Bisweilen ist Reden Gold, Schweigen nur Blech
Starten wir mit dem zentralen Ereignis der Woche, der Beisetzung von Weihbischof Peter Henrici. Der ehemalige Generalvikar von Zürich wirkte in Zeiten, die zu den schwierigsten in der Geschichte des Bistums Chur gehören. Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet diese konfliktreichen Jahre für katholisch Zürich unheimlich fruchtbar waren. In dieser Zeit setzte Weihbischof Henrici mutige Zeichen der Ökumene und förderte zahlreiche innovative Projekte einer neuen «Geh-hin-Kirche». Ich wage die These, dass in dieser Zeit sich so etwas wie eine eigene Identität der «Zürcher Kirche» gefestigt hat. Wer mehr wissen möchte, lese die Predigt beim Auferstehungsgottesdienst von seinem Nachfolger Josef Annen.
Peter Henrici prägte in seiner Zeit aber auch die ganze Kirche Schweiz. Als zuständiger Bischof für Justitia et Pax verteidigte er die Unabhängigkeit dieser Kommission. Experten aus Politik und Wirtschaft sollten auf Basis der katholischen Soziallehre für die Kirche zu aktuellen politischen Fragen Stellung beziehen. J&P war damals in der Öffentlichkeit ein Begriff, ihr Wort wurde gehört. Unterdessen darf die Kommission nur noch piepsen, wenn es die Bischöfe zuvor erlauben. Ihre Relevanz ist Geschichte.
Ebenso erging es dem zweiten Themenschwerpunkt von Henricis bischöflichem Engagement. Als «Medienbischof» stellte er eine hochkarätige Kommission mit Experten aus den obersten Etagen der Schweizer Medienwelt zusammen, von der SRG bis zum Boulevard, um die Bischöfe zu beraten. Er selbst scheute keine Interviewanfrage und bezog klar Stellung.
Henricis Medienkommission setzte sich dann unter seinem Nachfolger Abt Martin Werlen für die Gründung der drei sprachregionalen Medienzentren ein, die wir heute noch haben. Betonung auf ‘noch’, denn unsere Bischöfe würden dem für frommlerische Gemüter zu unbequemen deutschsprachigen Medienzentrum gern den Hahn abdrehen, wie sie gerade per Communiqué verkündeten. Sie beweisen damit eine Medienkompetenz im Umfang einer beleidigten Leberwurst. Henricis Medienkommission wurde in den letzten Jahren zunehmend mundtot gemacht, dann vor drei Monaten ganz aufgelöst, da es «keine triftigen Gründe» für sie mehr gebe. Allein die bischöflichen Sprecherinnen und Sprecher sollen die Bischöfe künftig beraten. Von der externen Expertenkommission zu einem Kabinett der Hofschranzen, Drohgebärden statt Argumente. Gute Nacht.
Am Trauergottesdienst nahmen etliche Bischöfe teil. Darüber, dass sie heute das Gegenteil von dem tun, was Henrici mal begonnen hatte, verlor natürlich keiner von ihnen ein Wort. Bis am Schluss Synodalratspräsidentin Franziska Driessen etwas sagen durfte und dabei kein Blatt vor den Mund nahm: «Peter Henrici brauchte keine Hofberichterstattung.»
Morgen zieht wieder die Pride durch Zürich mit dem Motto «Lass uns darüber reden». Wie passend zu unserer kirchlichen Situation. Darüber reden befreit, darüber schweigen lähmt. Die katholische Kirche wird mit der Synodalratspräsidentin wieder an der Pride präsent sein.
Bei der Gelegenheit gerade noch ein Ausgehtipp für nächsten Donnerstag: In der Paulus Akademie gewährt Franziska Driessen in «Franziskas Playlist» einen bislang unbekannten Einblick in ihre musikalische Biografie.
Am Sonntag um 14 Uhr findet in Peter und Paul auch wieder der ökumenische Pride-Gottesdienst statt: «Du bist ein Gott, die mich liebt.»
Just in dieser Woche erteilte der päpstliche Nuntius in Deutschland einmal mehr jeder Weiterentwicklung der kirchlichen Sexuallehre und damit allen Reformrufen des Synodalen Wegs in Deutschland eine Abfuhr. Anti-Gender ist offenbar zum zentralen Kampfbegriff der reaktionären Kirchenkräfte geworden. Was vor allem eines beweist: In der klerikalen Männerkirche dreht sich am Schluss doch alles um Sex.
Peter Henrici wünschte sich eine dienende Kirche. Die lebt auch heute, Gott und vielen Menschen sei Dank. Jüngstes Beispiel ist für mich eine Initiative in Bülach, wo die katholische und reformierte Kirchgemeinde mit der Stadt gemeinsam eine Koordinationsstelle für Flüchtlingsarbeit auf die Beine gestellt haben. Hier wird real das «Brot des Lebens» geteilt. Theologisch gesprochen ist das echte Eucharistie. Ökumene im besten Sinne.
Das grauenhafte Schiffsunglück diese Woche im Mittelmeer löst bei vielen von uns Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Was können wir nur tun? Bülach setzt ein Zeichen. Im Zürcher Grossmünster und in der Wasserkirche werden zum «Flüchtlingssonntag» morgen und übermorgen im Rahmen der Aktion «Beim Namen nennen» der über 50'000 Menschen gedacht, die in den letzten 30 Jahren auf ihrer Flucht nach Europa ihr Leben verloren.
