Abgefahren
Emotional am meisten beschäftigt hat mich diese Woche der Tod der zwölfjährigen Luise in Deutschland. Zwei gleichaltrige Kolleginnen haben sie mit Messerstichen getötet. Kinder, die ein Kind töten. Das ist unvorstellbar. Ich wünsche allen Betroffenen viel Kraft, dieses Ereignis zu verarbeiten, es wird sie ein Leben lang prägen.
Als dreifacher Vater bin ich dann restlos überfordert, wenn ich lese, dass die beiden jungen Täterinnen strafrechtlich nicht belangt werden können. Angesichts der Abscheulichkeit der Tat tobt in meinem Inneren ein heftiger Widerstreit zwischen Respekt dem geltenden Gesetz gegenüber und dem Bedürfnis nach Gerechtigkeit.
Ich vermute, dass es vielen so geht. Selbst dem Kinder- und Jugendpsychologen Allan Guggenbühl, der Forensischen Jugendpsychologin Laura Just und dem ehemaligen Kriminalkommissar Markus Melzl bleibt im «TalkTäglich» am Schluss nur ein grosses und betroffen machendes Fragezeichen. Guggenbühl plädiert in der Runde dafür, dass eine Streitkultur möglich sein muss, in der man sich anschreien kann, die aber nicht in Gewalt enden darf.
Das Stichwort Streitkultur bringt mich zum nächsten Thema, dem Synodalen Weg in Deutschland. Ob sich die Laien und die Bischöfe (oder letztere sich in kleiner Runde gar gegenseitig) angeschrien haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Erschreckend und wenig geprägt von episkopaler Synodalität war auf jeden Fall, wie einzelne Hierarchen einander und auch ihrem Vorsitzenden in den Rücken gefallen sind, dabei sassen sie doch am längeren Hebel für die Begrenzung des Tempos und der Reformen.
Julia Knop, ihres Zeichens Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, entlarvt, dass die vielgepriesene «Klugheit», mit welcher ein textlicher Eiertanz aufgeführt wurde, im Klartext mangelnden Mut kaschiert. Ihre Bilanz zu drei Jahren Synodalem Weg ist eine der brillantesten Analysen, die ich bisher gelesen habe.
Als ob es noch eines Bärendienstes der obersten Kirchenleitung bedarft hätte, kritisierte Kurienkardinal Ouellet diese Woche, es gehe gegen die katholische Lehre, die Meinung der Laien gleichwertig wie jene der Bischöfe zu behandeln. Dabei vergisst er geflissentlich, dass die Initialzündung für den Aufbruch zum Synodalen Weg im ganzen hausgemachten Missbrauchsdebakel liegt. Herr, lass Hirn regnen! Platsch, daneben!
Dass sich SRF seinerzeit um den von den Tessiner Kollegen realisierten Livestream der Bischofsweihe von Joseph Bonnemain foutierte, ist das eine. War ja nach Jahrzehnten des Stillstands im zweitgrössten Bistum in der Schweiz nur das Einläuten einer Zeitenwende. Dass jetzt aber das Team von Bruno Boccaletti zum zehnjährigen Jubiläum von Papst Franziskus ebendiesen fast eine Stunde lang ungeschminkt sowie ungefiltert interviewen konnte und dies in der leutschenbächler Wahrnehmung ein sprachregionales Randereignis bleibt, ist schwer nachzuvollziehen.
Dabei schenkt Papst Franziskus den Medien uneingeschränktes Vertrauen, wie Boccaletti einleitend erzählt: «Keiner seiner Mitarbeiter war da, nur er und das Team von RSI: volles Vertrauen in uns und unsere Arbeit.» Das Papst-Interview gibt es hier in voller Länge und mit Untertiteln. Eine lesenswerte Analyse zum Jubiläum bietet der Jesuit Andreas R. Batlogg in seinem Beitrag «Seit zehn Jahren wirbelt er die Kirche auf: Papst Franziskus». Auf unserer Homepage gratulieren wir zum Jubiläum und würdigen ein paar Meilensteine im Wirken von Papst Franziskus, nachzulesen hier.
Was mich diese Woche zum Schmunzeln gebracht hat: Autos. Genauer: der Telefonscherz um den blauen Boliden eines Seelsorgers. In der Comedy-Sendung «Chällerfon» hat Yves Keller mit tatkräftiger Hilfe zweier Pfarreimitarbeiterinnen den Gemeindeleiter mit der Ankündigung erschreckt, dass sein Auto zum Verschrotten bereitstehe.
Der Diakon bangt um seinen Wagen und holt sich in der Aufregung nasse Socken. «Der hat doch einen Sockenschuss!» war mein erster Gedanke, den ich jedoch revidierte, als ich gesehen habe, wie er sich auch für ukrainische Flüchtlinge und für die Armeeseelsorge auf die Socken macht. «Kirche spielt sich heute draussen ab, da müssen wir bestehen, wo es um«s ‘Eingemachte» geht» sagte er in einem Portrait.
Und Autos zum Zweiten: Eine abgefahrene Untersuchung aus England will den Zusammenhang zwischen Automarke und Intelligenz erhellen und hat eine Rangliste erstellt. Dass ich mein Gefährt auf Rang 1 finde und ich damit im IQ-Ranking auch obenaus schwinge, freut mich. Bei der Farbe hingegen gehöre ich nicht zu den hellsten, ich bin in dunklem Anthrazit unterwegs – was in etwa der Schattierung meines Humors entsprechen dürfte.
Ob mit dem Auto oder zu Fuss unterwegs: Beachten Sie bitte am Samstag, 18. März, die alljährliche Aktion mit Fairtrade-Rosen von Fastenaktion, HEKS und anderen. Der Erlös fliesst in Projekte gegen Hunger und Armut und ermöglicht Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika ein Leben in Würde. Auf der Karte finden Sie auch einen Verkaufsort in Ihrer Nähe. Und sonst können Sie Ihr Handy und die kleine Plastikkarte zücken und wie schon über 3500 andere Leute online eine Rose verschenken.
Vergessen Sie die FIFA und Infantino! Obwohl: ab Dienstag, 21. März dreht sich in der Paulus Akademie alles um den Ball – aber eben nicht um Fussball, sondern um den Klimaball. Bis Ende Monat ist die Wanderausstellung in der Pfingstweid zu Besuch, sammelt Ideen und lädt zum Dialog ein.
Jetzt schon wünsche ich allen Josefs, Giuseppes und Seppen am 19. März einen schönen Namenstag und dem einen oder anderen einen Überaschungsausflug ins Domleschg zur Casa Aperta. Ihnen allen einen gesegneten Sonntag.
Arnold Landtwing
Informationsbeauftragter Generalvikariat
PS: Heute als Blick-Schlagzeile gelesen: «Gläubiger glauben nicht an Credit Suisse». Gedacht: Gläubige hoffentlich auch nicht.
PS: Heute als Blick-Schlagzeile gelesen: «Gläubiger glauben nicht an Credit Suisse». Gedacht: Gläubige hoffentlich auch nicht.
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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