Kirche aktuell

Frauenkonferenz in Rom Public Viewing mit den Nonnen

Katholische Theologin, Seelsorgerin in den Bundesasylzentren in Zürich
Jeanine Kosch
Jeanine Kosch
Etwa 40 Frauen und Männer verfolgen am 3. Oktober im Kloster Fahr gemeinsam mit den Schwestern den Videostream zur Konferenz der Ordensfrauen in Rom. Unter den Referentinnen dort ist auch Priorin Irene. Sie diskutiert mit Bischof Felix Gmür über Mitbestimmung von Frauen in der Kirche. Jeanine Kosch schildert ihre Eindrücke beim ungewöhnlichen Public-Viewing hinter Klostermauern.
07. Oktober 2019

Es war eine aufgeregte Stimmung im Kloster. Die Schwestern sind stolz auf Ihre Priorin. «Wir sind froh, haben wir sie», sagt eine Schwester, während sie nervös die Stühle zurechtrückt. Der Techniker ist auch nervös, denn noch immer ist nur das Standbild sichtbar. Endlich tut sich etwas in Rom – wenigstens auf dem Bildschirm. Die grosse Delegation aus der Schweiz – Priorin Irene ist mit sieben Schwestern aus dem Fahr zur Konferenz angereist – wird eigens begrüsst. Die Daheimgebliebenen im Fahr klatschen, dann herrscht angespannte Konzentration.

Allgemeines Kopfschütteln, als eine Schwester aus Schweden in ihrem Referat beklagt, dass ihr die Predigterlaubnis wieder genommen wurde. «Wo ist die Redefreiheit in dieser männlichen hierarchischen Struktur? Sonntag für Sontag sind wir den Glaubensaussagen ausgesetzt, welche nur von Männern kommen. Da reicht die inklusive Sprache nicht aus. Frauen, Schwestern sind reich an Glaubenserfahrungen, aber nicht befugt, diese auszutauschen, sie sind zum Schweigen gebracht worden.» Die Fahrer Schwestern schauen mich ungläubig an, als ich sage, dass uns das im Bistum Chur auch so ergangen ist.

Slider

Als dann Priorin Irene und Bischof Felix unter der Leitung von Regula Grünenfelder (SKF) zu reden beginnen, wird es still im Saal, sogar die Kühe draussen gebenkeinen Mucks mehr von sich. Priorin Irene erläutert ihren Traum einer frauengerechten Kirche: «Alle Getauften leben aus der Kraft des Evangeliums, stärken sich gegenseitig und lassen sich heilen aus den Sakramenten. Das bedeutet, dass Frauen und Männer berechtigt sind, Sakramente zu spenden.» Die Schwestern im Raum nicken, als ihre Priorin redet, und ich glaube, die meisten wären auch bereit, die nächsten Schritte zu gehen: Zuzulassen, dass eine Schwester der Gemeinschaft das Sakrament der Krankensalbung und das Sakrament der Versöhnung spenden. Und, wer weiss, dass irgendwann einmal die Schwesterngemeinschaft ohne eingeflogenen männlichen Priester Eucharistie feiern kann. Denn nicht nur für die Priorin, für alle Schwestern im Fahr sind Sakramente Teil der katholischen Tradition, es sind Zeichen für mehr als nur das, was wir sehen. Für sie sind Sakramente ein Schatz. Was geschieht, wenn niemand mehr diesen Schatz spenden kann? Die Amazonassynode wird auch darüber sprechen, aber leider werden Ordensfrauen und Laien bei den anstehenden Entscheidungen kein Stimmrecht haben.

«Der Bischof ist ein Armer»

Bischof Felix liefert auch gleich eine Erklärung: «Wir müssen die Wirklichkeit sehen, wie sie ist. Es ist überall anders, im Bistum Basel, in Schweden, ... Frauen und Männer sind in erster Linie Menschen und müssen gleich behandelt werden und sich gleich einbringen.» Im Raum ertönt Gemurmel. Jemand sagt: «Er ist ein Armer» gemeint ist der Bischof als einziger Mann in der gesamten Runde der Rednerinnen. Beim anschliessenden Lunch stelle ich die Frage: Weshalb ist der Bischof ein Armer?

Er hätte mutiger sein sollen, weniger allgemein bleiben, klarer reden heisst es da etwa. Eine Schwester bringt es auf den Punkt: «Er ist halt Bischof! Er kann nicht anders.» Aber er hat sich den Fragen gestellt, ist mit nach Rom gefahren und er erkennt das Problem, da war man sich einig. Die Frage, wieviel Handlungsspielraum ein Bischof hat, konnte nicht endgültig geklärt werden.

Auch wenn an diesem Tag keine wirklich neuen Erkenntnisse ans Licht kamen, ich spürte dennoch eine Kraft, oder wie es eine Rednerin in Rom sagte: «Wut kreiert Engagement!» Bei den Schwestern im Fahr ist dieses Engagement da, sie sind entschlossen, den Weg weiterzugehen, nicht stehenzubleiben, nicht hinzunehmen, dass die Rolle der Frauen nun halt so ist, wie sie ist. In der Kraft des Glaubens gehen sie ihren Weg Schritt für Schritt. So stehen denn auch alle auf im Raum, als aus Rom das «Gebet am Donnerstag» übertragen wird. Frauen aus allen Erdteilen und in verschiedenen Sprachen beten zusammen mit der Priorin: «Gott du unsere Mutter und unser Vater, im Vertrauen darauf, dass du mit uns auf dem Weg bist, gehen wir weiter mit und in der Kirche; in der Tradition all der Frauen und Männer, die vor uns und für uns geglaubt und gelebt haben.» Ein ergreifender Moment, die eine oder andere wischt sich gar verstohlen ein Träne ab.

Verschlossene Herzen in Rom

Am Sonntag sind dann wieder alle Schwestern im Fahr versammelt zum Gottesdienst. Irgendwie hat die Stimmung etwas Pfingstliches. Alle sind sich einig: Dass Schwestern aus allen Kontinenten anwesend waren, dass sozusagen die ganze Welt versammelt war, das gab Kraft! Das Anliegen für eine geschwisterliche Kirche ist kein Partikularinteresse, wir sind viele! Besonders eindrücklich war für die Priorin der Abend vor der Pforte, hinter welcher Kirchenmänner die Synode vorbereitet haben. Die Frauen beleuchteten die Pforte mit Slides und standen betend VOR der Tür. Die verschlossene Tür stand da sinnbildlich für die verschlossenen Herzen. «Ja, sie ist real, diese Parallelwelt,» sagt die Priorin, «es ist nicht einmal Verhärtung, es ist einfach Ignoranz zu spüren an vielen Orten.» Trotz der harten Realität bleiben die Schwestern optimistisch, sie wollen weitergehen, Schritt für Schritt.

Immer wenn ich kurz vor dem Verzweifeln bin an unserer Kirche, beindrucken mich diese Schwestern, die teils seit 50 Jahren im Kloster sind, mit ihrer Lebendigkeit und Tatkraft. Nein, wir Frauen lassen uns nicht unterkriegen von 0.1% geweihten Männern der katholischen Gläubigen. Die Ordensfrauen gehen dann schon einmal voran.