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Treten an Ort

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022
Aschi Rutz

Informationsbeauftragter Synodalrat bis Ende November 2022

Aschi Rutz
«Wir sind an einem gewissen ‚toten Punkt‘», schrieb Kardinal Reinhard Marx in seinem Rücktrittsschreiben an Papst Franziskus. Allerdings.
25. Juni 2021

Und das betrifft nicht nur die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Amtsträger und die Institution, an der Kardinal Marx den ‚toten Punkt‘ festmacht. Es sind weitere Themenfelder in der Welt- und Ortskirche, wo kirchliche Würdenträger an Ort treten und sich vor Veränderungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

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Da ist einmal der Umgang mit nicht heterosexuellen Menschen, der in diesen Tagen einmal mehr auf den Frontseiten der Medien aufscheint und selbst im Fussball-Studio zum vieldiskutierten Thema wird. Nicht nur Aktivistinnen und Aktivisten der Regenbogen-Bewegung machen auf die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen aufmerksam, die nicht der «Norm» entsprechen. Auch grosse Konzerne «überbieten sich derzeit mit Regenbogen-Inseraten und Aufrufen zu Toleranz und Offenheit», wie Patrizia Laeri in ihrer Kolumne im Blick vom Mittwoch schreibt. Für sie scheinen aber oft genug Solidarität und Offenheit berechnendes Marketing zu sein und damit geheuchelt. Klartext Laeri: «Die Pride-Bewegung ist eine Menschenrechtsbewegung. Es braucht weitreichendes und wahres Engagement der Firmen. Das ganze Jahr.»

 

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Wie hat es hier die Kirche mit Toleranz, Offenheit, Respekt, Menschenwürde und Menschenrechten? Die offizielle Kirche tut sich sehr schwer damit, obwohl Papst Franziskus in seinem ersten Amtsjahr auf entsprechende Fragen zur Homosexualität Sätze sagte wie «Wer bin ich, ihn zu verurteilen?» oder «Gott liebt dich so.»

 

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Wenn dem so ist, warum schwingt dann immer ein «Aber» mit? Wenn Gott alle Menschen mit ihren verschiedenen Geschlechtsausprägungen und -identitäten annimmt und liebt, warum protestiert dann der Vatikan gegen ein italienisches Gesetz, das den Schutz von Homosexuellen vorsieht? Warum zeichnen nicht nur freikirchliche Kreise, sondern auch katholische Bischöfe immer wieder ein völlig verzerrtes Bild von homosexuellen Menschen und sehen Homosexualität als Symptom einer psychischen Störung, die es zu therapieren gilt (heute im Tages-Anzeiger hinter der Bezahlschranke)? Warum dürfen offiziell keine homosexuellen Paare gesegnet werden?

 

Ich meine, hier steht die katholische Kirche auch an einem ‚toten Punkt‘. Sie muss sich die Frage gefallen lassen, mit welchen Verbündeten sie unterwegs ist, wenn es um diskriminierte, unterdrückte und verfolgte Menschen aufgrund ihres Geschlechts geht: Hält sie es mit den lateinamerikanischen Machos? Oder mit den afrikanischen Potentaten? Oder etwa mit autokratischen Herrschern in Osteuropa? Ist die Kirche eine Anti-Aufklärer-Partei oder eine Institution mit einer befreienden Botschaft?

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Die Kirche befindet sich mit dem Thema «Frauen in der Kirche» an einem weiteren ‚toten Punkt‘. Dies zeigt exemplarisch die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift forum mit ihrem Beitrag zu «50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz» auf. Sie fragt alle Mitglieder des Churer Bischofsrats, welche Perspektiven sie für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche sehen. Ein mutiger Schritt des forum und offene, beklemmende Stellungnahmen der Redaktion.

Vorneweg: Ausgerechnet der als konservativ etikettierte Generalvikar der Urschweiz, Peter Camenzind, meint, dass es vielleicht sogar gut wäre, dass in Zukunft auch Frauen zu Priesterinnen geweiht werden. So könne die sakramentale Berufung der Kirche gerettet werden. Andere Mitglieder des Bischofsrats beharren auf der offiziellen Linie, wonach die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu weihen, sie reden faulen Kompromissen das Wort (Diakonat der Frau), delegieren die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche an Rom, haben sich mit dieser Frage bisher überhaupt noch nie auseinandergesetzt oder glänzen mit «Kein Kommentar». Bischof Joseph Bonnemain konstatiert offen, dass «unsere Kirche heute bezüglich der Gleichstellung von Frauen ein Glaubwürdigkeitsproblem hat». Er sehe viel Bewegung in der Kirche wie schon lange nicht mehr und sei offen für Entwicklungen.

Joseph Bonnemain lässt aber keinen Zweifel daran, dass er als Bischof immer in Einheit mit der Weltkirche handelt. Seine einzige Macht sei, «meine Erfahrung und meine Überzeugung überall dort einzubringen, wo ich das als Bischof tun kann». Er lässt aber hartnäckig offen, wie er persönlich zur Weihe von Frauen zu Priesterinnen steht.

 

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Wohin dieses «Treten an Ort» der Kirche bei der Gleichberechtigung der Frauen führen kann, zeigte am Mittwoch die 84jährige Dominikanerin Ingrid Grave im Zürcher Bernhard-Theater auf. An der Premiere von «Der Heilige Bernhard» sagte die unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Frauen in der Kirche: «Wenn wir von Priestern reden, sind wir beim Frauenthema.» Für die katholische Kirche müsse sie sich eigentlich schämen. Wenn sie gestorben sei, wolle sie keinen Priester an ihrem Grab. Die Abdankung sollten ihre Mitschwestern gestalten.

 

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Papst Franziskus hat den Rücktritt von Reinhald Marx nicht angenommen und die Krisenanalyse des Münchner Kardinals bestätigt. Er hofft wohl ebenso wie Marx, dass «Treten an Ort» keine Zukunft hat und dass dieser ‘tote Punkt’ zu einem Wendepunkt werden kann. Marx meint mit dem Wendepunkt den synodalen Weg und ist überzeugt davon, dass die Menschen und das Evangelium über dem Amt und der Institution Kirche stehen. Damit sei Marx unter den Bischöfen weltweit zu einem Anführer der Aufklärung und der Erneuerung geworden, schreibt Thomas Binotto im forum. Kardinal Marx habe das Zeug, zu einer zentralen Kraft im Reformprozess zu werden. Ob er diese Erwartung auch erfüllen kann und ob die Kirche und seine Brüder im Bischofsamt dies zulassen, werden wir sehen.

 

 

Ich wünsche Ihnen ein entspanntes und gesegnetes Wochenende und grüsse herzlich

 

Aschi Rutz

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.