Grüss Gott Zürich Mögen wir alle die Kurve kriegen!
Kaum ist der letzte der drei Könige an der Krippe angekommen und der Weihnachtsbaum abgeräumt, wird in meinem Wohnort Einsiedeln auf Teufel komm raus «trychlät», was die auf den Rücken gebundenen Schellen hergeben. In der von vielen heiss ersehnten fünften Jahreszeit darf man dann endlich sein Inneres nach aussen kehren und in entsprechender Verkleidung durch die Gassen wandeln. Oder schwanken. Je nachdem, wie elegant geölt man die Kurve in den Beizen bewältigen konnte. Definitiv nicht gekriegt hat die Kurve FDP-Präsidentin Petra Gössi mit der Badewanne.
Als Nonne verkleidet raste sie mit Komiker Beat Schlatter beim Stöössler Badewannenrennen die Strecke hinunter und küsste – wie vom Publikum selbstverständlich insgeheim erhofft – in einer Kurve kurz vor dem Ziel den Schnee. So von Herzen kommend darf dann für einmal gut katholische weil fasnächtliche Schadenfreude sein.
Fasnacht in Zwinglis Zürich? Vergessen Sie das! Hier hat höchstens Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist eine Fahne, und dies nicht zu knapp. Also… wohlverstanden… einer seiner Kirchtürme. Sorry, Christoph, den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen 😉
Regenbogig bekannte das Zürcher Wahrzeichen Farbe mit einer 10x30 Meter grossen Flagge und machte damit auf die Anliegen der Kundgebung des Komitees «Ja zum Schutz vor Hass» aufmerksam. Christoph Sigrist unterstützte die Aktion, weil «alle Kirchtürme für die Integration von Ausgegrenzten stehen. In diesem Sinne tragen sie seit Jahrhunderten Regenbogenfarben».
Ja zur Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm, über die unter anderem am 9. Februar abgestimmt wird, sagen der Verein der deutschschweizer Jugendseelsorgen und okaj, der Zürcher Dachverband der kantonalen Kinder- und Jugendförderung. Wer noch unentschieden ist, dem empfehle ich zur Meinungsbildung die Überlegungen von Strafrechtsprofessor Martino Mona oder – wer es lieber noch vertiefter mag – von Sozialethiker Thomas Wallimann von Ethik22. Wallimann ist auch Präsident ad interim der bischöflichen Kommission Justitia et Pax.
Kann (m)ein altes «Wort zum Sonntag» zum Schutz des Sonntags wieder aktuell werden? Ja, kann es, denn die Salamitaktik zum Aushöhlen des arbeitsfreien Tages geht weiter. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hörte interessierte Kreise und Organisationen zur umstrittenen Liberalisierung des Arbeitsgesetzes an. Nicht eingeladen waren die Kirchen und dies sorgt für Misstöne, dagegen klingt Guggenmusik wie eine liebliche Harmonie. Und wer hat sie erfunden, die «Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes»? Aber nicht etwa ein früherer CVP-Ständerat? Nein! Doch! Oh!
Vielstimmiger und garantiert harmonischer geht es bei den Vogelfreien zu. Sie laden heute Abend in die Kirche Neumünster ein zu einem Benefizkonzert für die Konzernverantwortungsinitiative. Dem 8-Millionen-Budget der Konzerne halten sie die Kollekte des Konzerts entgegen.
Auch wenn diese Abstimmung voraussichtlich im Herbst über die Bühne geht, Generalvikar Josef Annen und Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding haben ihre Meinung gemacht – und tun sie kund. Mit je einem knackigen Gedanken unterstützen sie die Initiative Kirche für Konzernverantwortung.
«Was wir brauchen, ist ein erneuerter, tiefgreifender und erweiterter Sinn für Verantwortung bei allen», schreibt Papst Franziskus in einem Brief an Klaus Schwab, den Präsidenten des WEF – und ruft in Erinnerung, dass die Wirtschaft im Dienste des Allgemeinwohls steht und nie über der Würde des Menschen. Eine vernünftige Stimme im lauten medialen Getrumpe um blaue Flugzeuge und schwarze Limousinen.
«Wir müssen andere Wege suchen und gehen» sagt der Kapuziner Willi Anderau. Warum für ihn die Auflösung des Vereins der Pfarrei-initiative keine Resignationserklärung darstellt, erläutert er im Blogbeitrag.
Andere Wege suchen müssen auch immer wieder Armutsbetroffene in unserer Gesellschaft. Weil es ein Tabuthema ist, sind gerade psychisch Kranke besonders gefährdet, in der Armut zu landen. In der Caritas-Woche Ende Januar/Anfang Februar erzählen Mitarbeitende der Caritas in vielen Pfarreien über ihre Arbeit und stellen die Gedanken unter das Motto «Armut macht krank – Krankheit macht arm».
