Novemberblues
«Keine Schatten, keine Sterne, kein Mond … Novembers kalte Kette aus nassen Stiefeln und Regen. Der November scheint seltsam», heisst es in Tom Waits gleichnamigem Lied «November». Die Stimmung des vorletzten Monats im Jahr passt zum aktuellen Weltgeschehen. Es herrscht eine drückende, angespannte Atmosphäre. Das Licht hat es schwer, die Dunkelheit zu erhellen.
Hunderte gelbe Regenschirme erhellten gestern Abend den Münsterhof, wo sich rund 1000 Menschen zu einer friedlichen Kundgebung zum Nahostkonflikt und als Stimme gegen Antisemitismus versammelten. Gelb als Symbol für den gelben Stern, den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus tragen mussten. Damit so etwas nie wieder passiert.
Einige hundert Meter entfernt versammelten sich auf dem Bürkliplatz ebenfalls rund 1000 Personen zu einer von Schweiz ohne Armee, GSoA, und Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina ausgerufenen Friedensdemonstration.
Bereits am letzten Freitag hatte Papst Franziskus zu einem Friedensgebet aufgerufen, dass live aus Rom in die Welt übertragen wurde. Das einstündige Friedensgebet lud Menschen unabhängig ihrer Konfession und Herkunft dazu ein, gemeinsam für den Frieden zu beten.
Mit den Herausforderungen der römisch-katholischen Kirche und notwendigen Reformen befasst sich Daniel Kosch in seinem aktuellen Buch «Synodal und demokratisch».
Das Buch ist jetzt, kurz nach dem Abschluss der Weltsynode in Rom, erschienen. Am kommenden Donnerstag, 9. November, wird es im Polit-Forum Bern präsentiert. Wer sich ob des trüben Novemberwetters vor der Fahrt nach Bern scheut, kann die Veranstaltung ab 18:30 Uhr auch im Youtube Livestream verfolgen.
Dass die römisch-katholische Kirche durchaus zur Veränderung fähig ist, zeigt das Abschlussdokument der letzte Woche zu Ende gegangenen Weltsynode. Das Kapitel «Bischof in kirchlicher Gemeinschaft» anerkennt implizit die systembedingte Befangenheit der Bischöfe bei der Missbrauchsbekämpfung und fordert die Einschränkung der bischöflichen Macht durch Gewaltenteilung.
Zurückhaltend bleibt die Synode dagegen bei den Themen Frauen und LGBTQ. Hier hätte man sich durchaus mehr erwarten können. Die runden Tische und die vereinzelten Frauen auf den offiziellen Bildern der Weltsynode zeigen zwar, dass sich etwas in der Kirche bewegt, doch dominieren immer noch eine grosse Menge älterer Herren in Schwarz-Weiss das Bild.
Der November gilt seit jeher als ein Monat des Übergangs und des Rückzugs. Die letzte Ernte ist eingefahren, Flora und Fauna bereiten sich auf den Winterschlaf vor. Für die Kelten markierte der 1. November die Grenze zum Winter und zur dunklen Jahreszeit. Auch die Grenze zur Welt der Toten sollte in dieser Zeit sehr durchlässig sein.
In der christlichen Kirche pflegen wir in diesem Monat verschiedene Bräuche, die unserer Hoffnung Ausdruck verleihen oder Licht ins Dunkel bringen sollen. Und auch hier leuchtet das Licht für einige wieder heller als für andere, wie Monika Schmid in ihrem Beitrag zu Allerheiligen auf kath.ch anmerkt. Denn während wir am ersten November, an Allerheiligen, allen Heiligen, gedenken, ist der zweite November, Allerseelen, den gewöhnlichen Sterblichen gewidmet. Eine gespaltene Kirche bis in den Tod?
Der 1. November war auch für uns im Kommunikationsteam ein Tag des Abschiednehmens. Zum einen war der Monatsanfang das Ende der Anstellungszeit unserer Kollegin Magdalena Thiele, zum anderen gab Charles Martig an diesem Tag bekannt, dass er kath.ch im kommenden April Richtung Bern verlassen wird.
Zwei aussergewöhnliche Lichter, die Schwung in die oft träge katholische Kirche gebracht haben. Mit Charles Martig sind wir als Kirche sichtbar geworden, auch über unsere eigene Bubble hinaus. Er hat den Newsroom kath.ch zu einem aktuellen und relevanten Online-Medium in der Schweiz gemacht, Themen kritisch betrachtet und kritische Themen aufgenommen.
Kritisch war und ist auch Magdalena Thiele. Aber konstruktive Kritik braucht es, um sich weiterzuentwickeln, mit der Zeit zu gehen und nicht in alten Fahrwassern stecken zu bleiben. Das bedeutet nicht, jedem Trend zu folgen und sich selbst untreu zu werden. Doch nur an etwas festzuhalten, weil es immer schon so war und gut funktioniert hat, heisst auch, Möglichkeiten zu verpassen.
Der Tod eines geliebten Menschen ist immer ein harter Schicksalsschlag. Noch schwerer belastet dieser, wenn es sich um ein verstorbenes Kind handelt. Die Dunkelheit droht die Zurückgebliebenen dann fast zu erdrücken.
In einer Gedenkfeier in der Liebfrauenkirche in Zürich erhalten Betroffene am Sonntag einen Raum für ihr Andenken und ihre Gefühle. Der Anlass möchte unterstützen und aufzeigen, dass «Trauern nicht immer nur schwarz und dunkel ist, sondern auch bunt sein könnte».
Am Anfang dieses Newsletters ging es um das Thema Krieg. «Einen Krieg, der Religionen» – auch wenn diese wohl nur als Vorwand für die eigentlich dahinter liegenden politischen Ziele genutzt werden. Weil es nicht schön ist, wenn eine Kommunikation mit Krieg endet, möchte ich nun noch zu einem erfreulicheren Thema kommen, dem Dialog der Religionen.
Diesem ist die Woche der Religionen gewidmet, die ab Samstag für eine Woche lang in der ganzen Schweiz stattfindet und Begegnungen, Austausch und das gegenseitige bessere Kennenlernen ermöglichen soll. Im Kanton Zürich organisiert das Zürcher Forum der Religionen zahlreiche Veranstaltungen, die es Menschen aus unterschiedlichen Religionen und Lebenswelten ermöglichen miteinander statt übereinander zu sprechen. Das bunte Angebot bietet sicher auch für die eine oder andere Leserin und den einen oder anderen Leser einen interessanten Programmpunkt.
Wie wäre es zum Beispiel gleich morgen, mit dem Interreligiösen Rundtisch zum Thema Gerechtigkeit, an dem sich Muslime Juden und Christen auf Augenhöhe begegnen. Und das ganz gemütlich im warmen Pfarrsaal von Maria Lourdes in Seebach bei Drinks und Snacks.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende
Ihre Saskia Richter
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Sie können den Newsletter hier abonnieren
Kommentare anzeigen