Geist des Aufbruchs
Wie war das doch genau, damals, an Pfingsten? Ah ja… von einer Art kollektiver Angst und Depression gelähmt, hatten sich die Jünger Jesu in einem Haus versteckt. Plötzlich ging nicht ein Ruck durchs Haus, sondern ein veritables Brausen. Und dann gab es kein Halten mehr: Das Feuer der Erkenntnis erhellte die düsteren Gemüter und die heilige Geistkraft trieb sie hinaus. Auf die Strasse. Zu den Menschen. Mit einer Botschaft, die überzeugte und bis heute aktuell ist. Pfingsten in sechs Sätzen, falls Sie auf der Strasse in eine Umfrage geraten sollten.
(M)ein Blick in die vergangenen zwei Wochen beginnt – leider – mitten in düsteren Ecken des eigenen Hauses, erhellt sich dann aber zunehmend (versprochen!).
«Haben die Kirchen während Corona die Chance genutzt, wieder mehr Menschen an sich zu binden?» fragte Anna Miller erwartungsvoll und musste ernüchtert feststellen, dass ausgerechnet die Institution Kirche, die sich über Jahrhunderte als die einzige Sinnstifterin und das Sprachrohr Gottes begriff, bisher inmitten der Coronakrise seltsam still blieb. «Das wenige, das es von ganz oben an die Öffentlichkeit geschafft hat, sind ein paar sonderbare Einschätzungen aus dem Bistum Chur, dass geweihtes Wasser von Coronaviren verschont bleibt, und ein Appell vom Basler Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, der Staat solle die Kirchen vorzeitig vom Versammlungsverbot befreien.»
Selbst einen von der Rundschau elegant zugespielten Steilpass vermochte Bischof Gmür in acht langen Minuten an der Theke nicht aufzunehmen und mit markanter Präsenz oder einer Botschaft zu punkten. «Souverän sieht anders aus» konstatiert forum-Chefredaktor Thomas Binotto. Da kann sich Kollege Simon Spengler noch so mit heiligem Eifer in die Bresche werfen und den Medien aufzeigen, wie viele innovative Projekte Frauen und Junge der kirchlichen Basis in Rekordzeit aus dem Boden gestampft haben. In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt hängen, dass die Kirchenleitungen weitgehend versagt haben.
Nicht gerade von heller Pfingstfreude begeistert dürfte in diesen Tagen die Stimmung in der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) sein. Ihr Präsident Gottfried Locher hat per sofort sein Amt als höchster Reformierter abgelegt. Im Raum stehen Vorwürfe von «Grenzverletzungen» gegenüber Frauen. Die Untersuchung einer externen und unabhängigen Stelle soll Klarheit bringen. Weil bis dahin alles vage bleibt, kommentiert Lucien Fluri von der Limmattaler Zeitung, dass die reformierte Kirche herumdruckst. Sprachlosigkeit und Schweigen von Verantwortlichen schadet dem Image von Kirche schwer. Die Öffentlichkeit erwartet auf klare Fragen ebensolche Antworten.
Und dann kommt sie doch noch, die pfingstliche Erleuchtung – live übertragen! Am Samstagabend um 22 Uhr bricht sich das Sonnenlicht am Grossmünster, inszeniert von Lichtkünstler Gerry Hofstetter. Das Lichtspiel macht sichtbar, dass ab Pfingsten wieder Menschen in allen Kirchen zusammenkommen, um Gott zu loben und Gottesdienste zu feiern. Die Kirchen standen auch im Lockdown jederzeit offen und haben zu Besinnung und Gebet eingeladen. Dass an Pfingsten wieder öffentliche Gottesdienste in grösserer Gemeinschaft möglich sind, freut auch uns sehr. Auf unserer Homepage finden Sie laufend aktualisierte Impressionen von Vorbereitungsarbeiten und Feiern aus verschiedenen Pfarreien. Auf die «pfingstliche Überraschung» in der Pfarrei St. Martin Effretikon sind wir besonders gespannt: das Browsen gibt nicht viel her, aber das Brausen soll weit durch die Strassen wirken…
Mit Gedanken zu Pfingsten und seinem Lieblingsgebet schliesst Generalvikar Josef Annen die Serie von Impulsen ab, die er im Lockdown seit dem 3. Fastensonntag auf unserer Homepage gegeben hat. Stellvertretend für viele bleibt mir hier nur zu sagen: Lieber Josef, herzlichen Dank! Mit deinen spirituellen Beiträgen hast du in der gottesdienstlosen Zeit viele Menschen begleitet, ermutigt… und auch überrascht.
Allen, die über Pfingsten (oder nachher wieder im Homeoffice) positive und erfreuliche Beiträge suchen, empfehlen wir als Quelle für interessanten, spannenden oder anregenden Lesestoff unser Corona-Dossier. Hier finden Sie noch einmal (oder erstmals?) all die Fundstücke, Interviews und Impulse.
Nicht im Dossier, sondern auf SRF zu finden ist die Synodale Claudia Winter aus Wolfhausen. Mit viel Wissen, Geschick und dank der Heiligen Verena räumte sie in der Quizsendung "1 gegen 100" alle aus dem Weg, holte sich auch noch den Bonus und all dies an ihrem 35. Hochzeitstag. Da gratulieren wir gleich in mehrfacher Hinsicht!
Gratulieren sollten wir auch Papst Franziskus, schliesslich hat er vor fünf Jahren die Umweltenzyklika «Laudato si» verfasst. Im medialen Corona-Gedöns ist letzte Woche weitgehend untergegangen, dass er zu einem «Laudato si-Jahr» aufgerufen hat. „Mögen die heutigen Leiden Geburtswehen einer geschwisterlicheren und nachhaltigeren Welt sein“, heisst es in einem Gebet zu diesem Jahr. Aus dem Lockdown zurück, warten viele grosse Fragen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auf uns, die wir nur von einem solidarischen Geist erfüllt zukunftsgerichtet lösen können. Diese Enzyklika kann uns inspirieren und ermutigen.
In diesem Sinn erhoffe ich für Sie, liebe Leserin, lieber Leser - und nicht zuletzt für mich selber - ein pfingstliches Feuer der Erkenntnis und heilige Geistkraft, die hinaustreibt. Auf die Strasse. Zu den Menschen. Mit einer Botschaft, die überzeugt und aktuell ist.
Arnold Landtwing
Informationsbeauftragter Generalvikariat
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Erlauben Sie mir zwei Bemerkungen zum Newsletter von Pfingsten.
Gefreut und besonders gefallen haben mir die Gedanken unseres Generalvikars zu Pfingsten und sein Lieblingsgebet.
Aus dem verlinkten Beitrag «Haben die Kirchen während Corona die Chance genutzt, wieder mehr Menschen an sich zu binden?» von Anna Miller zitiere ich wie folgt:
...Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz schreibt auf Anfrage, die Coronakrise habe die alte Volksweisheit, dass Not beten lehrt, nicht bestätigt. "Die Pandemie änderte nichts an der verbreiteten individuellen Sicht auf Religions- und Glaubensfragen. Möglicherweise haben die Menschen die kirchlichen Medienangebote stärker wahrgenommen, weil sie in den letzten Wochen mehr Zeit hatten und über weniger Alternativen verfügten. Daraus sollten aber kein wachsendes Interesse und erst recht keine verstärkte Bindung an die Kirchen abgeleitet werden"...
Ich frage mich, woher das die Ev.-ref. Kirche wissen will? Es gibt viele Menschen, die beten, auch wenn sie selten oder nie in die Kirche gehen.
Freundliche Grüsse
Max Pfister
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