Von Kronen und Krönchen
Zur gleichen Zeit am Hauptbahnhof Zürich zeigten sich rund ein Dutzend Klostergemeinschaften zum ersten Mal am Klostermarkt. Obwohl: Klostergemeinschaften sind eigentlich auch aus der Zeit gefallen, oder doch nicht? Dieser Anlass lockte zwar nicht Millionen von Menschen an. Aber die Stände waren an beiden Tagen der Durchführung äusserst gut besucht. Es gab viele Gespräche, Tätigkeiten wie Ikonenmalerei und Drechseln wurden bestaunt. Eigens hergestellte Produkte der Ordensgemeinschaften fanden regen Absatz. Die Besucherinnen und Besucher wie auch die Mönche und Nonnen zeigten sich alle freudestrahlend. Viele sind für die Veranstaltung extra nach Zürich gekommen. Nach dem grossen Erfolg überlegt man sich schon eine zweite Auflage. Da würde ich glatt fünf Krönchen für die Veranstalter bei einer Skala von 1 bis 5 vergeben für den Mut und das Engagement, sich zu den Menschen hin zu begeben. So kann gelebte Kirche sein.
Demnächst wird das Thema Kloster auch in der Paulus Akademie aufgenommen. Am Dienstag, 30. Mai, um 19 Uhr, wird dort an einer Vernissage das neue Buch «Von Kloster bis Kommune» vorgestellt. Die Neuerscheinung geht die Thematik Kloster allerdings unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit an. Im ersten Band der neuen Reihe «Zürcher Zeitzeichen» (Edition NZN bei TVZ) zeigen die Autorinnen und Autoren theologische Grundlagen auf, präsentieren Projekte und stellen Handlungsperspektiven vor. Bei der Vernissage gibt es eine Podiumsdiskussion zum Buch und zum Thema «Nachhaltig leben» unter anderem mit Synodalrat Tobias Grimbacher als Moderator. Ich erwarte einen spannenden Abend und weiss noch nicht wieviel Krönchen ich da vergeben würde. Aber es braucht ja auch nicht alles eine Bewertung, nicht wahr?
Zum Klosterleben hat sich Martin Werlen, ehemaliger Abt von Einsiedeln und jetziger Leiter der Propstei St. Gerold, seine Gedanken auf feinschwarz.net gemacht. Er unterstreicht in seinem Text die Notwendigkeit, dass sich der Klerus nicht «besser» fühlen soll als «Normalsterbliche». Unter anderem schreibt er dort: «Das lateinische Wort für Demut kann uns lehren, wie aktuell und modern diese zentrale Haltung ist: humilitas. In unserer Sprache heisst das so viel wie: nicht abheben und sich besser als die anderen fühlen, sondern auf dem Boden der Wirklichkeit bleiben. Dazu gehört auch unser Bewusstsein als Ordensleute, dass nicht alles, was wir leben, der Kirche Vorbild sein kann. Wir sind nicht die Besseren, die auf die anderen hinunterschauen dürfen.» Ein Essay, den es sich lohnt zu lesen (4 von 5 Krönchen!). Ein Krönchen weniger, weil der Text für mich durchaus noch konkreter und ausführlicher hätte sein können.
Stellen wir uns innerlich nicht manchmal auch über andere Menschen? Was sind unserer Gedanken, wenn wir einen Bettler auf der Strasse sehen? Was denken wir über die Frau, die jeden Morgen die öffentlichen Toiletten am Central putzt? (Danke übrigens an dieser Stelle allen Menschen, die dafür sorgen, dass die öffentlichen Räume gepflegt, geputzt und benutzbar sind!) Welche Berührungspunkte haben wir zu Menschen, die in einem anderen Rahmen, in einer anderen Gesellschaftsschicht, in anderen Lebensumständen zuhause sind, als wir selbst? Was denken Sie? Armer Tropf? Wieso geht der oder die nicht arbeiten? Wow, bin ich froh, dass ich einen anderen Job habe und nicht WCs putzen muss? Bin ich besser oder schlechter als diese Menschen? Oder war es nur Glück oder Unglück der Geburt, wohin es uns im Leben verschlagen hat und in welche Familien wir hineingeboren wurden? Hatte König Charles die Wahl, nicht König zu werden? Hat er sich auf die langersehnte Position als Oberhaupt gefreut oder war sie ihm nur jahrzehntelang eine Bürde?