Dieser Sonntag ist der erste «Sonntag des Wortes Gottes». Papst Franziskus hat ihn eingeführt und dies nicht zufällig am Ende der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Franziskus hebt die Bibel, das Wort Gottes, als das gemeinsame Fundament aller Christen neu ins Bewusstsein. Die Besinnung auf die Einheit der Christen und auf das Wort Gottes bergen ein gewaltiges Potenzial in sich. Denn: Echte Besinnung auf die Grundlagen des Wortes Gottes ermutigt und ermächtigt zur Einheit unter den Christen – und hat konkrete Konsequenzen für Menschen in Not wie auch für die Kirchen selbst.
Mögen Sie die Kurve kriegen zu einem gesegneten und folgenreichen Sonntag!
Arnold Landtwing
Informationsbeauftragter Generalvikariat
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Sollte Christoph Sigrist tatsächlich behauptet haben, alle Kirchtürme würden für die Integration von Ausgegrenzten stehen, weshalb sie in diesem Sinne seit Jahrhunderten [!] Regenbogenfarben trügen, liegt die Vermutung nahe, dass er tatsächlich eine "Fahne" im übertragenen Sinn hatte. Schliesslich steht seine Behauptung im Widerspruch zu der Stellungnahme der/"seiner" reformierten Kirche zur Frage der Homosexualität von 1999. Dort gesteht diese eine Mitverantwortung an Homophobie "bis in unser Jahrhundert" ein.
Text-Auszug: "Das Grundlagenpapier geht aus von einer Betrachtung der Geschichte homosexueller Menschen, welche wie die Geschichte anderer Minderheiten in der abendländischen Kultur eine leidvolle Geschichte war. An diesem Leiden sind die Kirchen mitverantwortlich. Sie haben durch ihre Bezeichnung der Homosexualität als schwere Sünde die Argumente geliefert, mit welchen Homosexuelle bis in unser Jahrhundert verfolgt und diskriminiert wurden."
Was nun, Rebenbogen-Integrations-Tradition oder eher doch Tradition der Ausgrenzung?
Die beiden christlichen Kantonalkirchen meinen in ihrem aktuellen, gemeinsam verfassten Tätigkeitsbericht 2020-2025 in Bezug auf ihre sich selbst auferlegten Aufgaben, "Gerade auch einer sich als säkular verstehenden Gesellschaft kommt es zugute, wenn sie sich regelmässig die Fundamente vergegenwärtigt, auf denen sie steht".
Das "Fundament" der Homophobie steht wie oben von der Kirche selbst eingestanden (nicht nur, aber auch) auf kirchlichem Boden. Sollte Christoph Sigrists Integrations-Behauptung keine "realitätsferne Schwärmerei" oder "freies Assoziieren" gewesen sein, liegt die Vermutung nahe, dass er tatsächlich eine "Fahne" hatte.
Es bleibt zu hoffen, dass man nicht nur im Zustand einer "Fahne" einerseits kirchliche Ausgrenzung-Traditionen erkennen und andererseits die säkulare Gesellschaft als treibende und heute Kultur prägende Kraft anerkennen kann. Denn diese ist es, welche zur Integration bisher Ausgegrenzter nun strafrechtlich ein Zeichen setzen will und die Kirchen springen lediglich auf diesen fahrenden Zug auf.
Offensichtlich ist die säkulare Gesellschaft nicht so schlecht und ist Religion bzw. Kirche als deren Sozialform nicht so gut, wie manche Religiöse meinen. Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich hier deutlich: Säkularisierung ist der Prozess, der zur Säkularität als gesamtgesellschaftlich bedeutsamstem Bezugs- und Orientierungspunkt führt. Säkularität schafft Raum für säkulare Ethik und Ethik ist (gesamtgesellschaftlich) wichtiger als Religion. Säkulare Ethik legitimiert säkulare Werte, stiftet säkulare Identität und prägt säkulare Kultur. Damit wird die Gesellschaft weder christlich, noch unchristlich, sondern säkular.
Bitte überlassen Sie doch einem wirklich christlichen Menschen ihren Job. Damit wäre allen gedient, am meisten aber Jesus Christus.
Besten Gruss
Waldmeier Regina
Als Theologe mit langjähriger Seelsorgeerfahrung mache ich auch als Informationsbeauftragter nicht einfach einen Job, sondern folge seit mehr als 30 Jahren im Dienst der Kirche meiner Berufung . Dazu gehört, dass ich mir eine eigene persönliche Meinung leiste und auch dazu stehe. Soviel Meinungsfreiheit - von der Sie hier auch Gebrauch machen - muss sein. Auch in der Kirche.
Freundliche Grüsse
Arnold Landtwing
Kommentare anzeigen