Schrei nach Liebe
Alle – katholisch, reformiert, konfessionslos. Alle wünschen sich, in der gesellschaftlichen Debatte etwas von den Kirchen zu hören. Gleichzeitig kehren immer mehr Menschen im deutschsprachigen Raum der Kirche den Rücken.
Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe – so hat es die Berliner Kultband «Die Ärzte» vor genau 30 Jahren in einem ihrer erfolgreichsten Songs «Schrei nach Liebe» formuliert. In dem dazugehörigen Musikvideo flüchten sich Menschen vor Neonazis in eine Kirche – letztlich finden hier alle zueinander.
Gewalt: Dabei wird Liebe dringend benötigt. Kirchenaustritte, dabei wird Liebe so dringend benötigt. So würde ich, angelehnt an den 1990er-Jahre Protestsong, die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zusammenfassen, die Mittwochabend in der Paulus Akademie präsentiert wurden.
Mit der rockigen Melodie im Kopf schreibe ich das erste «Grüss Gott, Zürich» nach unserer Sommerpause und appelliere an jeden, der in der Kirche Verantwortung trägt: «Show some love, misch Dich ein!» Die katholische Stimme muss wieder lauter werden.
Nach diesem langen Anlauf: Herzlich willkommen zurück aus der Sommerpause.
50 Jahre Café Yucca – ein Grund zum Feiern?
Unscheinbar wirkt das Café Yucca - gegenüber zwei Bordelle, nebenan ein Waschsalon in der schmalen Gasse im Zürcher Niederdorf. Was hier geleistet wird, ist hingegen alles andere als unscheinbar. Hier zeigt sich seit einem halben Jahrhundert gelebte Barmherzigkeit. Das ganze Jahr über finden hier Menschen, die augenscheinlich nicht zur Zürcher Schickeria gehören, einen Zufluchtsort.
Die Freude über das Jubiläum ist gross. Tröstet sie doch nicht über die Tatsache hinweg, dass immer mehr Menschen darauf angewiesen sind, hier günstig zu essen, ein paar Stunden zu schlafen oder einfach etwas Zuwendung zu bekommen. Insbesondere während der Coronapandemie habe das Team des Café Yucca eine herausragende Arbeit geleistet und war immer offen, sagte Regierungsrat Mario Fehr in seinem Grusswort, das er bei der Jubiläumsfeier an die Veranstalter und Gäste richtete.
Sommerserie: Seelsorge auf Reisen
Apropos Sommerpause: Die haben wir begleitet mit einer Serie über die Seelsorge auf Reisen. Wussten Sie, dass es in der Schweiz bald die erste Autobahnkirche geben wird? Sie entsteht an der A13 bei Andeer im Bündnerland.
Und auch am Zürcher Flughafen und am Hauptbahnhof oder sogar auf hoher See gibt es das ganze Jahr über katholische Seelsorge – für alle. «Es kommen viele Muslime hierher, um zu beten», erzählt Flughafenseelsorgerin Andrea Thali. «Aber in unseren Räumen wird nicht nur gebetet. Menschen suchen hier nach Ruhe und einem Moment Entschleunigung im hektischen Flughafenalltag.»
Entschleunigung ist natürlich nicht nur ein Thema für den Sommer, aber für die meisten sind die warmen Monate die Zeit, in der die Gedanken besonders oft in die Ferne schweifen und wir uns nach Erholung sehnen.
Über den Tod sprechen
Gedanken an den eigenen Tod oder den Schmerz, den der Verlust eines geliebten Menschen verursacht – sie holen uns nicht selten gerade in solchen Momenten der inneren Einkehr ein. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich vermeide die Ruhe manchmal, um mich nicht mit schwierigen Gefühlen auseinanderzusetzen. Wenn das nicht mehr geht, tut es verdammt gut, sie zu teilen. Aus dieser eigentlich banalen Erkenntnis heraus ist wohl vor über zehn Jahren die Idee der Freundschaftsbänke in Simbabwe entstanden: Ältere Frauen setzen sich auf Parkbänke vor einem Krankenhaus. Sie sind ansprechbar für jeden, der etwas loswerden möchte. Sie hören einfach zu.