Gelegenheit, eine andere Lebensweise zu erfahren gibt es heute und morgen Samstag, 13. Mai, noch auf der Hardturmbrache in Zürich. Hier finden mit Unterstützung der katholischen Kirche die Zigeunerkulturtage statt. Die Genossenschaft wurde von Jenischen gegründet. Meine Kollegin Magdalena Thiele berichtet darüber und empfiehlt auch heute oder morgen noch einen Besuch und ein Eintauchen in eine uns meist fremde Kultur: Das Leben ohne festen Wohnsitz, aber einem festen Zuhause, nämlich den Wohnwagen. Auch aus der Zeit gefallen mit seiner Zufälligkeit, seinem nicht nach Gewinnmaximierung strebender Lebensweise, aber auf andere Art als die Monarchie.
Schockiert, fasziniert, betroffen schaut in diesen Tagen die ganze Schweiz und das Ausland nach Brienz/Graubünden. Kommt der Berg oder kommt er nicht? Wann stürzen die Tonnen von Gestein ins Tal hinunter? Wir wünschen allen von Herzen, dass die Ungewissheit bald vorbei ist und das Dorf möglichst verschont wird. Aber was würden wir machen, wenn wir unser Zuhause innert kürzester Zeit räumen müssten? Die Einwohnerinnen und Einwohner von Brienz hatten mindestens eine Vorwarnzeit. Es bleibt sogar Zeit, den Flügelaltar zu evakuieren. Die Flüchtenden aus Kriegs-, Hunger- und Dürrezonen haben diese Zeit meist nicht. Hilft da beten? Oder ist das nur Symbolik? Was würden Sie tun?
Was in all den Krisen und anderen Widrigkeiten im Leben mindestens mir schon geholfen hat ist ein Spruch, den mir eine Freundin in einer schwierigen Zeit mit auf den Weg gegeben hat. Wenn man am Boden ist, wenn man hinfällt: tief durchatmen; aufstehen, egal ob langsam oder schnell; innerlich das eigene Krönchen wieder zurechtrücken und weitergehen. Schritt für Schritt. Mit Vertrauen auf Gott mag es dem einen oder der anderen ein wenig leichter fallen. Noch besser funktioniert es, wenn man gute Freunde und eine Gemeinschaft hat, die einem helfen und die Schwächsten mittragen. Und das ist etwas, was wir nie vergessen sollten: Es kann jeden Menschen jederzeit treffen, dass er in eine Situation kommt, in der er schwach ist und Hilfe braucht. Dann zeigt sich die echte Stärke, indem man auch Hilfe annimmt.
Allen Müttern wünsche ich herzlich ein wunderbares Wochenende und schenke ihnen mindestens innerlich eine Krone. Übers Muttersein könnte man einen ganzen Newsletter schreiben. Mach ich demnächst vielleicht einmal. Tatsache ist, egal ob Mutter oder Vater oder andere Bezugsperson für ein Kind: Es ist ein harter Job. Wenn sie klein sind, raubt der Schlafentzug Energie, und wenn sie Teenager oder junge Erwachsene sind, braucht es Nerven wie Drahtseile. Ich spreche aus Erfahrung. Es braucht aus meiner Sicht zwar keinen spezieller Muttertag. Aber sich dessen bewusst zu sein, dass ohne Liebe und ohne pflegendes Umfeld Kinder nur schwierig zu seinem erfüllten Erwachsenenleben finden, dafür lohnt es sich schon, wieder einmal denjenigen gegenüber dankbar zu sein, die sich liebevoll um Kinder kümmern. Oder den Müttern zu gedenken, die nicht mehr unter uns sind.
Zum Schluss noch ein paar Veranstaltungshinweise:
Ab Montag, 15. Mai, ist in der Paulus Akademie eine neue Ausstellung zu sehen (jeweils an Arbeitstagen von 9 bis 17 Uhr). My Lens My Reality zeigt die Geschichten von zehn Frauen mit Behinderungen in Nepal. Sie erzählen ihre Geschichte und schildern die Hindernisse und Wegbereiter für ihre Inklusion in die nepalesische Gesellschaft. Zu den Porträts gehören auch Fotos, die sie selbst aufgenommen haben.
Am Mittwoch, 17. Mai, ist Juniatag in Therwil. Junia ist eine Interessengemeinschaft feministischer Theologinnen der deutschen Schweiz und Liechtensteins (IG) und versteht sich als ökumenisches Forum für feministische Theologie. Zur IG gehören zurzeit 145 Frauen, die sich durch ein Studium, durch Weiterbildung oder auf anderen Wegen in feministischer Theologie kompetent gemacht haben und sich in der Aufarbeitung und Umsetzung feministischer Theologie engagieren. Heute kann man sich noch anmelden.
