Alter Wein in neuen Schläuchen
Just 50 Jahre nach der berühmten «Synode 72», deren Reformvorschläge samt und sonders in den tiefsten Schubladen bischöflicher Aktenschränke verschwanden, präsentierte gestern das Forschungsinstitut GFS seine Auswertung der jüngsten Befragung der Gläubigen im Rahmen des «synodalen Prozesses». Zunächst wurden die Antworten aus dem federführenden Bistum Basel ausgewertet, jene aus Chur und St. Gallen werden bald folgen. Sehr unterschiedlich werden die Antworten aber kaum sein.
Ausschluss von Frauen, Geschiedenen, Schwulen und Lesben, Diskrepanz zwischen Basis und Leitung, die ewigen Dauerbrenner dominieren auch diese neueste Umfrage und bestätigen einmal mehr, was wir alle längst wissen: Die Probleme lösen sich nicht einfach selber. Auch nicht dadurch, dass man den Affen spielt nach der Methode: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Die Strategie der bischöflichen Auftraggeber, die Diskussion auf das vage ‘wie Miteinander-Reden’ und ‘besser Aufeinander-Hören’ zu begrenzen, ging nicht auf. GFS stellt fest: «Für die heissen Eisen haben sich die Menschen mehr interessiert als für Themenfelder, die näher an der Synodalität selber sind». Fazit: Heisse Eisen schmiedet man mit dem Hammer, nicht mit warmer Luft.
War’s das jetzt? Hoffentlich nicht! Nächsten Monat wird eine ausgewählte Gruppe eine «diözesane Versammlung» abhalten und die Resultate in einem Bericht zusammenfassen. Der geht an die Bischofskonferenz, die aus den Berichten ihrer Diözesen wieder eine Zusammenfassung für die europäische Bischofskonferenz und die dann desgleichen für die weltweite Bischofsversammlung in Rom 2023 verfasst. Am Schluss entscheidet der Papst.
Wahnsinnig «synodal» kommt mir das ja nicht vor, aber egal. Relevanter ist eh, wie es nach dieser Befragung bei uns, in Zürich, im Bistum Chur, weitergeht. Was passiert hier vor Ort? Die neue Führungsequipe in Chur ist gefordert – und hat die Chance, zu beweisen, dass es ihr ernst ist mit der Erneuerung des Bistums. Bisher war noch wenig Begeisterung für diesen vom Papst verordneten «synodalen Prozesses» zu spüren. Es gibt noch Luft nach oben.
Zur neuen Führungsequipe in Chur gehören neu auch die drei Zürcher Luis Varandas (Generalvikar), Adrian Lüchinger (Pfarrer in Horgen) und Karl Wolf (Spiritual im Priesterseminar St. Luzi und Pfarradministrator in Küsnacht). Mit drei weiteren Priestern wurden sie gestern in Chur ins Domkapitel eingesetzt. An dieser Stelle beste Wünsche für ihr künftiges Wirken.
Gemäss Predigt des Bischofs sollen sie «Diakonie-Revolutionäre» werden und das Vermögen des Domkapitels vermehrt für soziale Zwecke einsetzen. Womit die Frage auf dem Tisch liegt, wie gross dieses Vermögen eigentlich ist und was bisher mit diesem Batzen angestellt wurde. Die «bischöfliche Mensa» ist wohl das bestgehütete Geheimnis am Churer Hof und wird eiserner gehalten als jedes päpstliche Geheimnis im Umfeld von Bischofswahlen.
Einer, der sicher von diesen Pfründen profitiert, ist Domherr Martin Grichting. Obwohl er keinerlei kirchliche Aufgaben mehr wahrnimmt, ausser Domherr zu sein, bezieht er entsprechende Tantiemen, residiert in der Dienstwohnung an bester Lage und lässt gemäss klerikaler Munkeleien seine schmutzige Wäsche (hier wörtlich gemeint) von den Mägden des bischöflichen Hofs waschen. Der gestrigen Amtseinsetzung seiner neuen Kollegen blieb er übrigens demonstrativ fern.
