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Was Poesie und Spiritualität verbindet

Was Poesie und Spiritualität verbindet
28. Februar 2019 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Poetry- und Preacher-Slam oder Sprachexperimente? Auf der Suche nach neuen religiösen Sprach- und Ausdrucksformen boten Impulsreferate und Workshops an einer Tagung in Zürich vielfältige Inspirationen.

„Mein Leben ist in der Gebetssprache nicht mehr unterzubringen“ – das Wort von Martin Walser artikuliert, was viele empfinden: Religiöse Sprachen versagen, weil sie sich nicht mit dem gelebten Leben verbinden. Der Titel einer Tagung des Churer Pastoralinstitutes und des TBI hätte dazu verleiten können, ein Feuerwerk origineller Sprachkunst abzufeuern. Doch die Referierenden – Christoph Gellner, Birgit Jeggle-Merz und Christian Cebulj – blieben realistisch und nüchtern auf der Ebene der Spracharbeit, wie sie an Literaten ablesbar und aus liturgiewissenschaftlicher und religionspädagogischer Sicht gefordert ist. Für das unumgehbare Ringen um Sprache lassen sich verschiedene Zugänge erkennen.

Die gegebene Sprache schätzen – neue Wege hinein bahnen

Gerade die literarische Welt, die Christoph Gellner präsentierte, hält erstaunlich viele Ermutigungen dafür bereit, die alte religiöse Sprache zu schätzen, als „Worte, an denen wir von früh auf gelernt haben, was Ehrfurcht ist“, und „ die uns wie Leuchtfeuer waren, als wir zu spüren begannen, dass das sichtbare Leben nicht das ganze Leben sein kann“ (Pascal Mercier). Zu beherzigen ist Fulbert Steffenskys Einladung: „Du darfst die alten Texte der christlich-jüdischen Tradition ernst nehmen“. So dürfte es angezeigt sein, das Ringen um Sprache immer wieder auch als Ringen um die gegebene Sprache zu vollziehen, um sie neu zugänglich zu machen.

Allerdings: diese Sprachformen, die für manche bewährt scheinen und Heimat sind, lösen bei anderen keine Resonanz aus. Die blosse Einladung an Menschen, die vorhandene religiöse Sprachkultur als Fremdsprache zu erlernen (die Sprache ist in Ordnung, man muss sie sich nur aneignen) würde deswegen zu kurz greifen.

 

Neue Sprache aufgrund von neu Gelebtem

Wenn Martin Walser beklagt, sein Leben sei in der Gebetssprache nicht mehr unterzubringen, dann stellt dies vor die Herausforderung, die religiöse Sprache aus dem Leben hier und heute neu zu entwickeln.

Das religiöse Sprachproblem hat seine Wurzeln in einem Wirklichkeitsproblem, in der Frage nach dem gelebten Leben, das in der religiösen Sprache zu Ausdrucksformen findet.

Auf den Punkt bringt dies die Formulierung von Dieter Wellershoff, es brauche einen „neuen Grund, fromm zu werden“. Es genügt nicht, alte Gründe neu zu formulieren, sondern im Leben ist neu zu entdecken, wie Religion und Glauben heute gründen. Stephan Sigg lud in einem der acht Workshops dazu ein, mit Phänomenen unserer Zeit zu beginnen und von ihnen geleitet religiöse Wirklichkeiten zu rebuchstabieren.

Mit dem Versagen von Sprache leben

Muss religiöse Sprache verstehbar sein? Wer zu Spracharbeit einlädt, wird darauf drängen, eine unverständlich gewordene Sprache zu überwinden. Das Ringen um Sprache lässt sich nicht mit Hinweis auf die Tradition negativer Theologie abkürzen. Die Unsagbarkeit Gottes war in dieser Tradition allerdings ohnehin nie Ausrede für Denk- und Sprachfaulheit, sondern das, was ganz am Ende des Auslotens und Überdehnens von Sprache steht. Darum unterläuft der Hinweis auf das Versagen der Sprache nicht die geforderte Spracharbeit. Vielmehr fordert sie dazu heraus, in das Sprechen die Dynamik auf das einzutragen, was nicht mehr aussagbar ist. Auch religiöser Spracharbeit darf nicht passieren, was Ulrike Draesners Kritik an Automatismen entlarvt: „Gott fehle wohl manchmal, werde aber kommen“.

Gott lässt sich in noch so guter Sprache nicht inszenieren.

Wohl allerdings – und dafür nahm Birgit Jeggle-Merz die Liturgie in Pflicht – ist Sprache in Texturen, in Kommunikationshandlungen so zu gestalten, dass sie über das Aussprechbare hinaus in Beziehung setzt.

Stille, die Türen öffnet

Der Schlusspunkt der Tagung führte bewusst in die Stille der Predigerkirche. Christoph Gellner schreibt zum Schlusspunkt der Tagung, der bewusst in die Predigerkirche führte:

« Der Zürcher promovierte Germanist Urs Faes setzte bei der Stille an, beim absichtslosen Warten in der Hoffnung, dass sich da etwas öffnet, etwas eintreten kann. Unerlässlich dafür ist Offensein, Geöffnetsein für das, was in der Stille zufallen kann. Wichtig ist für Faes die Welt in uns, das Lauschen auf das Hallen des Gedächtnisses. In der Stille finden wir ins Erinnern, mehr noch: „ins Sich-versenken zum gekelterten Augenblick, zu den Worten.“ So machten Schreibende und MystikerInnen kühne, gewagte neue Sprachentdeckungen. „Aber alle, die Sprache suchten, machten auch die Erfahrung, dass im Sprechen, in der Sprache auch immer etwas vom Geheimnis der Sprache bleibt: dass sie neben der Mitteilung des Mitteilbaren zugleich auch Symbol für das Nicht-Mitteilbare, für das Unfassbare und Unsagbare ist.»

Was kann von der Spracharbeit zeitgenössischer SchriftstellerInnen gelernt werden? Wie poetische Sprache ist auch religiöse Sprache nicht einfach Fertig- oder gar Besitzsprache, vielmehr stets auch Suchsprache.