Weihnachtliche Ungewissheit
Es ist ungewiss, ob unser vorsichtiges Planen für adventliche und weihnachtliche Feiern morgen noch Bestand hat, es ist ungewiss, ob nach den für heute angekündigten verschärften Massnahmen gegen die Pandemie nicht kurz vor Weihnachten noch weitere folgen werden. Wie lange das alles noch gehen wird, ist ebenso ungewiss.
Kann man so Weihnachten feiern? Meine persönlich Antwort ist: Selten waren wir Weihnachten so nah wie heute. Die Szene im Stall von Bethlehem ist geradezu eine Verkörperung von Ungewissheit: Wie geht es mit uns und mit dem unerwarteten Kind nur weiter? Was soll werden? Wohin können wir gehen? Wer kann uns helfen?
Aus dem, was dann aus diesem unerwarteten Kind geworden ist, finden wir neue Gewissheit: Gott ist mitten unter uns, wir sind nicht allein. Weihnachten wird Wirklichkeit, wenn wir in unserer gemeinsamen Not zueinander finden, miteinander Sorge füreinander tragen. Mit allen Konsequenzen. Weihnachten findet statt, mitten unter uns! Sinnbild dafür ist die Krippe auf dem Münsterhof.
Das älteste Kirchenlied ist übrigens nicht „Stille Nacht, einsam wacht“, sondern „Komm du Heiland aller Welt“. Es soll auf den heiligen Bischof Ambrosius zurückgehen aus dem vierten Jahrhundert. Sein Fest durften wir diese Woche am Dienstag feiern. Für mich ein besonderer Tag, ist er doch der Patron der Imker.
Auch für unsere Diözese sollte dieser Tag besonders sein. Ambrosius lebte in einer Zeit schlimmster innerkirchlicher Spannungen und Kämpfe. Ihm traute man zu, ein echter Brückenbauer über alle Gräben hinweg zu sein, weshalb er zum Bischof gewählt wurde. Und zwar vom ganzen Volk in einer öffentlichen Versammlung! Tatsächlich gelang ihm, der am Tag seiner Wahl noch nicht mal getauft war, sondern erst in Vorbereitung auf diesen Schritt, als Bischof dieser Brückenschlag. „Wer Bischof für alle sein soll, muss von allen gewählt werden“, so die Überzeugung der alten Kirche.
Wenn ich heute Sprüche höre wie „Wir sind schliesslich katholisch, wir haben Regeln, die nicht geändert werden können“, so denke ich mir nur: „Ihr habt keine Ahnung! Lest mal die Geschichte des heiligen Ambrosius.“ Oder die des heiligen Nikolaus, den wir tags zuvor feierten. Rückbesinnung tut not, aber richtig. „Darob staune, was da lebt“, heisst es in der zweiten Strophe des Weihnachtslieds des Ambrosius. Weil es so schön ist, hier noch eine zweite Interpretation, diesmal von Frauen.
Passend dazu stiess ich diese Woche in der mittelalterlichen Novellen-Sammlung Il Decamerone auf eine tolle Geschichte, die ich kurz zusammenfassen will (den zeitbedingten antijüdischen Unterton überhören wir):
Da wird ein Jude von seinem christlichen Freund gedrängt, sich taufen zu lassen. Der Jude entgegnet: Ich will zuerst sehen, ob die Bischöfe und der Papst in Rom ein Vorbild für den Glauben sind. Falls ja, will er sich taufen lassen. Der Jude reist also nach Rom – und wird bitterlich enttäuscht. Statt Heiligkeit sieht er nur Herrschsucht, Streit und Laster aller Art.
Der Freund gibt jede Hoffnung auf, der Jude könne sich bekehren. Doch dieser überrascht: ‚Gerade weil ich sehe, wie lasterhaft die Prälaten und Purpurträger sind und weil sie mit ihrer Unwürdigkeit das Gedeihen der Kirche überall auf der Welt nicht verhindern können, deshalb bin ich überzeugt, dass in diesem Glauben Gottes Geist wirkt.’ Und er lässt sich taufen.
Nicht Domherren, bischöfliche Administratoren oder Nuntien sind es, die die Kirche ausmachen. Es sind die Menschen vor Ort, die die Weihnachtsbotschaft in ihrer Gemeinde konkret erfahrbar machen, womit sich das Wunder von Bethlehem immer neu ereignet.
Deshalb lassen wir am Samstag mit Caritas „Eine Million Sterne“ erleuchten als Zeichen der Solidarität mit allen, die leiden, und stellen Kerzen in unsere Fenster. Vergessen wir nicht die Not unzähliger Menschen, die fern von uns leben. Machen wir auch sie zu unseren Nächsten. Ein Zeichen setzte diese Woche der Synodalrat, der 40'000 Franken für die Flüchtlingsarbeit der Jesuiten in Beirut spendete.
Werden wir kreativ. Hier finden Sie Anregungen zur Feier von Weihnachten in diesen speziellen Zeiten. Wege aus Angst und einen guten Umgang mit der Angst diskutieren der Psychiater Thomas Ihde und Flughafenseelsorgerin Andrea Thali im Talk mit Claudia Lässer.
Wer einen kulinarischen Aufsteller braucht, findet den bei “Chef Jeunesse Christmas Spezial“, wo Jugendliche Rezepte für Guetzli und festliche Menus geben – ein Projekt des AKJ Albis in Zusammenarbeit mit dem Videokanal Underkath.
Balsam für die Seele bietet das Video der Combo von Dreikönigen mit adventlichen Klängen - und einem Wiedersehen mit alt Synodalratspräsident Benno Schnüriger hinter seinem Kontrabass.
Morgen Abend sendet Tele Z dann um 18 Uhr die nächste Folge der Serie „Gedanken zur Adventszeit“ mit Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist und Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding, diesmal aus Liebfrauen in Zürich.
Wem das alles schon wieder viel zu viel Tipps sind, der entkorke doch einfach zuhause eine gute Flasche, koche seinem oder seiner Liebsten das Lieblingsgericht und entzünde dazu eine Kerze – zu Ehren des heiligen Ambrosius natürlich aus echtem Bienenwachs. So halte ich es.
Ihr Simon Spengler
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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