In seiner geheizten Residenz brütet er dafür über nächste Artikel in Schweizer und deutschen Postillen, in denen er – durchaus wortgewaltig - Kirchensteuern bekämpft, Bischöfe kritisiert und vor allem die Kantonalkirchen basht. Wobei, in einem Punkt seines jüngsten Beitrags muss ich ihm sogar Recht geben: Zu Corona habe auch ich von unseren Kirchenleitungen (in ökumenischer Eintracht) ausser frommen Wünschen noch kaum was Substanzielles gehört, schon gar nicht in der breiten Öffentlichkeit.
Mit seinem Kirchenbashing wechselt sich Grichting mit seiner Schwester im Geiste ab, der ehemaligen Studienleiterin der Paulus Akademie, Béatrice Acklin Zimmermann. Auch sie disst bei jeder Gelegenheit die Kirchen, wenn sie sich trauen, ihre Stimme zu politischen Fragen zu erheben.
So diese Woche wieder in der NZZ. De facto sollen Kirchen zu Politik schweigen und sich darauf beschränken, «die Würde des einzelnen Menschen anzumahnen», was auch immer das heisst. Dabei sollte die ehemalige FDP-Lokalpolitikerin Acklin Zimmermann in ihrem neuen Job für die neue, vom Wirtschaftsverband Economie-Suisse finanzierte, Stiftung Liberethica den Dialog zwischen Wirtschaft und Kirchen fördern. Wohin soll dieser Dialog führen, wenn den Kirchen nur immer um die Ohren gehauen wird, sie sollten sich raushalten? Lesenswert übrigens die Replik von RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch.
Zurück zum Anfang, zur Zukunft unserer Kirche. In einem Gastbeitrag auf dem Portal der Deutschen Bischofskonferenz katholisch.de schildert Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding Stärken und Schwächen unseres Schweizer dualen Kirchensystems und wie es zukunftstauglich gestaltet werden könnte.
Diese Frage ist dringlich, wird doch gemäss Statistiken im Kanton Zürich der Anteil der Bevölkerung, der Mitglied einer Landeskirche ist, eventuell noch dieses Jahr unter 50 Prozent sinken. Was bedeutet das? Für Politik und Gesellschaft, für die Ökumene, die nicht-anerkannten neuen Religionsgemeinschaften wie orthodoxe Kirchen und Muslime, für uns? Wir haben zu tun.
Wurstessen bei Froschauer: Zwingli war zugegen, soll aber nicht zugebissen haben. (aus «Zwingli- Der Film», Copyright C-Films)
Doch das Leben besteht nicht nur aus Arbeit, die Besinnung aufs Wesentliche stärkt unsere Kraft. Eine schöne Gelegenheit bietet sich am 6. Februar, wenn Schriftsteller Lukas Bärfuss im Grossmünster über die Seligpreisungen im Lukas-Evangelium» predigen wird. «Selig seid, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen», heisst es da. Und am 6. März werden wir übrigens auch gesättigt, wenn exakt 500 Jahre nach dem legendären Froschauer-Wurstessen vor dem Wahrzeichen von Zürich der Grill angefeuert wird.
Und zum Schluss noch dieser Reise-Tipp: Am Sonntag hat der Film «Brunngasse 8. Zeitreise nach Zürich» Premiere im Kino Kosmos, ab 20. Januar läuft er im Kino Houdini. Die Reise führt vom spätmittelalterlichen Zusammenleben von Juden und Christen in der Zürcher Altstadt bis zu unserem heutigen Zusammenleben mit Fremden. Eine Reise, die zu ganz neuen Einblicken führen dürfte.
In Vorfreude aufs Lachen, Schauen und Geniessen wünsche ich ein erholsames Wochenende und einen gesegneten Sonntag.
Herzlich, Simon Spengler
Der Inhalt dieses Newsletters gibt die persönliche Meinung des Autors oder der Autorin wieder. Diese muss nicht in jedem Fall der Meinung der Katholischen Kirche im Kanton Zürich entsprechen.
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