Mit der Aktion «Trost- und Trauerbänke» wird diese Idee am Wochenende im Rahmen des «Hallo Tod!»-Festivals aufgegriffen. Am Samstagnachmittag, 26. August, zwischen 14 und 17 Uhr, werden christliche Seelsorgende auf den Bänken auf der Fritschi-Wiese beim Friedhof Sihlfeld in Zürich sitzen und zuhören. Wer das Bedürfnis hat, über Trauer und Tod oder über andere Sorgen zu sprechen, ist herzlich eingeladen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Das dreitägige «Hallo, Tod!»-Festival beginnt bereits am heutigen Freitag. Die Veranstalter laden mit verschiedenen Formaten dazu ein, «den Tod mitten ins Leben zu holen». Festivalpässe gibt es zum «zahle so viel du kannst»-Preis hier.
Das ewige Thema Missbrauch
Nach dem Sommer ist vor der Veröffentlichung der Vorstudie zu Missbrauch in der Schweizer Kirche. Vorboten von dem, was die katholische Welt hierzulande erwarten darf, gibt es allerdings schon jetzt.
Wie der «Beobachter» und kath.ch berichten, soll der Basler Bischof Felix Gmür 2019 schwere Fehler in einem ihm bekannten Missbrauchsfall begangen haben. In den 1990er-Jahren soll es zu Übergriffen durch einen Priester gekommen sein. Gmür soll die spätere Aufarbeitung willentlich behindert haben. Im Berner Pfarrblatt nimmt Bischof Gmür ausführlich Stellung und räumt Versäumnisse ein.
Was lässt dieser Fall in Hinblick auf die im September erwarteten Studienergebnisse befürchten: Werden Fehler nur dann eingeräumt, wenn es nicht mehr anders geht? «Eine von Angst geleitete bischöfliche Kommunikation ist zum Scheitern verurteilt», mahnt der ehemalige Kommunikationschef der Schweizer Bischöfe, Nicolas Betticher im Gespräch mit Annalena Müller auf kath.ch – falls nicht schon bekannt, auf alle Fälle lesenswert.
Am Sonntag ist Caritas-Sonntag
Die Kollekte in den Gottesdiensten am kommenden Sonntag wird erbeten für die Arbeit der Caritas. «Ja zu einer Welt ohne Armut» ist das Motto, unter dem in der reichen Schweiz der Klingelbeutel durch die Reihen geht.
Warum Franziska Koller, Leiterin Internationale Zusammenarbeit bei der Caritas Schweiz, in der Armut eine «neue globale Realität» sieht, lesen sie hier. Die Caritas Zürich wird das Thema beim «Armutsforum» Anfang November aufgreifen.
Es ist viel passiert in den letzten Wochen und viel liegt vor uns im kommenden Herbst. Nicht alles kann ich heute aufgreifen oder entsprechend würdigen. Ich bitte um Nachsicht, denn dieser Newsletter ist mit Liebe geschrieben.
Ihre
Magdalena Thiele
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Sie können den Newsletter hier abonnieren
1. Kirchenaustritte: Zu diesem Thema hat es in der NZZ vom 26.8.2023 einen lesenswerten Arti
kel unter dem Titel "Religiöse Erfahrungen nehmen zu".
2. Erste Autobahnkirche: bei Erstfeld hat es bereits eine Autobahnkapelle.
3. "...schwere Fehler von Bischof Felix Gmür...": das Bild in diesem Zusammenhang finde ich un-
passend!
Auch wenn ich heute gemeckert habe, im Grossen und Ganzen bin ich froh um den Newsletter, der so viele heisse Eisen anfasst. Bloss, es fehlen die echten Schmiede in der Kirche. Was, wenn die Esse erkaltet, weil niemand mehr das Feuer schürt?
Kommentare anzeigen