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Mit Charme und Römerkragen

Bereichsleiter Kommunikation, Sekretär Interreligiöser Runder Tisch im Kanton Zürich
Simon Spengler

Gesamtverantwortung Kommunikation der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Katholischer Theologe und Journalist.

Simon Spengler
Morgen, 19. März, Fest des heiligen Josef oder «Sepplitag». Wir gratulieren heute schon allen Josefs, besonders unserem Bischof, der morgen auch den Jahrestag seiner Bischofsweihe feiern darf.
18. März 2022

Das schönste Geschenk zum Namenstag bereitet ihm das romanische Fernsehen RTR mit der 35-minütigen Doksendung «Um den Frieden willen – ein Jahr Bischof Joseph Maria Bonnemain». Ausgestrahlt wird sie am Sonntagabend um 17.25 Uhr auf SRF, über den Link kann sie jetzt schon angeschaut werden (noch ohne Untertitel). Eine Hommage an den Mann, der das Klima im Bistum Chur nachhaltig verbessert hat. Natürlich auch eine Hymne auf den quirligen Bischof, der von morgens bis abends mit seiner Herde unterwegs ist. Bei dem aber auch nicht immer so ganz klar ist, wohin die Reise geht. Doch dazu später mehr.

Heute Abend um 19 Uhr widmet auch «Schweiz aktuell» dem kleinen «Bischofs-Jubiläum» einen Beitrag – wie schon bei RTR kommt u.a. Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding als Stimme der Zürcher Kirche zu Wort. Dies ebenfalls im Regionaljournal, das heute Mittag einen Beitrag dazu ausgestrahlt hat. Und auf der Homepage der Zürcher Kirche schalteten wir unter dem Titel «Mit Charme und Römerkragen» weitere Stimmen zum ersten Amtsjahr des Bischofs auf.

 

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Bevor wir uns in Lobeshymnen gänzlich verlieren, muss auf ein ganz anderes Ereignis verwiesen werden. Letzten Sonntag zeichnete die Herbert-Haag-Stiftung in Luzern acht Missbrauchsbetroffene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit ihrem diesjährigen Preis aus. Prominenteste Preisträgerin ist Doris Reisinger, die als ehemalige Ordensfrau in Rom von einem Priester vergewaltigt wurde. Bestraft wurde der Täter nie. Die Philosophin und Theologin Reisinger hat ob all der ‘betroffenen Worte’ und der noch immer oft fehlenden Taten der Bischöfe und des Papstes «jegliches Vertrauen in diese Kirche» verloren, wie sie in ihrer Ansprache bitter resümierte:

«Wo immer in der Kirche über Missbrauch gesprochen wird, sicher auch hier heute, gibt es einen grossen Hunger nach hoffnungsvollen Worten. Mutmachendes wollen die Leute in der Kirche hören, auch und gerade von uns Betroffenen. Aber ich persönlich bin an einem Punkt, wo ich so nicht mehr sprechen und schreiben kann. Ich habe jegliches Vertrauen in und jegliche Erwartung an die katholische Kirche verloren. Ich habe durch alles, was ich persönlich und an der Seite anderer Betroffener erlebt habe, was ich durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema und durch den Einblick in Akten gesehen habe, einfach eine Illusion verloren, an der so viele andere noch festhalten.» 

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In der anschliessenden Diskussion mit allen Preisträgerinnen und -trägern wurde jedoch auch klar, dass dieses Zusammenstehen der Betroffenen (nicht einfach nur «Opfer»), das Überwinden des Schweigens, Nährboden für etwas Neues werden kann. Dass diese Kirche mit diesen Machtstrukturen nicht mehr zu retten ist, aber eine neue Gemeinschaft dann wachsen kann, wenn alle endlich ernstnehmen, wie diese Verbrechen in der Kirche möglich wurden, welche Strukturen dies gefördert haben und noch immer fördern. Und wenn die Machtstrukturen endlich so verändert werden, dass diese Form von Missbrauch so nicht mehr geschehen kann.

 

Wer morgen das «kleine Bischofs-Jubiläum» feiert, sollte dies nicht tun, ohne auch Reisingers Rede aufmerksam gelesen zu haben! Wir haben sie ebenfalls auf unserer Homepage dokumentiert.

 

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Ein massgeblicher Beitrag zur Überwindung der Missbrauchsstrukturen ist die Prävention. Die beiden Präventionsbeauftragten Karin Iten und Stefan Loppacher haben einen «Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht» erarbeitet, auf den sich am fünften April alle Kantonalkirchen sowie die Bistumsleitung mit ihrer Unterschrift verpflichten wollen.

