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Totengedenken und adventliche Lichter - Newsletter vom 25.11.2022 Totengedenken und adventliche Lichter

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Aufregung in der Gallusstadt! Da wird dem berühmten Sohn, dem Regisseur und Philosophen Milo Rau, ein nobler Preis verliehen. Doch statt mit Dankbarkeit reagiert er frevelhaft. Er fordert tatsächlich die Rückführung der in der weltberühmten Stiftsbibliothek seit rund zweihundert Jahren ausgestellten Mumie der Schepenese in den ägyptischen Wüstensand, oder zumindest in ein ägyptisches Museum.
25. November 2022

Na so was, ausgerechnet die Attraktion der Bibliothek soll dahin zurück, woher sie unter ungeklärten Umständen einst gekommen war? Bischof, Kirchenparlament, Politik und das ganze Establishment ereifern sich, auf der anderen Seite solidarisieren sich Kulturschaffende mit Rau bzw. mit Schepenese. Eine herrliche Posse passend zum Totenmonat November.

Mich persönlich interessiert aber weniger die Debatte darüber, was ein Leichnam in einer Bibliothek zu suchen hat und warum er unbedingt da bleiben soll oder eben gerade nicht. Mich bewegt die Frage, was die Attraktion der Schepenese ausmacht, einer toten jungen Frau, die vor 2600 Jahren in einer ganz fremden Kultur starb.

Wieso sind heute so viele Menschen fasziniert vom aufwändigen Totenkult der alten Ägypter, wenn gleichzeitig in unserer eigenen Kultur in rasantem Tempo die Riten und Gebräuche rund ums Sterben und Begraben verdunsten? Einen betenden Priester am offenen Grab, in das ein Sarg langsam hinabgelassen wird, das sieht man hierzulande fast nur noch im Fernsehen. Heute werden die meisten Toten kremiert, die Asche immer öfter, wenn nicht gar anonym verstreut, in «engstem Familienkreis» in ein kleines Erdloch in einem «Gemeinschaftsgrab» versenkt.

Ich erlaube mir kein Urteil über die persönlichen Beweggründe. Aber ein wichtiger Grund, den ich immer höre (ich habe schon mit vielen Menschen darüber gesprochen), sind die tieferen Bestattungs-Kosten und der gesparte Aufwand für die Grabpflege, mit der die Nachkommen nicht belastet werden sollen. Das macht mich doch nachdenklich. Einerseits bewundern wir den Totenkult Ägyptens, andererseits wird unser eigener Totenkult zunehmend von einem kapitalistischen Kosten-Nutzen-Kalkül verdrängt. Wenn die St. Galler Aufregung eine Debatte über dieses Thema anregt, dann hat sie meines Erachtens sehr wohl einen Sinn! Gerade auch für uns als Kirche.

 

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Doch nun neigt sich der Totenmonat November dem Ende zu, jetzt warten die Lichter des Advents. Dazu will ich gar nicht viele Worte verlieren, sondern lade Sie ein, den Blog-Beitrag meines Kollegen Arnold Landtwing auf unserer Homepage zu lesen. Er macht sich Gedanken darüber, wie auch der Inhalt von Advent und Weihnachten zunehmend verdunstet, symptomatisch demonstriert im aktuellen Weihnachtsspot der Migros. Statt vom «lieben Gott» erzählt er vom «lieben Geist», statt Engel musizieren Dinosaurier und alle feiern eine glamouröse Party. Sauglatt – und saublöd.

 

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Wer mehr vom Advent erwartet als Sauglattismus, dem empfiehlt Arnold den Kalender Der andere Advent. Oder aus der digitalen Welt das ökumenische Weihnachtsprojekt mittendrin.life mit täglichen Videopodcasts an jedem Tag des Advents. Oder ab Sonntag die täglichen «Adventsworte», die das katholische Medienzentrum gemeinsam mit dem Bistum Basel und dem Bibelwerk zusammengestellt haben.

 

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Eine schöne Tradition in vielen Pfarreien ist auch der Ministrantenkalender des Kinder- und Jugendmagazins TUT. Für das Jahr 2023 widmet er sich den biblischen Prophetinnen und Propheten und ihren Traum von einer besseren Welt. Hier kann er bestellt werden.

 

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Erlauben Sie mir noch einen kurzen Abstecher in den Nahen Osten, wo ja der Stern von Bethlehem einst geschienen hat. Jugendseelsorger Adrian Marbacher berichtet in seinem Blog von seiner Reise nach Israel und Palästina, um dort das Friedenslicht in Empfang zu nehmen, das dann auch bei uns in Zürich leuchten soll.

Bis Sonntag können wir noch einige Highlights des Arab Film Festival erleben. Die Filme erlauben einen Einblick in das bunte Leben in der arabischen Welt, jenseits westlicher Stereotypen.

Diese Stereotypen prägen leider auch die aktuelle Debatte um die Fussball-WM in Katar. Natürlich, es gibt viel Kritisches rund um diese WM. Die Verantwortliche für diese sitzt aber nicht in Arabien, sondern in Zürich – das nur nebenbei. Mir kommt so mancher Boykottaufruf ziemlich selbstgefällig und überheblich vor. Wer Respekt fordert, sollte auch Respekt zeigen – bei aller Kritik. Erhellend dazu der Kommentar des Tagi-Sportreporters Thomas Schifferle. Ich hoffe deshalb mit dem Papst, dass dieses Fussball-Spektakel den Fans in den Stadien und am TV Freude bereitet und dass es «die Harmonie unter den Nationen und die Geschwisterlichkeit unter den Völkern fördert».

 

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Zum Schluss noch ein Hinweis auf ein ganz besonders Licht, das 365 Tage im Jahr mitten unter uns leuchtet: Im Café Yucca erhalten Notleidende im Zentrum von Zürich nicht nur eine wärmende Suppe, sondern treffen auch ein wärmendes Herz. Vorgestern feierte dieser aussergewöhnliche Ort gelebter christlicher Nächstenliebe Geburtstag. Dank an alle, die sich dort engagieren!

Bevor ich es vergesse, möchte ich noch unserem Bischof Joseph Maria Bonnemain dafür danken, dass es künftig im Bistum Chur keinen «Exorzisten» mehr gibt. Nicht, dass ich bezweifle, dass es teuflische Mächte in unserer Welt gibt. Aber die treibt man nicht mit Hokuspokus aus, sondern indem man die Welt verändert. Sicher wirkt auch Gebet heilsam, aber dafür braucht es nicht die historisch extrem belastete und heute schlicht nicht mehr vermittelbare Figur eines «Exorzisten», sondern gläubige und lebensfrohe Gemeinden.

 

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Nun hoffe ich für uns alle, dass wir diesen höllischen Black Friday ohne Schaden an Leib und vor allem an Seele überstehen und wünsche allen Leserinnen und Lesern einen gesegneten ersten Adventssonntag.

Ihr Simon Spengler

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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