Buch von Martin Werlen Raus aus dem Schneckenhaus!
Wer den ehemaligen Einsiedler Abt Martin Werlen kennt, dem schwante bereits bei der Einladung zur Buchvorstellung ins Kloster St. Elisabeth im liechtensteinische Schaan, dass Ort und der Untertitel des neuen Buches «Raus aus dem Schneckenhaus! – Nur wer draussen ist, kann drinnen sein» alles andere als zufällig sind. Und offensichtlich hatte auch Petrus seine Freude daran, denn angesagt war Regen und stattgefunden hat der Anlass bei strahlendem Sonnenschein.
Draussen ist mittendrin
Auf die Frage warum er ausgerechnet eine Buchpräsentation «draussen» in Liechtenstein und nicht in Österreich oder der Schweiz macht, antwortete er lächelnd: «Weil es in der Mitte liegt. Und weil es oft übersehen wird. Bei einer Ansprache in Zürich sagte ich vor zwei Jahren «Vergessen wir die Gläubigen im Fürstentum Liechtenstein nicht!» Das kann ich heute konkret umsetzen. Zur Lösung eines Problems in der Schweiz wurde für die Kirche im Fürstentum Liechtenstein eine nicht nachvollziehbare Lösung getroffen. Darunter leiden viele Getaufte hier.» (Gemeint ist die Versetzung des damaligen Churer Bischofs Wolfgang Haas und die Errichtung des Erzbistums Liechtenstein). In seiner Begrüssung erinnerte er dann auch an den Verein für eine offene Kirche und engagierte Gläubige, die im Kloster St. Elisabeth Kirche leben.
Buch mit Warnhinweis
Filme sind mit einem FSK-Warnhinweis versehen, auf dem neuen Buch Werlens prangt ein roter Warn-Button: «Von Pharisäern mit Vorsicht zu geniessen!» Darauf angesprochen, führt der Autor aus: «Der Pharisäer, das bin ich. Das bist du. Das ist jeder Mensch. Mit Vorsicht zu geniessen bedeutet: nicht leicht darüber hinweggehen, sondern sich herausfordern lassen, hinzuschauen auf das, was ich vielleicht bisher gar nicht beachtet habe. Dieses Buch kann man nicht einfach verschlingen und dann ist es vorbei, man muss sich Zeit nehmen dafür.» Obwohl er die Rolle der Pharisäer nicht einer bestimmten Personengruppe zuordnet, gesteht er mit erfrischender Offenheit in einem Interview mit katholisch.de ein, dass er als Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz auch miterlebt hat, «dass die pharisäischen Kreise sehr dominant in der Kirche sind. Bischöfe, die merken, dass eine Reform eigentlich dringend wäre, haben nicht den Mut, Schritte zu tun, weil sie sich vor den Reaktionen fürchten – oder sie werden von Leuten blockiert, für die alles beim Alten bleiben muss.»
Ein eigenes Kapitel: Die Churer Bistumsleitung
Besonders gefreut hat ihn, wie der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl anlässlich einer Orgelweihe tags zuvor den Gedanken der Pharisäer auf- und wahrgenommen hat und in seiner Predigt sagte:
«Ich gestehe: die Haltung des Pharisäertums, das im jüngst erschienen Buch des früheren Abtes von Einsiedeln, Martin Werlen, thematisiert wird, ist auch mir nicht fremd - und Bekehrung tut diesbezüglich not.»
Dass Hüter des Glaubens dem Glauben im Weg stehen, ist für Martin Werlen von derartiger Aktualität, dass er in Kapitel 7 seines Buches (hier in der Leseprobe Seite 16 zu finden) von einer Bistumsleitung schreibt, die sich «offensichtlich schon lange von den Menschen verabschiedet.» Im konkret ausgeführten Zusammenhang unschwer zu erkennen ist, dass diese seine Analyse die Churer Bistumsleitung meint.
Dialog bedeutet: Vom Podest herunterkommen
Wenn Martin Werlen von Dialog schreibt, dann ist ihm das grosse Machtgefälle wie in der Kirche bewusst, bis hin zu Situationen, in denen kein Gespräch mehr stattfindet. Dialog bedeutet für ihn, dass «Verantwortungs- und Amtsträger den Weg zu den Menschen suchen, von ihrem Podest herunterkommen. Das ist eine Konsequenz der Menschwerdung Gottes. Gott will nicht von oben herab reden, sondern wird selber Mensch und spricht von Mensch zu Mensch. Das haben wir ein Stück weit stark verloren, denn heute fällt es leider(!) auf, wenn ein Amtsträger mit den Menschen ist. Die Autorität von Getauften bemisst sich nicht, wie hochgestellt einer ist, sondern wie er bei den Menschen ist. Das ist eine Autorität in der Nachfolge Jesu.»
(K)ein Buch für Theologen
Bewusst hat er «Raus aus dem Schneckenhaus» nicht in erster Linie für Theologen und Theologinnen geschrieben, sondern «für Menschen, die ringend, suchend sind und keine Bibel zur Hand haben. Deshalb sind die Bibelstellen auch ausgeführt. Wir sind miteinander auf dem Weg, wir helfen einander einen Weg zu finden, zu entdecken. Es geht nicht um Besserwissen, sondern um Erfahrung, Erfahrung mit diesem Gott, der manchmal so schwierig zu verstehen ist. Es ist ein Glaubensbuch.»
Gelebter Glaube ist Provokation
Und genau das ist auch die Provokation, die Martin Werlen mit seinem neuen Buch setzt und die ermutigend gehörig für Bewegung sorgen wird:
«Den Glauben leben! Das, was wir beten und verkünden auch leben! Nicht etwas feiern, das mal gewesen ist, sondern es heute Wirklichkeit werden lassen!»
Schon angekommen ist der Impuls bei Bischöfen: so sind erste Anfragen bereits eingegangen, ob Martin Werlen den Seelsorgenden einer ganzen Diözese eine Woche lang zum Thema des Buches Exerzitien halten möchte. Klarer Fall: er hat zugesagt.
Martin Werlen: Raus aus dem Schneckenhaus! Nur wer draussen ist, kann drinnen sein, Freiburg: Herder 2020, 176 Seiten, ISBN 978-3451392047 erhältlich u.a. in der theologischen Buchhandlung Strobl an der Weinbergstrasse 20 in Zürich zum Preis von Fr. 27.90
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