«Sich durchwursteln»
Ich mag mich noch gut erinnern, als vor vielen Jahren der damalige Zürcher Generalvikar und Weihbischof Peter Henrici auf einen Artikel im Tages-Anzeiger ziemlich sauer reagierte. Michael Meier hatte mit ihm ein Gespräch geführt und sinngemäss vom sich durchwurstelnden Jesuiten geschrieben. Was vordergründig sehr despektierlich verstanden werden kann, hört sich im aktuellen Interview mit dem emeritierten Weihbischof sehr bedenkenswert an. Auf die Frage, wie er sich die Kirche 2040 vorstelle, sagte Peter Henrici meinem Kollegen Arnold Landtwing: «Wie die Welt dann aussehen wird, weiss ich heute auch nicht. Ich denke aber, dass mein Arbeitsprinzip - das auch das kirchliche ist - dann noch gültig sein wird: Sich durchwursteln, das heisst je die Aufgaben zu erfüllen suchen, die sich dann gerade stellen.»
Eine Aufgabe zu erfüllen, die sich gerade stellt, das versuchen auch die beiden Präventionsbeauftragten des Bistums Chur und Co-Leitende der neuen Geschäftsstelle des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz, die in einem Gastbeitrag auf kath.ch und in der Kirchenzeitung Klartext sprechen. In schonungsloser Offenheit prangern Karin Iten und Stefan Loppacher den Anspruch der Institution Kirche an, «mit gottgegebener Autorität bis in die sensibelsten Bereiche des Menschen – in sein Gewissen, seine Emotionen und seine Sexualität –vordringen zu dürfen».
Im Beitrag thematisieren sie Macht, göttlicher Wille, Sexualität, Diskriminierung, Sakralisierung männlicher Autorität, Doppelmoral, Scheinheiligkeit und die offenkundige Ablehnung menschlicher Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sich auf einen vermeintlich göttlichen Willen abzustützen, sei ein entscheidendes Merkmal von spirituellem Missbrauch. Mit dem Pflichtzölibat setze sich die Kirche – als einzige Institution – über sexuelle Menschenrechte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinweg. Der Pflichtzölibat trage zum System der Scheinheiligkeit bei, indem er ein Lügengebäude schaffe, «hinter deren keuschen Fassade Menschen in (sexueller) Not vereinsamen». Präventionsarbeit brauche den ehrlichen Dialog. Dafür gelte es gemeinsam einzustehen.
Für den ehrlichen Dialog, der gerade jetzt im laufenden synodalen Prozess von Bedeutung ist, sind gestern auch viele Synodalen eingestanden und haben sich im Sinne des Arbeitsprinzips von Weihbischof Henrici «durchgewurstelt». 75 der anwesenden 91 Synodalen haben eine Erklärung zum Synodalen Weg unterschrieben. Darin werden die Zielsetzungen zur Erneuerung, insbesondere Änderungen «in den individuellen Haltungen der massgeblichen Entscheidungsträger auf allen Ebenen der Kirche wie auch in den kirchlichen Strukturen» begrüsst. In der Erklärung, welche Bischof Joseph Maria Bonnemain und der Schweizer Bischofskonferenz zugestellt wird, sind auch Erwartungen formuliert. So soll in der Kirche u.a. die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern gelten. Weiter wird die Abschaffung des Pflichtzölibats gefordert, ebenso, den heutigen Erkenntnissen der Humanwissenschaften mehr Gehör und Gewicht zu verleihen. Es sind klare Aussagen, wie sie auch von den beiden Präventionsbeauftragten gemacht wurden.
Was sonst noch auf meinem Tisch liegt:
An diesem zweiten Adventswochenende (4. und 5. Dezember) kommt ein Oratorium im Grossmünster zur Uraufführung, das vom bewegenden Schicksal des deutschen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer in Musik und Wort erzählt. Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist, der das Oratorium getextet hat, gibt dem Gefängniswärter seine Stimme, derweil am Samstag die muslimische Theologin Amira Hafner und am Sonntag Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding der Verlobten von Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer, ihre Stimme leihen.
Noch bis am Sonntag können beim Caritasstand auf dem Weihnachtsmarkt beim Münsterhof Second-Hand-Produkte gekauft werden, deren Erlös armutsbetroffenen Menschen zugutekommt. Das Krippenhaus der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, das die Zürcherin Fiona Knecht designt hat, steht bis Weihnachten auf dem Münsterhof.
Und wenn Sie mögen, hören Sie doch mal rein in den neuen Podcast «Gott und Filterkaffee».
Der Papst hat diese Woche neue Mitglieder für die vatikanische Kommunikationsbehörde ernannt und in dieser zentralen Medienstelle die bisher selbständigen vatikanischen Medien zusammengeführt. Es ist die grösste aller Vatikanbehörden. Falls meinen Kolleginnen und Kollegen bei der Verbreitung von Informationen über Papst und Kirche noch ein gutes Arbeitsprinzip fehlt: Peter Henrici freut sich über einen Anruf.
Ich wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende und (be)sinnliche Adventstage.
Herzlich
Aschi Rutz
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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