Würdigung von Max Rüedi Reduktion auf das Wesentliche
Vor sechs Jahren habe ich Max Rüedi und seine Frau Griete kennengelernt. Anlass waren Recherchearbeiten für Beiträge auf Wikipedia und das Buch "Sakrales Zürich". Zu klären galt es auch Fragen der Bildrechte. Max Rüedi wünschte sich, dass seine Werke von möglichst vielen Menschen betrachtet werden konnten. Deshalb schenkte er kurzentschlossen die Bildrechte einiger Werke, damit bedeutende seiner Werke auch online gezeigt werden können. Als ich ihn dezent darauf hinwies, dass andere Künstler auf den Bildrechten beharren, um so Geld zu verdienen, lachte er und sagte: "Ich nöd. Das isch mier gliich!"
Reduktion auf das Wesentliche
Klare Formen, bunte Farben und besonders die gewollte Reduktion auf das Wesentliche führen den Betrachter zum Nachdenken und damit in die Tiefe des menschlichen Daseins, das für Max Rüedi sowohl in seinem Werk als auch in seinem persönlichen Leben reich, kreativ und vielschichtig war.
Wien, München, Paris, Rom
Seine feurigen Augen, sein weisser Bart und seine Herzlichkeit waren das erste, was mir an Max Rüedi aufgefallen ist, als ich ihn und seine Frau Griete in ihrem alten Haus besucht habe. In diesem Haus war er bereits aufgewachsen - er lebte also 94 Jahre im gleichen Haus unweit der Kirche Bruder Klaus in Zürich-Unterstrass. Max Rüedi war aber alles andere als ein Stubenhocker. Schon als junger Mann trieb es ihn nach seinem Studium der Germanistik und Philosophie aus Zürich weg in die weite Welt. Wichtige Impulse erfuhr Max Rüedi zunächst in Wien und in München, später in Paris und Rom, wo er auch seine künstlerische Ausbildung abschloss. Nach seiner Heirat 1966 unternahmen Max und Griete Rüedi mit und ohne ihre Kinder immer wieder weite Reisen auf alle Kontinente, was sich dann wiederum in Max Rüedis künstlerischem Schaffen spiegelte.
Gesamtkunstwerk im Kloster Ilanz
Auf die Frage, welche Kunstwerke von Max Rüedi die wichtigsten im öffentlichen Raum sind, nenne ich als erstes den Glasfensterzyklus im Kloster Ilanz. In Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Alfred Huber und dem Architekten Walter Moser schuf Max Rüedi ein Gesamtkunstwerk, das alle Besucher/-innen in Staunen versetzt.
Die Glasfenster erzählen vom Weg Gottes mit den Menschen, angefangen vom Paradies, aus dem sich eine Schlange frech wegschlängelt. Dann ist da die Geburt von Jesus zu entdecken - gezeigt wird ein Kind im Mutterleib, das sich bereits für die Geburt gedreht hat. Je länger man aber das Glasfenster betrachtet, desto mehr wird einem bewusst, wie schlicht und genial zugleich die Werke von Max Rüedi sind.
Plötzlich entdeckt der Betrachter nämlich, dass es sich beim Kreis, der das Baby umfängt, nicht nur um den Mutterleib, sondern auch um eine Hostie handeln könnte. Die hellblaue Farbe deutet das Geheimnis unseres Glaubens an und verweist auf die Eucharistie, die im Zentrum dieses Kirchenraumes gefeiert wird. An die Decke der Klosterkirche hat Max Rüedi den Stern des Heiligen Dominikus gemalt, des Ordensgründers der Ilanzer Dominikanerinnen.
Aber auch in seiner Heimat Zürich schuf Max Rüedi etliche Werke, die mich berühren und die Beachtung verdienen: kleinere Werke in den Kirchen Bruder Klaus Zürich-Unterstrass, Allerheiligen Zürich-Neuaffoltern oder St. Michael Zollikerberg.
Sonnengesang des Heiligen Franziskus
In der Zürcher Kirche St. Franziskus Zürich-Wollishofen schuf Max Rüedi sein grösstes Werk, nämlich einen Zyklus aus 27 Glasfenstern, die den Sonnengesang des Franz von Assisi darstellen. Witzig ist das Weihnachtsfenster, auf dem nur Ochs und Esel zu sehen sind, wie sie Stroh fressen und vielleicht dem Jesuskind seine weiche Unterlage aus der Krippe stehlen.
Ungewohnte Werke wurden wieder entfernt
Vom Leid der Trennung der Katholiken und der Reformierten erzählte das Glasbild mit dem gegeisselten Heiland, durch das man von der katholischen Kirche zur reformierten Kirche Auf der Egg sehen konnte. Beide Glasfenster waren den Wollishofern wohl zu ungewohnt, sodass sie bei der letzten Renovation der Kirche ausgebaut und die Fensternischen zugemauert wurden. Die beiden Glaskunstwerke blieben aber erhalten und warten darauf, die Menschen wieder zum Nachdenken zu bringen, genauso wie Max Rüedis Glasfensterzyklus aus der Kirche St. Theresia Zürich-Friesenberg, der aus der Werktagskapelle wieder entfernt wurde.
Ein offenes Haus für Menschen am Rand
Berührt hat mich die Menschlichkeit von Max und Griete Rüedi. Ihr Haus stand allen offen, auch den Clochards, die manchmal in Not waren und auf die unkomplizierte Hilfe der beiden Rüedis zählen durften. Dreckige Kleider wurden gewaschen, das Essen mit den Clochards geteilt - die Herzlichkeit des alten Ehepaars strahlte all seinen Gästen entgegen.
Max Rüedis Kunstwerke erzählen dem Betrachter vieles und sie sind überall zu finden: auf Wikipedia, in etlichen Publikationen, aber auch an Hauswänden und Glasfenstern beim Limmatplatz, an den Türen des Schulhauses Staudenbühl in Seebach, dem Portal der Lazariterkirche Gfenn bei Dübendorf und nicht zuletzt in zahlreichen modernen Sakralbauten in Zürich und der ganzen Deutschschweiz.
Kommentare anzeigen