Kirche aktuell

Raum der Stille im Sanatorium Kilchberg «Warum bin ich krank?»

Auf der Suche nach Antworten kommen viele Patienten der psychiatrischen Klinik Kilchberg in den Raum der Stille. Seitdem der Gartenpavillon im Klinikpark vor einigen Jahren umgestaltet wurde, gibt es hier auch Platz für Seelsorge und aktuell auch eine Kunstausstellung.
19. Juli 2023 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Erst Badehaus, dann Gartenpavillon, jetzt Raum der Stille. Die Umgestaltung haben die beiden christlichen Kirchen mitfinanziert. Neben Stille und Rückzug wurde damit auf dem Klinikgelände des Sanatoriums Kilchberg auch die Feier von Gottesdiensten möglich.

Und das trotz des eher ungewöhnlichen Ambientes, das der etwa 25 Quadratmeter grosse Pavillon durch sein Deckenfresko verliehen bekommt. Thomas Manns «Zauberberg» ist dargestellt. Nackte Frauen am Strand – Protagonist Hans Castorp träumt von paradiesischen Gefilden. Thomas Mann selbst war 1912 zu Besuch in einem Davoser Sanatorium. Zwei Jahre später erschien sein Roman über die innere Suche nach dem Sinn in den Schweizer Bergen.

Deckenfresko Raum der Stille im Sanatorium Kilchberg.
Den Pavillon schmückt ein Deckenfresko von 1932. Foto: Magdalena Thiele

Das Ergebnis dieser Suche ist nicht gerade gottesfürchtig und doch nicht störend, um genau hier einen Gottesdienst zu feiern, sagt Seelsorger Stefan Arnold. Viele der Patienten, die den Raum der Stille aufsuchen, suchen ebenfalls nach Antworten, weiss Arnold. Die Fragen «Warum bin ich krank und wo ist Gott?» kämen sehr häufig.

Eine zufriedenstellende Antwort gäbe es darauf nicht. Aber selbst wenn es eine gäbe, würde sie dem Erlebten nicht gerecht, das Leiden nicht weniger, erklärt der Seelsorger. Häufig sei auch das Thema Trauerbewältigung – nach Schicksalsschlägen wie dem Tod nahestehender Angehörigen. Jede Klinik sollte einen solchen Raum der Stille haben. Schliesslich sei Seelsorge ein wichtiger Teil des angebotenen Behandlungsspektrums.

«Die Leute brauchen keine frommen Sprüche, sondern Hoffnung.»

Gartenpavillon des Sanatoriums Kilchberg mit Raum der Stille.
Raum der Stille im Gartenpavillon des Sanatoriums Kilchberg. Foto: Magdalena Thiele

Auch wenn die Gottesdienste und Gesprächskreise am Mittwochabend auch von zwei christlichen Seelsorgern betreut werden, reformiert und katholisch, soll der Pavillon am Ende des Klinikparks für alle Konfessionen offenstehen. Kontakt zu einem muslimischen Seelsorger kann bei Bedarf hergestellt werden.

Deshalb wurde bei der Neugestaltung bewusst auf religiöse Symbolik verzichtet, erklärt Tobias Ballweg, leitender Psychologe am Sanatorium Kilchberg.  Alle Patienten seien eingeladen zum «Zauberberg» zu kommen und Abstand vom Alltag zu suchen und ihre Wünsche und Gedanken in das ausgelegte Buch einzutragen.

Von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends sind die Türen weit geöffnet. Nachts sei der Raum abgeschlossen, damit nichts beschädigt wird, sagt Ballweg. Insgesamt werde das Angebot aber sehr gut angenommen. Derzeit ist auch eine kleine Ausstellung im Raum der Stille zu sehen. Unter dem Titel «Ein Glück löste leuchtend vom Himmel sich los…» sind von einer ehemaligen Patientin gemalte Seelenlandschaften ausgestellt, die im Sanatorium entstanden sind.  

Ausstellung im Raum der Stille
Wunschbuch und ausgestellte Bilder im Raum der Stille. Foto: Magdalena Thiele

Im Sanatorium in Kilchberg werden jährlich über 2300 Patienten und Patientinnen betreut. Auf den zehn psychiatrischen Stationen arbeiten rund 650 Beschäftigte. Gegründet 1867 von Johannes und Maria Hedinger als Pflegeanstalt Mönchhof-Kilchberg, entstand hier eine der ersten psychiatrischen Einrichtungen im Kanton Zürich.