Im Kalender reservieren sollten Sie sich heute schon den Freitag, 2. Juni. Dann findet die Lange Nacht der Kirchen statt. Schauen Sie, was die Kirchen für ein vielfältiges Angebot bereithalten. Der Anlass wird im gesamten deutschsprachigen Raum, also auch in Deutschland und Österreich zeitgleich durchgeführt. Auch die reformierte und die christkatholische Kirche sind dabei. Informationen dazu finden Sie hier.
Ein gesegnetes Wochenende und wunderbare Tage mit Ihren Liebsten wünscht Ihnen herzlich
Sibylle Ratz
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Danke für den Hinweis. Ja, da habe ich zwei Sachen durcheinander gebraucht. Hier zur Korrektur die Richtigstellung.
Junia ist eine Initiative, die sich für die sakramentale Sendung von Frauen einsetzt. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen und Männer in der katholischen Kirche in Zukunft gleiche Rechte ausüben können. Sie wurde im Oktober 2019 von Reform-Katholikinnen und -katholiken gegründet. Am Tag der Apostelin Junia, am 17. Mai, (offiziell bis 2016 ein Mann namens Junias) werden auch in der Schweiz verschiedene Anlässe durchgeführt. Und eben auch ein spezieller Juniatag dieses Jahr in Therwil. (https://juniainitiative.com/agenda/)
www.juniainiative.com
Die Interessengemeinschaft feministischer Theologinnen der deutschen Schweiz und Liechtensteins (IG) ist eine andere Sache. Die IG wurde 1991 gegründet und versteht sich als ökumenisches Forum für feministische Theologie. Sie dient der Vernetzung feministischer Theologinnen und verfolgt das Ziel, die Anliegen feministischer Theologie in den Kirchen und in der Gesellschaft zu vertreten.
www.Feministische-theologinnen.ch
Beim Durchlesen ihres Artikels habe ich mir Gedanken gemacht und mich gefragt, wo Sie eigentlich in Ihrem Job noch etwas Positives sehen?
Mit ihrem negativen Verhalten tragen Sie bestimmt nicht zu einer konstruktiven Neuevangelisierung bei. Ich an ihrer Stelle müsste mich nach einer anderen Tätigkeit umsehen. Ich bedaure sehr, dass Sie sich mit einem Umfeld befassen müssen, dem Sie so wenig Positives abgewinnen können. Diese Einstellung bringt Sie wie auch die Institution Kirche nicht weiter. Das tut mir echt leid.
Mit freundlichen Grüssen und den besten Wüschen für gute Einflüsse des heiligen Geistes
Margrit Ruckstuhl
Meinen Job sehe ich durchaus als positiv an, sonst hätte ich schon lange die Arbeitgeberin gewechselt. Im Gegenteil: Ich sehe, wieviele Menschen sich tagtäglich für die Kirche einsetzen, Aber ja, ich bin der Meinung, es müssen sich ein paar Dinge ändern. Wenn Sie möchten, können wir uns gerne einmal bei Gelegenheit persönlich darüber austauschen.
Freundliche Grüsse und ebenfalls meine besten Wünsche für einen erfüllten und positiven Tag.
Sibylle Ratz
apropos Krisen und Widrigkeiten: Beim Fall in die Tiefe kommt man irgendwann ganz unten am Boden an und es geht nicht mehr weiter. Dann gilt es, mit allen restlichen Kräften mit dem Fuss abzustossen, um dann langsam wieder an die Oberfläche und dem Licht entgegen zu streben.
Gewiss, wir Mütter tragen die Kinder aus, erleben durch Geburt die tiefe Bindung. Muttersein mit beruflichem Alltag ist nicht leicht zu stemmen. Heute aber hat ein Umdenken stattgefunden. Die Väter sind präsent, übernehmen Betreuung für die Familienstruktur, Aufgaben werden gemeinsam geteilt und organisiert. Darum möchte ich am Muttertag meine Wertschätzung diesen Papis zusprechen und allen andern, die diese wertvolle Aufgabe aus irgendwelchem Grunde auch noch nicht wahrnehmen konnten wärmstens zu empfehlen. Darum feiere ich heute mit meinem Mann (Mutter von drei Kindern und 6-fache Grossmutter) mit Freuden den Elterntag!!
Danke für die Krönchen, die ich so gerne entgegennehme.
Beim Thema Mütter und Väter bin ich ganz bei Ihnen. Ich hoffe, sie konnten Ihren Elterntag gebührend feiern.
Herzlich
Sibylle Ratz
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