«Und sie tanzen einen Tango»
Da gibts das liturgische Jahr vom ersten Advent bis zum Christkönigsfest und eben auch das Pastoraljahr ab August, wenn jeweils Stellen in Seelsorgeteams neu besetzt, Pläne für seelsorgerliche Aktivitäten und inhaltliche Schwerpunkte neu geschmiedet werden.
Halten wir also einen Moment lang inne und schauen wir zuerst auf die global-katholische Ebene. Hier spielt natürlich Papst Franziskus weiterhin die Unruh im Kirchenuhrwerk. Mal treibt er seine Mannen zur synodalen Erneuerung an, dann gibt er jenen Mannen, die das zu ernst nehmen und Konsequenzen ziehen wollen, kräftig auf die Bischofsmütze.
So mehrfach geschehen gegenüber den deutschen Bischöfen und ihrem Synodalen Weg. Wenn man auf den Fotos genau hinschaut, haben sie alle schon oben einen Spalt in der Mitra. Mir tun diese deutschen Bischöfe echt leid, was sie auch tun, sie kriegen aufs Dach.
Aber Franziskus ist immer auch für Überraschungen gut. Zuerst lässt er jede Öffnung hin zur LGBTQ-Gemeinde torpedieren, den Segen-für-alle, wie ihn die deutschen Bischöfe wollen, durch seine Vatikan-Behörde verbieten. Doch jetzt hat er mit seinem argentinischen Landsmann Victor Manuel Fernandez jemanden an die Spitze seiner gefürchteten Glaubenskongregation berufen, der sich prächtig aufs Tango-Tanzen versteht. Prompt lässt der Erzbischof und Bald-Kardinal Fernandez per Zeitungsinterview wissen, die Aussage bezüglich Segen-für-alle könne im Lichte der Lehren des Papstes «verbessert» werden, die Tür steht also schon wieder einen Spalt weit offen.
Und überhaupt wolle er nicht Glaubenswächter und -kontrolleur spielen, sondern diskutieren, lernen und die Theologie zum Blühen bringen. Tja, noch vor wenigen Wochen wurde einem Moraltheologen in Brixen das Dekanenamt von Rom verweigert, weil er in seinen Schriften die menschlichen Bedürfnisse über die kirchlichen Lehren stellte. Es ist wirklich wie beim Tango: Man weiss nie genau, in welche Richtung der nächste Schritt wohl geht. «Kriminal Tango…»
Erneuerung versprühte auch die Synodale Versammlung in Prag, zumindest einen Hauch. Im Herbst gehts in die nächste Runde. Auch hier gibts eine Überraschung: Die für ihre fortschrittlichen Positionen bekannte Fastenaktion-Mitarbeiterin Helena Jeppesen wurde vom Papst als Vertreterin der europäischen Kirche an die Synode berufen – mit Stimmrecht. Von Zürich aus einen herzlichen Glückwunsch via Luzern nach Rom! Franziskus hat übrigens auch den Priester und «LGBTQ-Advokaten» James Martin berufen. Aber ebenfalls seinen schärfsten Kritiker überhaupt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Vor-Vorgänger von Fernandez und damals vom Papst wider Willen in Rente geschickt. «Und sie tanzen einen Tango…»
Schönes und Betrübliches bescherte uns das ablaufende Pastoraljahr auch in Zürich. Schön und bewegend der Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid in Effretikon im letzten September. Doch was für alle Beteiligten als aufbauend und stärkend empfunden wurde, galt dem Bischof als schlimmer Frevel. Grund: Eine Frau hatte in der Messe mit den Priestern Gebete gesprochen, die gemäss gültiger Ordnung dem geweihten Mann vorbehalten sind. Noch heute, fast ein Jahr später, warten die Beschuldigten sorgenvoll auf ihr Urteil. Grenzt das nicht auch an Missbrauch?
Ich erinnere mich noch bestens an einen Gottesdienst, den ich vor gut 40 Jahren in Santiago de Chile erlebt hatte. Nach der Matura besuchte ich dort einen jungen Ordenspriester, den ich an meiner Klosterschule kennengelernt hatte. In einem Haus seines Ordens in einem Armenviertel in Santiago besuchten wir die jungen Studenten, die gerade der Gemeinschaft beigetreten waren. In der winzigen Kapelle, eigentlich eine Baracke, feierten wir eine Messe. Ganz selbstverständlich beteten alle das Hochgebet gemeinsam, auch ich (so weit das meine Spanisch-Kenntnisse zuliessen). Für mich vielleicht die ergreifendste Eucharistie meines Lebens. Von wegen Missbrauch!
Traurig mussten wir kürzlich Abschied nehmen vom beliebten Winterthurer Dekan Hugo Gehring. Mit seinem letzten Text über das Wasser des Lebens hat er uns aber auch ein schönes Erbe hinterlassen. Für Wasserratten und alle, die das Leben lieben.
Ich selbst habs mehr mit verwandeltem Wasser. Kürzlich fiel mir anlässlich meiner jährlichen Weintour ins Piemont die Wochenendbeilage der Zeitung Repubblica in die Hände. Titelstory: «Sorelle d’Italia» - Immer mehr Frauen leiten in Italien die verwaisten Pfarreien. Titelbild: Eine Frau im Talar am Altar, die Hostie erhoben, den Kelch vor sich. Das also in unmittelbarer Umgebung des Vatikans. Irgendwann holt die Realität auch die best verschanzten Kirchenfürsten ein. «Und sie tanzen einen Tango…»
Sorgen bereitet mir als kirchlichem Medienmenschen die Kultur der Angst, die in unserer Kirche wieder neu gegenüber dem offenen Wort und kritischem Blick geschürt wird. Da wird dem katholischen Medienzentrum ganz unverhohlen mit Geldentzug gedroht, hintergründiger Recherche mit Androhung des Kadis begegnet. Auch wir von der Zürcher Kommunikationsstelle sind in letzter Zeit mehrfach Beschimpfungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Von einem neuen Hetz-Portal, das sich ganz besonders katholisch gibt und bischofstreu. Aber auch von ganz offizieller amtskirchlicher Seite. Sind das letzte Zuckungen einer Kirchenleitung, der die Argumente ausgegangen sind und der als einziges Mittel nur die Drohung bleibt?
