Bischof Bonnemain: Gottesmann und Muskelmann
Knappe zwei Wochen blieben Kollege Simon Spengler und mir, um die gesamte Kommunikationsarbeit von null auf hundert heraufzufahren. Was dann folgte, kommt einem Dammbruch gleich: Livestream der Bischofsweihe in den drei Sprachen des Bistums, Gast in der Samstagsrundschau, ausführliches Interview in der Sonntagszeitung, in der Südostschweiz und mit kath.ch, in Radio und Fernsehen auf Sendung für alle Sprachregionen des Bistums, Besuch von der Rundschau und heute noch ein Portrait in der Schweizer Illustrierten: Wer neben Vorbereitungen zur Bischofsweihe und zum Amtsantritt souverän einen solchen Medienmarathon absolviert, muss körperlich und geistig höchst fit sein. Joseph Bonnemain ist beides.
So muss es sich anfühlen, wenn man eine Schleuse öffnet. Jahrelang bemühten sich etliche Medienschaffende um ein Interview mit dem Bischof und wurden immer abgeblockt – und jetzt nahm sich Joseph Bonnemain inmitten des anspruchsvollen Wechsels der Bistumsleitung Zeit für sie. Es waren mehr als Medientermine, denn in den Begegnungen entstand Dialog. Authentisch, ernsthaft und auch humorvoll. Ehrliche Begegnung auf Augenhöhe beeindruckt und hat Folgen. Sollte Bischof Joseph demnächst in einem Gottesdienst bekannte Gesichter antreffen, könnte es durchaus ein Journalist oder eine Journalistin sein, die nach vielen Jahren wieder einmal in die Kirche gehen. Nicht auszuschliessen ist auf jeden Fall, dass weniger die beim Gewichtstemmen antrainierte Kraft beeindruckt als vielmehr diejenige des Heiligen Geistes wirkt.
Begeistert war Alexandra Wey, dass sie als Keystone-Fotografin für den Auftrag der Bischofsweihe nach Chur geschickt wurde. Kurz vor dem Gottesdienst begegnete sie Joseph Bonnemain und gestand ihm, dass sie ziemlich nervös sei, «wissen Sie, das ist meine erste Bischofsweihe», worauf er lächelnd antwortete: «Ich bin auch nervös. Es ist auch meine erste Bischofsweihe».
Alles andere als nervös, nämlich freudig entspannt, zeigten sich beim Einzug in die Kathedrale die ehemaligen Generalvikare Martin Kopp und Josef Annen. Gezeichnet von jahrelangem Tragen schwerer bistümlicher Bürde folgte für die beiden mit dieser Weihe ein Ausklang mit bischöflicher Würde.
Kaum zum Bischof geweiht, war die Schonfrist für Joseph Bonnemain auch schon vorbei. Wie nicht anders zu erwarten, zogen einschlägige Internetseiten sofort lautstark und international koordiniert gegen ihn zu Feld, weil er Reformierten die Kommunion gegeben hatte. Was bei Bischof Huonder bei einer Kircheneinweihung akzeptiert war, wird Bonnemain als Sakrileg vorgeworfen.
Ein Beispiel am neuen Churer Bischof nimmt sich dafür Erzbischof Franz Lackner in Salzburg. Bei der Weihe von sieben Ständigen Diakonen warnte er vor Klerikalismus und bezog sich auf ein Schlüsselerlebnis, das den jungen Priester Bonnemain geprägt hatte.
Oft werde ich in letzter Zeit gefragt «Ist Bonnemain jetzt konservativ oder liberal?». Mit einem Lächeln lanciere ich jeweils eine Diskussion: «Weder noch. Er ist römisch-katholisch. Und Bischof.»
Der ehemalige Churer Professor Albert Gasser verweist in einem Kommentar darauf, dass die pauschale Etikettierung nicht taugt, weder kirchlich noch politisch.
In einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe von «Christ in der Gegenwart» bringt es der ehemalige Chef von Radio Vatikan, der Jesuit Bernd Hagenkord, auf den Punkt: Es geht nicht um das Gegensatzpaar liberal-konservativ, sondern um die Frage, ob jemand konstruktiv oder destruktiv wirkt. Damit verordnet sich gleich selber der Stellenwert von irgendwelchen selbsternannten Glaubenswächterportalen und deren Hasskommentaren, die im Internet irrlichtern. Offen bleibt höchstens die Frage, warum Bischöfe sich von diesen einschüchtern lassen.
Alles andere als einschüchtern lassen muss sich Bischof Joseph, wenn Peter Rothenbühler in der Weltwoche in einem offenen Brief an ihn schreibt, er sei eigentlich für die Medien eine schlechte Nachricht: «Wie sehr haben wir es doch genossen, über die reaktionären Bischöfe Haas und Huonder zu lästern.» Tja, lieber Peter Rothenbühler, das passiert eben, wenn für einen Bischof die Kirche für die Menschen da ist – nicht umgekehrt. Und: zusammen trauen wir Joseph Bonnemain vieles zu. Mutwort statt Drohbotschaft. Zuversicht statt Lichterlöschen.
Wenn wir mit dem Palmsonntag in die Karwoche hineingehen, durchleben wir die Wellenbewegung zwischen himmelhochjauchzend und hoffnungslos entmutigt. Die Erfahrung der Endlichkeit und Begrenztheit des Lebens fordert uns heraus. Über ihre Erfahrungen mit Sterben und Tod reden Sabine Zgraggen und Lisa Palm von der Spitalseelsorge in einer Sendung in Radio Maria.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Karwoche: Mit der Begeisterung des Palmsonntags. Der Gemeinschaft beim Brotbrechen am Hohen Donnerstag. Dem existentiellen Ausgeliefert-Sein am Karfreitag. Der stillen Orientierungslosigkeit des Karsamstags – und dann der befreienden Auferstehung, mit der alles in das ewige Leben bei Gott mündet.
Arnold Landtwing
Informationsbeauftragter Generalvikariat
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
Eine ganz besondere Freude war mir diese Woche zudem der von Noldi Landtwing zu Recht gewürdigte Kommentar meines Professors für Kirchenrecht, Albert Gasser.
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