 

Dieser Kodex hat es in sich, verlangt er doch unter anderem, dass kirchliche Verantwortungsträger nicht mehr nach dem Beziehungsstatus der Mitarbeitenden fragen: «In jedem Fall unterlasse ich offensives Ausfragen zum Intimleben und zum Beziehungsstatus. Dies gilt auch für Gespräche, die ich als Vorgesetzte*r führe», so der Kodex.

 

Das katholische Nachrichtenportal kath.ch fragt deshalb, ob damit eine «Zeitenwende» in der kirchlichen Personalpolitik bevorstehe. Ob tatsächlich schwule oder lesbische oder nach einer Trennung ein zweites Mal verheiratete Seelsorgerinnen und Seelsorger keine Angst mehr haben müssen, ihre Anstellung zu verlieren, sollte ihre Beziehung ‘auffliegen’. Oder dass für sie eine kirchliche Beauftragung von vorne herein ausgeschlossen ist, wenn sie zu ihrer Liebesbeziehung stehen. Im April wird der Bischof auf diese Frage antworten. Glaubwürdig ist der Kodex nur, wenn es für die heute noch herrschende Doppelmoral eine klare Absage gibt. Das Bistum Basel bekräftigt derweil die alte Linie, das Bistum St. Gallen schweigt beredt. Geht unser Bistum Chur mutig voran?

 

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Einen glaubwürdigen Schritt wäre jedenfalls das, was der ebenfalls in dieser Woche veröffentlichte Schlussbericht des Synodalen Prozesses im Bistum Chur von der Kirchenführung fordert. «Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral» wird «dringend» angemahnt. Dabei solle nicht die Sexualität, sondern der Mensch im Zentrum stehen, unabhängig von seinem Geschlecht und seiner sexuellen Identität. Scheidungen soll nicht länger stigmatisiert und wiederverheiratete Geschiedene zu den Sakramenten zugelassen werden. Und weder Geschlecht noch Ehe «dürfen für die Zulassung zur Ordination/Weihe ein Hindernis sein».

 

Immerhin haben es diese Forderungen in den Schlussbericht geschafft, der offiziell vom Bischof approbiert und mit diözesanem Wappen versehen an die Medien verschickt wurden. Warten wir ab, was weiter damit geschieht. Das sagen sich wohl auch die Medien, die das 13-seitige Dokument bisher nicht aufgegriffen haben. Ankündigungen und Forderungen hat es schliesslich schon öfter gegeben. Jetzt immerhin mit bischöflichem Brief und Siegel.

 

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Jetzt aber genug der Kirchen-Debatte. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen beschäftigt uns leider weiterhin und ohne Hoffnung auf ein schnelles Ende des Schreckens. Ein spezielles Zeichen setzen die Zürcher Migrantenseelsorgen am Sonntag in der Zürcher Liebfrauenkirche. Sie feiern um 14 Uhr gemeinsam mit der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde einen Friedensgottesdienst im byzantinischen Ritus.

 

Ebenfalls an diesem Wochenende wird in allen Gottesdiensten in der Schweiz für die Opfer des Kriegs gesammelt. Die Hilfsbereitschaft ist auf allen Ebenen nach wie vor ungebrochen. Gleichzeitig möchte ich aufschreien, wenn einige Politikerinnen und Politiker (und selbsternannte Experten) die öffentliche Stimmung angesichts des Flüchtlings-Elends ausnutzen, um ihren Träumen von militärischer Aufrüstung freien Lauf zu lassen.

 

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Der päpstliche Nuntius in Syrien mahnte in diesem Zusammenhang daran, dass der Krieg dort in dieser Woche seit vollen elf Jahren andauert – und bei uns kaum noch wen interessiert. Auch der Krieg, den Saudi-Arabien mit westlichen Waffen im Jemen führt, geht weiter, wie auch die Kriege auf dem afrikanischen Kontinent. Wie wird wohl die Stimmung sein, wenn wir am 15. Mai über Frontex abstimmen? Damit soll ja genau das Gegenteil erreicht werden, nämlich Flüchtlingen den Weg nach Westeuropa zu versperren…

 

Der Krieg, die Propaganda, die Ohnmacht können einem das Herz zerreissen, aber auch den Kopf. Orientierung bieten kann das Gebet des Erzbischofs von Neapel, das Papst Franziskus am Mittwoch beim Angelus öffentlich vorgebetet hat:

«Herr, stoppe die Gewalt. Halte uns auf, Herr!»

 

Mit diesem Gebet im Herzen wünsche ich Ihnen allen einen gesegneten Sonntag.

 

Herzlich Simon Spengler

 

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Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.

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