Dienende Kirche zeigt sich auch in der neuen Stelle für die Betreuung der Angehörigen von Menschen in Haft. «Extramural» wird von den beiden grossen Zürcher Landeskirchen getragen und von einem interreligiösen Gremium unterstützt. Hier zeigt sich für mich eine Kirche, die auch in Zukunft relevant und not-wendend ist.
Diese Woche hat sich auch in unserer Schwesterkirche etwas getan. Mit Pfarrerin Sabrina Müller (43) steigt eine dritte Kandidatin ein ins Rennen um die künftige Präsidentschaft des reformierten Kirchenrats. Sie gehört der «Liberalen Fraktion» an, ist aber auch im Vorstand der freikirchlich geprägten und professionell arbeitenden «ERF-Medien». Die Wahl dürfte spannend werden.
Leider weitgehend unter dem Radar der kirchlichen Öffentlichkeit läuft die Ausmarchung, wer in die Fussstapfen unserer Synodalratspräsidentin treten soll, die wegen Amtszeitbeschränkung ihr Amt abgeben muss. Der Jurist und Synodalrat Raphael Meyer sowie der Apotheker und langjährige Kantonsrat Lorenz Schmid bewerben sich um den Posten. Eine zaghafte Positionierung der beiden Kandidaten finden Sie hier. Am 6. Juli muss die Synode entscheiden, wie bzw. mit wem es für unsere Kirche in Zürich weitergeht.
Zum Schluss möchte ich noch Stephanie Bamert von Herzen gratulieren. Die Co-Präsidentin der Jubla Schweiz freut sich auf LinkedIn über ihr 25jähriges Jubla-Jubliäum. Stephanie war von 2015 bis 21 bereits Präsidentin der Zürcher Jubla. Ich danke vor allem als Vater von drei hoch motivierten Jublaner-Söhnen, die vielleicht in der Jubla mehr übers Leben gelernt haben als von ihrem Vater. Danke Jubla, auch du bist für mich «dienende Kirche». Ganz im Sinne von Weihbischof Peter Henrici.
Damit wünsche ich Ihnen ein sonniges und erholsames Wochenende – und nicht vergessen, Sonntag ist Abstimmungstag. Nicht nur über die neue Kirchenordnung, sondern auch übers Klimagesetz.
Ihr Simon Spengler
Jetzt folgt noch ein kleiner Anhang mit einer Gegendarstellung von swiss-cath:
Der Newsletter «Grüss Gott Zürich» vom 9. Juni 2023 enthält mit Bezugnahme auf swiss-cath folgenden Satz: «Zusätzlich stossend, dass das Portal noch mit Inseraten einer Zürcher Stadtkirche mitfinanziert wird.» Diese Behauptung ist nachweislich falsch. Tatsache ist, dass swiss-cath von keiner Zürcher Stadtpfarrei finanziell unterstützt wird. Richtig ist vielmehr, dass die betreffenden Inserate vollständig von einer pfarrei-unabhängigen Choralschola finanziert werden.
Niklaus Herzog, Redaktionsleiter swiss-cath
Damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können, hier das Inserat:
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Ich habe mit grosser Spannung diesen Newsletter erwartet. Vielen Dank für deine Worte, die mich gleichzeitig auch nachdenklich machen. - Aber wir bleiben dran und gehen weiter mit und in der Kirche, so wie wir es jeden Donnerstag beten.
Die zwei genannten Personen haben klar Stellung bezogen.
Paul Fraefel, Liestal
wenn Sie gut finden, dass eine Synodalratspräsidentin die Trauerfeier für den verstorbenen Weihbischof Peter Henrici zu einer Attacke gegen den Ortsbischof und angeblich und vermeintlich reaktionäre Kirchenkräfte nutzt, dann finde ich das eigentlich nur traurig und beschämend. Und wenn Sie die umstrittene Positionierung und Entwicklung von "kath.ch" gut finden, und alle anderen, die diese Meinung nicht teilen, als "beleidigte Leberwürste" und "Hofschranzen" titulieren, dann kann ich Ihnen nur mitteilen, dass dies für ein konstruktives Miteinander aller Strömungen in unserer Kirche rein gar nichts beitragen wird.
- also müsste man sagen: 'dir tüeit dümmer als düppelmuttis geissbock, wo schtatt heu bahreschprisseli frisst'. - ich hoffe, du weisst, was 'bahreschprisseli' sind. die tierchen nagen manchmal an der futterkrippe, anstatt das heu zu fressen. man könnte nun sagen: die kirchlichen düppelmuttis geissböcke schauen nicht in die krippe, schauen nicht, wer da ins heu gebettet ist, sondern raffeln die krippe kaputt.
Bravo! für Ihre klaren, mutigen Worte, die, wie die Rede von Franziska Driessen-Reding, dem Verstorbenen voll und ganz gerecht werden.
Ich kannte Weihbischof Peter Henrici ebenfalls persönlich und schätzte ihn in der ökumenischen Zusammenarbeit.
Ich hoffe, dass Ihr Zürcher Medienzentrum noch lange mit mutigen Statements erhalten bleibt - allen bischöflichen Unkenrufe zum Trotz! - und wünsche Ihnen und ihrem Team Kraft und Durchhaltevermögen! Bleiben Sie behütet!
Herzliche Grüsse
Romi Staub
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