Sich selber ermächtigen, das Richtige zu tun
Ist das, was derzeit im Vatikan abgeht, eine Panne, die wie die heutige Telefonpanne in der Schweiz bald wieder behoben ist? Wohl kaum. Denn der Machtkampf der Weltkirche übersteigt das durchschnittliche Geplänkel um Aufmerksamkeit und Einfluss und gipfelt in Zeitungstiteln wie «Papst gegen Papst». Was ist passiert?
Benedikt XVI. und Kardinal Sarah, einer der schärfsten Kritiker des Reformkurses von Papst Franziskus, haben ein Buch herausgebracht, das die Zölibatsverpflichtung für katholische Priester verteidigt. Daraus wird schon mal fleissig zitiert, obwohl es noch nicht auf dem Markt ist. Benedikts Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, stellt gegenüber dem Verlag klar, dass er weder Namen noch Unterschrift des emeritierten Papstes abdrucken dürfe, sei dieser doch über Form und Aufmachung des Buches nicht im Bilde gewesen, was Mitverfasser Sarah bestreitet …
Mir wackeln die Ohren und der Geist fragt sich: Geht es in der Auseinandersetzung um das Buch von Benedikt XIV. und Kardinal Sarah wirklich um die Zölibatsfrage? Oder ist es Ausdruck des Machtkampfes zwischen fortschrittlichen und traditionalistischen Kräften? Oder haben einige Prälaten, die Franziskus schwächen wollen, versucht, ihre Verschwörung im Mantel des emeritierten Papstes respektive des emeritierten Bischofs von Rom (Emeritus) zu verstecken? Oder ist alles schlicht ein Missverständnis, wie uns Gänswein glauben machen will?
Nun, wir wissen es nicht. Ob mit dieser Geschichte der Geist der Kirchenspaltung aus der Flasche ist, wie einige Beobachter meinen, sei dahingestellt, eine Posse bleibt sie allemal. Und Exponenten der Weltkirche bestätigen einmal mehr auf eindrückliche Art und Weise, was sie im Innersten bewegt: nicht Menschen und Reformen, sondern Kampf um Macht.
Den Kampf um «Selbstverständlichkeiten in der Kirche» aufgegeben hat der Verein «Pfarrei-Initiative». Nach acht Jahren hat er sich vorgestern aufgelöst. Aufschlussreich ehrlich die Begründung des Vorstands zur Auflösung des Vereins: «Nicht weil er meint, die Pfarrei-Initiative hätte ihre Aufgabe erfüllt, sondern weil wir den Glauben an die Reformwilligkeit der katholischen Kirche verloren haben.» Und: «Wir müssen den Platz räumen, damit die Unruhe steigt. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich die Allianz «Es reicht!» mit anderen Reformbewegungen wie der Junia-Initiative und dem Frauenstreik zu einer guten Kraft entwickelt.»
Sehr bemerkenswert dazu der Kommentar von kath.ch-Redaktionsleiterin Sylvia Stam. Der Verweis auf die Haltung von Papst Franziskus, der den zehn Selbstverständlichkeiten der Pfarrei-Initiative nahe sei, wirke wie ein «allerletztes Aufflackern von Hoffnung. Eine Hoffnung, die durch das jüngste Schreiben der Schweizer Bischofskonferenz zum synodalen Prozess sowie dessen erste, nichtssagende Konkretisierung durch den Apostolischen Administrator von Chur bereits wieder zunichte gemacht wurde. Realistischer sei da die Prophezeiung des Freiburger Moraltheologen Daniel Bogner, wonach die Kirche nicht fulminant scheitern wird, sondern ganz banal.» Die Auflösung der Pfarrei-Initiative sei ein bedeutender Schritt auf diesem Weg des Scheiterns und verdiene Respekt.
Ist das Scheitern wirklich unabwendbar? Die Kirchen können ihren Untergang noch abwenden, davon ist Simon Hehli in der NZZ überzeugt. Auf dem Markt der Sinnstifter seien die Kirchen wichtige Player, die Menschen bräuchten Rituale und «mit dem Aufruf zur Bewahrung der Schöpfung können sich auch diejenigen Mitglieder der erstarkenden Ökobewegung identifizieren, die das Konzept eines Schöpfers ablehnen». Hehli verweist zudem auf Jesus, seinen Appell an den Altruismus und die Absage an die Selbstgerechtigkeit. Während Hehli die Pfarrerinnen und Pfarrer als Vermittelnde der Botschaften sieht, setzt Kapuziner Willi Anderau im Gespräch auf Radio srf2 (ab Minute 6.25) beim einzelnen Menschen an. Als bisheriges Mitglied der Pfarrei-Initiative hofft er auf Menschen, die sich selber ermächtigen und andere Menschen ermutigen das zu tun, was Jesus vorgelebt hat.
Mit anderen tun, was wichtig und richtig ist. Zum Beispiel:
Mit der Besetzung der zweiten Stelle durch Karin Iten und dem bereits angestellten Stefan Loppacher ist die Präventionsarbeit gegen Machtmissbrauch im Kanton Zürich und im Bistum Chur hochkarätig aufgestellt.
Seit einigen Tagen gibt’s das RefLab, ein reformiertes Laboratorium, wo Neues ausprobiert und geteilt wird.
Kinder und Jugendliche setzen ab heute im Rahmen der «Aktion 72 Stunden» der Schweizer Jugendverbände ein gemeinnütziges Projekt in die Tat um.
Ende Januar reden im neuen Talk- und Netzwerkformat «fails@church» eine Pfarrerin und der Geschäftsführer von okaj, dem Dachverband der offenen, verbandlichen und kirchlichen Jugendförderung im Kanton Zürich, über das Scheitern.
Schliesslich soll vor lauter internem Machtpoker in der katholischen Weltkirche nicht vergessen gehen, dass morgen die Gebetswoche für die Einheit der Christen beginnt.
Ermächtigen wir uns, das in Kirche und Gesellschaft mit anderen Menschen zu tun, was wichtig und richtig ist, was uns Jesus vorgelebt hat. Ich wünsche uns viel Kraft beim Scheitern und Neubeginn, einen gesegneten Sonntag und grüsse herzlich
Aschi Rutz
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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