Aber lasst uns doch das Leben feiern, frohgemut der Zukunft zugewandt. So wie im «Garten Eden» letzte Woche am «Züri Fäscht». Herzlichen Dank allen, die diese kirchliche Präsenz am grössten Fest der Schweiz möglich gemacht haben! Das macht Hoffnung auf ein gutes, neues Pastoraljahr nach der Sommerpause. Doch zuerst mal wünscht Ihnen das ganze Team von «Grüss-Gott-Zürich» erholsame Ferien. Danach tanzen wir dann weiter.
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Ich wünsche der ganzen Redaktion einen erfrischenden und sritzigen Sommer.
Leonie Eberle
Einmal mehr schreibst du ein total geniales "Grüss Gott Zürich", das ehr- und redlich daher kommt. 👍
Ich wünsche dem ganzen Team einen fröhlich Tango tanzenden Sommer. 🌞
Lassen sie sich nicht einschüchtern!
Deinen Newsletter habe ich gelesen und er stimmt mich sehr nachdenklich.
Sicherlich ist er witzig geschrieben, doch ich frage mich auf welche Kosten: Etwas wird nicht besser indem die andere Seite schlecht gemacht wird.
Auf jeden Fall finde ich es nicht gerade förderlich für das Zusammenwirken im dualen System, das selbst der Reform und der Weiterentwicklung bedarf.
Es enttäuscht mich auch, dass Zusammenarbeit der beiden Teile gewünscht und eingefordert wird – jedoch der kritische Blickwinkel «nur» auf den innerkirchlichen Bereich gelegt wird und der Blick auf die öffentlich-rechtlichen Körperschaften wird fast ausgeklammert. Selbstkritik der Körperschaften wäre auch sinnvoll – auch im Bezug der Unterlassungen.
Nehmen wir drei einfache Beispiele (von vielen anderen möglichen):
a. Stellenprozente in den beiden Bereichen: Ist dir bewusst mit wie wenig Personal der innerkirchliche Bereich in den Führungsetagen (Generalvikariate und Ordinariat) arbeitet, während in den Körperschaften in den letzten Jahren grosszügig ausgebaut wurde? – Mit fehlenden Ressourcen lässt sich nicht so viel bewegen.
b. Anstellungsordnungen: Wir haben im Bistum Chur 7 verschiedene Anstellungsordnungen! – Es wäre Sache der Körperschaften hier eine Einheit in den Grundsatzfragen zu schaffen (z.B. 1 Religionsstunde wird im Bistum zwischen 3.4% und 5% Anstellung berechnet – und diese Personen sind meist Frauen….)
c. Vertrag mit SUISA in der Frage der Livestreams: im Gegensatz zur reformierten Landeskirche hat die röm.kath. Landeskirche diese Frage der Entschädigung an die Kirchgemeinden abgetreten, statt wie die ref. Landeskirche im Gesamtvertrag mit der SUISA einzubinden.
Dass im innerkirchlichen Bereich einiges der Verbesserung und Weiterentwicklung in schnellerem Tempo bedarf, dem stimme ich ohne Weiteres zu.
Alles Gute
Kurt
Überhaupt der ganze Beitrag! Come sempre! BRAVO!
Lieber SIMON, der du oft das sonst so starre Korsett
der kath. Ki… wohltuend «SPRENGST»! ;-)
Witzig, ich habe diesen süffigen Tango-Song mal in einer Impro über das alte, aber
ewig junge Lied MARIA DURCH EIN DORNWALD GING reingeschmuggelt…
Dornen und Rosen: Improvisation - YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=mP2ofgSEv_M
Genau ab Minute 4.00: Viel Schmunzeln dabye!
… oder mittanzen…
Byebye
Armando Pirovino
Ich lese euch sehr gerne. Erstens bin ich durch euch immer informiert darüber, was so läuft zum Thema Katholische Kirche und zweitens seid ihr mutig am die Dinge beim Namen zu nennen und drittens muss ich sehr oft laut lachen! Was ich aber nicht beurteilen kann, ob wirklich auch alles so tragisch ist, wie ihr es darstellt. Momentan tut mir unser Bischof Joseph etwas leid. Ich kenne ihn als ehemaligen liebenswertesten Berufskollegen in der Spitalseelsorge. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass er sein Amt als Bischof unsorgfältig erfüllen würde. Ist er nicht auch extrem unter Druck von allen Seiten? Und, hat er sein Bischofsamt auch wirklich gesucht? Hätte er seine Wahl überhaupt ablehnen können? Ich frage mich immer mehr, ob man grundsätzlich nicht katholischer Priester werden dürfte, um dem Klerus prinzipiell aus dem Weg gehen zu können....Wie auch immer, scheibt weiter! Ihr macht das sehr sehr sehr gut! BRAVO!!
Theres Arn
und vier weitere Personen. Aber von der Wahl des neuen "Obersten Zürcher Katholiken" habe ich
z.B. in der NZZ nichts gelesen!!!
Kommentare anzeigen