende Fragen an das Nichtwissen.
 
Thomas Boutellier
 

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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