Bio-Ehe und andere Kuriositäten
Freud und Leid können bekanntlich nahe beieinander sein, ebenso auch Scherz und Ernst. Oft so nah, dass man gar nicht recht weiss, was jetzt ein Witz und was ernst gemeint sein könnte.
Mir erging es so bei der Lektüre des sonst sympathischen bischöflichen Interviews in der NZZ von Montag. Da verurteilt Joseph Bonnemain die «Ehe für alle» und hofft auf ein Nein bei der Volksabstimmung im Herbst. Weil «Ehe» nur was sei zwischen Mann und Frau, die auch Kinder zeugen wollen. Warum? Weil es eben von Natur so ist und schon in der Bibel steht. Fertig. Homo-Segnung ist natürlich auch nicht möglich.
Weil aber der Bischof dem Volk nicht recht traut und fürchtet, es könne im Herbst anders stimmen, als die ewigen Wahrheiten der Kirche es vorsehen, fügt er an: «Wenn die Ehe für alle durchkommt, sollten wir vielleicht die aus der Bibel begründete Partnerschaft zwischen Mann und Frau neu benennen.» Sein Vorschlag: Wenn Männlein und Weiblein sich zusammentun, könne man das «Bio-Ehe» nennen. Künftig wird der Priester am Altar dem Brautpaar also sagen: «Schliesst das Band der Bio-Ehe.»
Was wäre das Pendant zu der «Bio-Ehe»? Die schmutzige, verseuchte, vergiftete Ehe, die deshalb kein katholisches Bio-Siegel kriegt?
Ganz im Ernst: Ist das jetzt ein Witz, oder meint das irgendwer ernst? Der deutsche katholische Kommunikationspapst Erik Flügge (sein Bestseller: «Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt» - was für ein Zufall…) findet es zumindest lustig und wird gleich kreativ: «Darf man in Chur noch Vorschläge einreichen? Dann bin ich für ‘kirchlich eingetragene Alnatura-Partnerschaft’».
Schluss mit lustig, es ist schliesslich ein ernstes Thema. Seriös wird das die Paulus Akademie angehen und lädt nach den Sommerferien zur Diskussionsrunde mit dem Ethiker Markus Zimmermann über «Segen für alle» ein. Sollten solche Runden nicht überall in der Kirche durchgeführt werden, mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Bischöfen und Kirchenvolk, Jung und Alt, Homos und Heteros und queer zu kirchenamtlichen Mustern? Nachholbedarf ist definitiv belegt. Auch der dringende Bedarf eines oder einer kirchlichen LGBTQ-Beauftragten – in Ergänzung zu den neuen Präventionsbeauftragten. Im Bischofsrat wären ja noch Sitze frei… Kein Witz!
Die nächste Nummer des katholischen Absurditätenkabinetts präsentiert Roland Graf, seines Zeichens Pfarrer in Unteriberg SZ und lautstarker Anti-Abtreibungs-Kämpfer, der zum Anti-Covidimpfung-Kämpfer mutiert ist. Per Pfarrblatt und Website warnt der Gottesmann, das Impf-Risiko sei für junge Menschen grösser als das Covid-Risiko. Seine Erkenntnis zieht er aus Expertisen der Anti-Abtreibungs-Organisation «Human Life», die er selbst präsidiert.
Das ist dem Bischof dann doch zu bunt. Im BLICK lässt er sich zitieren: «Komplexe naturwissenschaftliche Fragen gehören in Fachkreise. Das Pfarrblatt und die Website sind nicht der geeignete Ort dafür.»
Schade, dass bezüglich Homosexualität Erkenntnisse aus Medizin und Psychologie für die Kirche wieder nichts zählen.
«trotz allem» ist der Titel eines gerade erschienenen Buchs des in Bern wirkenden Pfarrers Nicolas Betticher. Untertitel: «Macht, Missbrauch, Verantwortung in der katholischen Kirche. Selbstreflexion eines Priesters.» Zwar mag der durch seine ‘welsche’ Spiritualität geprägte Schreibstil (er stammt aus Fribourg und war dort Kanzler, Offizial und Generalvikar, bevor er nach Bern wechselte) etwas fremd sein.
Was aber zählt ist Bettichers Mut, öffentlich über seine eigene Rolle als Priester im Rahmen klerikaler Machtstrukturen zu reflektieren: «Bei Priesterweihen wird es fast jedes Mal gesagt. Nein, Du steigst nicht auf, Nein, Du steigst hinunter, weil Du Diener aller Diener wirst. Aber so ganz stimmt das ja nicht (…) Man spricht vom Dienst – und jeder weiss doch, hier werden Macht und Verantwortung übertragen.» (S. 70) Genau darüber schreibt nun Betticher. Seine Analyse ist sicher nicht abschliessend (das Kapitel Männerkirche und Rolle der Frauen fehlt noch). «Trotz allem» ist das Buch ein wichtiger Anfang!
Ein wenig schräg in der Landschaft sass letzte Woche Schwester Ariane mit Pfarrer Wolf im Kreis der eleganten Business-Ladies vom «Female Innovation Forum». Diese Vereinigung von Unternehmerinnen und Investorinnen zeichnete das Engagement der beiden für die Bedürftigen auf der Langstrasse mit dem Award für soziale Innovation aus. Schwester Ariane nutzte die Gunst der Stunde, um ihre Botschaft zu platzieren: «Dieser Award steht für alle meine Freunde auf der Gasse und in den Bordellen, die täglich um ihre Existenz ringen». Manchmal kann ‘schräg in der Landschaft’ eben auch den Blick aufs Wesentliche lenken.
Solidarisch zeigen sich auch die beiden grossen Zürcher Kirchen mit den kleinen Religionsgemeinschaften, welche infolge fehlender Gottesdienste und damit ausbleibender Kollekten während des Lockdowns in Geldnot geraten sind. Gemeinsam mit dem Kanton stellen sie 300'000 Franken für Härtefälle zur Verfügung. Interreligiöses Miteinander ganz konkret. Nicht nur schön reden, sondern auch tun. Immer wieder.
Damit wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag mit hoffentlich auch heiteren Sonnenstunden,
Simon Spengler
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
ganz herzlichen Dank für Ihren erfrischenden Newsletter 'Grüss Gott 'von heute 9.7.2021!
Ich lebe seit 43 Jahren in einer 'Bio-Ehe' mit meiner Partnerin, zusammen haben wir vier Kinder gross gezogen, wir erfreuen uns mittlerweilse an sechs (Bio)Grosskindern ;-).
Unsere erwachsenen 'Kinder' interpretieren ihr religiöses Engagement mittlerweile eher kritisch - durchaus engagiert in gesellschaftlichen Fragen, kirchlich meist eher auf ziemlich viel Abstand.
Ich kann das gut verstehen. Aus meiner Sicht hat die Kirche es verpasst, einen offenen Dialog zu den brennenden Fragen unserer Zeit aufzunehmen. Nur nichts überstürzen, scheint das gängige Motto zu sein!
Eigentlich ist das schade! Eine moralische Instanz wäre auch in heutiger Zeit hilfreich. Nur haben sich die existentiellen Themen verändert. Sexualität mit oder ohne 'bio' ist da vergleichsweise ein Klacks...
Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Zeit!
Herzliche Grüsse
Georges Berli
früher vielseitig in der Kirche engagiert, heute ein wohlwollend-kritisch-distanzierter Mitdenker
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