Ausstellung «Nonnen» im Landesmuseum Mächtige Frauen im Mittelalter
Elisabeth. Von Wetzikon. Elisabeth von Wetzikon. Kennen Sie nicht? Der Name sagt Ihnen nichts? Macht nichts. Bis vor Kurzem ging es mir genauso. Und das ist das eigentlich Empörende daran. Bin ich doch durch ein intensives Hochschulstudium gegangen und habe noch nie von dieser Frau gehört. Dabei nenne ich sie die inoffizielle Königin der Schweiz. Das ist natürlich falsch. Weder gab es zu Lebzeiten von Elisabeth (1235-1298) die Schweiz, noch eine Königin. Und trotzdem: Wenn man sich diese geballte Macht, die diese Ordensfrau innehatte, vor Augen führt, dann ist das schon was! Sie war die Äbtissin der Fraumünsterabtei. Richterin und Stadtherrin von Zürich. Sie hat die Pfarrer der Stadtkirchen in Zürich ernannt. Sass als Reichsfürstin im Rat des Heiligen Römischen Reiches. Ihr Verwalter der Klostergüter war der Landamman von Uri und spielte bei den ersten Bündnissen zwischen den drei Waldstätte-Kantonen Uri, Schwyz und Nidwalden eine wichtige Rolle. Dem Kloster gehörten Ländereien vom Elsass bis in die Innerschweiz, sie war Bauherrin (den Münsterhof haben wir so ihr zu verdanken) und empfing den König des Heiligen Römischen Reiches, Rudolf von Habsburg, höchstpersönlich. Sie war Managerin und oberste Bankerin, hielt sie doch das Münzrecht inne. Und sie ist abgebildet mit einem kleinen Schosshündchen unter dem Arm und einem sich vor ihr verbeugenden Pilger.
Musik, Medizin und Mönche
Wer behauptet, Frauen hätten damals keine Rechte und Möglichkeiten gehabt, der irrt. Wohlgemerkt: In dieser Ausstellung geht es um Klosterfrauen, speziell auch um mächtige Äbtissinnen und damit meist Frauen aus dem Hochadel. Wer die bekannte Hildegard von Bingen als «einfache Frau des Volkes», wie sie von Anhägern des Hildegard-Fanclubs oft genannt wird, bezeichnet, der hat ein falsches Bild. Auch sie stammt aus dem Hochadel, eine Aristokratin durch und durch, konservativ und lässt nur adlige Frauen in ihren Klöstern zu. Nichtsdestotrotz: Sie hinterlässt uns die wunderbarsten Klänge, geheimnisvolle Darstellungen mystischer und erotischer Visionen und ein phytomedizinisches Wissen, das sogar teilweise der modernen Medizin das Wasser reichen kann.
Die Ausstellung «Nonnen - Starke Frauen im Mittelalter» im Landesmuseum Zürich überzeugt durch ihre Mischung aus bekannten und unbekannten, aber nicht minder wichtigen und mächtigen Klosterfrauen, den respektvollen Umgang auch mit delikaten Themen (wie Beziehungen zwischen Nonnen und Mönchen und ja: Seit letztem Herbst wissen wir, dass auch die berühmte Katharina von Zimmern, Äbtissin des Fraumünsters bis zur Reformation, bereits im Kloster eine erste Tochter gebar) und nicht zuletzt durch hochkarätige Exponate und die geschmackvolle Inszenierung.
Dunkles und dreckiges Mittelalter? Nein.
Als langjährige Vermittlerin im Nationalmuseum habe ich schon unzählige Gruppen und Schulklassen durch alle möglichen Dauer- und Wechselausstellungen geführt und dennoch vermag mich diese Ausstellung abermals zu verzaubern. Sie entführt in eine Zeit, in die wir uns immer wieder als Fremde hineinfühlen und uns unserer klischeehaften Vorstellungen und Vorurteilen entledigen müssen. Nein, die Frau im Mittelalter war nicht während 1000 Jahren unterdrückt, macht- und wehrlos und nein, das Mittelalter war nicht während 1000 Jahren dunkel, düster und dreckig! Die Ausstellungsobjekte leuchten und glänzen in allen Farben nicht minder als die Visionen von Hildegard von Bingen und wir treffen selbstbewusste und selbstbestimmte Nonnen als Herrscherinnen, Ärztinnen, Politikerinnen, Kunsthandwerkerinnen, Theologinnen, Wissenschaftlerinnen, Komponistinnen, Literatinnen und vieles mehr an. Nicht vernachlässigt werden dabei die spirituellen Aspekte. Das schöne Licht und die wunderbaren zeitgenössischen Klänge lassen einen ehrfürchtig in diese Welt voller (frauen-)mystischer Religiosität eintauchen und bei der Statue der «trauerden Maria» hat mich der Anblick ihrer kaum sichtbaren Tränen gepackt und dem Alltag entrissen, was auch in der heutigen Zeit für eine Frau des 21. Jahrhunderts ab und zu wohltuend ist.
Kommentare anzeigen