Kirche aktuell

Armutsforum der Caritas «Wird Familie zum Luxus?»

Projektleiterin Grundlagen und Sozialpolitik bei Caritas Zürich
Isabelle Lüthi
Isabelle Lüthi
Das diesjährige Armutsforum der Caritas Zürich diskutierte über Herausforderungen für Familien mit Kindern und wo es Handlungsbedarf gibt, damit Familie nicht zum Luxus wird. Isabelle Lüthi, Projektverantwortliche für das Armutsforum, blickt auf einen eindrücklichen Tag zurück.
05. November 2024

Gesprächsrunde Barbara Schöni Susanne Morf Claudia Schwarz.JPG
Gesprächsrunde mit Barbara Schöni, Susanne Morf und Claudia Schwarz am Caritas Armutsforum. Foto: zvg

Das Thema «Wird Familie zum Luxus?» ist hochaktuell und die brisante Frage, ob auf Kinder verzichtet werden muss, weil man sich eine Familie schlichtweg nicht leisten kann, scheint für immer mehr Menschen zur traurigen Realität zu werden. Darum haben wir uns als Caritas Zürich an unserem 18. Armutsforum dem Thema der Familien, die knapp über der Armutsgrenze leben, gewidmet. Das Forum war äusserst gut besucht und hat über 170 Teilnehmende aus Politik und Verwaltung, NGOs, der Kirche, der sozialen Arbeit, der Wirtschaft und weiteren Bereichen angelockt. Das hat uns gezeigt: Viele von uns beschäftigt es, dass das Geld für Familien immer knapper wird.

Björn Callensten, Direktor der Caritas Zürich, hat es in seiner Begrüssung so zusammengefasst:

«Familie – ein Begriff, der für viele von uns nach Geborgenheit, Verbundenheit, Liebe und Unterstützung klingt. Doch in Zeiten wachsender sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit wird dieser Begriff für einen Teil unserer Gesellschaft zunehmend zur Herausforderung, ja er rückt in weite Ferne.»

Diskurs auf Augenhöhe

Bei Caritas Zürich erleben wir diese zusätzlichen Belastungen von Familien täglich. Eltern, die sich keine Weiterbildung leisten können, um dem Niedriglohnjob zu entkommen. Kinder, denen das Geld für die Schulreise fehlt, Familien, die einfach keine bezahlbare Wohnung mehr finden und aus ihrem Quartier vertrieben werden.

Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Vergleich zu Haushalten ohne Kinder ist es für Haushalte mit Kindern deutlich häufiger schwierig, finanziell über die Runden zu kommen: 5 Prozent der Paare ohne Kinder haben Mühe, den Lebensunterhalt bestreiten zu können, bei Paaren mit Kindern sind es 9,9 Prozent. Der Übergang zur Elternschaft geht mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation einher. Ausserdem befinden sich auffällig viele Familien im Einkommensbereich knapp über der Armutsgrenze.

Für mich war an diesem Armutsforum besonders stark, dass die Stimmen von Menschen mit Armutserfahrung so präsent waren. Katharina di Martino, Kunsthistorikerin, alleinerziehende Mutter und Sozialhilfebezügerin hat in ihrem berührenden Grusswort von ihren eigenen Erfahrungen erzählt und für einen Diskurs mit armutsgefährdeten Menschen auf Augenhöhe plädiert.

Claudia Schwarz Farhat, Sozialversicherungsfachfrau und Mutter von drei Kindern, hat in einer Gesprächsrunde ebenfalls auf sehr ehrliche und eindrückliche Weise ihre Erfahrungen geteilt, was es bedeutet, mit sehr wenig Geld auskommen zu müssen. Sie hätte sich immer ein möglichst einfaches System der Unterstützungsleistungen gewünscht, das aus einer Hand kommt – und nicht so viele verschiedene Kässeli, wo man unzählige Anträge stellen muss und alles so kompliziert ist. Sie sagt:

«Ich stelle mir so etwas vor wie Ergänzungsleistungen für alle, die Schwierigkeiten haben, finanziell über die Runden zu kommen.»

Armut ist schambehaftet

Die Podiumsdiskussion zum Schluss war äusserst spannend: Die Teilnehmenden der Runde waren sich einig, dass das Thema Armut leider immer noch sehr schambehaftet ist und wir als Gesellschaft von dieser Stigmatisierung wegkommen müssen. Auch waren sie sich einig, dass es dringend eine bessere Unterstützung für Familien braucht, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Uneins waren sie sich darin, welche Menschen genau von mehr Unterstützung profitieren sollten und auch wer nun für die Unterstützung zuständig sei.

Mich hat es sehr gefreut, wie lebhaft dieses Podium war – das hat sich auch an den regen Wortmeldungen aus dem Publikum gezeigt: Es wurde kritisch nachgefragt, widersprochen, laut geklatscht und verschiedene Menschen, die selbst Armutserfahrungen haben, teilten ihre Ansichten und Wünsche. Als Caritas Zürich freuen wir uns, wenn das Armutsforum Plattform für genau solche Diskussionen sein kann.

Caritas Zürich fordert gezielte Massnahmen zur Bekämpfung von Familienarmut und eine Stärkung der Armutsprävention. Denn: Kinder zu haben, darf kein Armutsrisiko sein.

Konkret braucht es:
- Kantonale Familienergänzungsleistungen
- Ein Armutsmonitoring, um zu messen, wer von Armut betroffen ist und wie Armut effizient bekämpft werden kann
- Bezahlbare und verfügbare Kinderbetreuungsplätze
- Eine bessere Entlastung bei den Krankenkassenprämien
- Die Förderung von Bildungschancen
- Bezahlbaren Wohnraum
- Niederschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebtoe für Familien, die gut koordiniert sind

Weitere Informationen und Links zu den Referaten finden Sie hier.