Hauptbahnhof Zürich Klostermarkt - von Rosenkranz bis Gintasting
Seit Donnerstagabend wird in der grossen Bahnhofshalle aufgebaut. Einige schwarze Kutten und weisse Schleier sind am Freitagmorgen zu sehen. Daneben Ordensleute und viele Helfer in zivil. Kisten werden angeliefert und ausgepackt. Schliesslich soll es für ganze zwei Tage reichen: Freitag und Samstag, jeweils von 11 bis 19 Uhr findet im Zürcher Hauptbahnhof das erste Mal der «Klostermarkt» statt.
Rund zwanzig Ordensgemeinschaften aus der Schweiz, Österreich und Deutschland präsentieren sich einem eher weltlichen Publikum von tausenden Pendlern und Reisenden, die täglich hier vorbeikommen.
Pater Thomas Fässler - Initiator des Klostermarktes
Die Idee dazu hatte der Benediktinerpater Thomas Fässler nach einem Besuch im Unterwallis. Der 38-jährige Mönch aus Kloster Einsiedeln möchte neue Wege der Begegnung wagen:
«Es geht hier nicht primär ums Verkaufen, viel wichtiger ist es, mit möglichst vielen Menschen ausserhalb des Ordenslebens ins Gespräch zu kommen – sichtbar und ansprechbar zu sein.»
Pater Thomas wurde katholisch sozialisiert, ging auf die Klosterschule in Einsiedeln, dann Studium und Mönchskarriere. «Ich sage immer, ich hab‘s im Leben nicht weit geschafft», lacht der Benediktiner im dunklen bodenlangen Habit, der für seine Promotionsarbeit über das Kloster Einsiedeln von der Universität Bern ausgezeichnet wurde.
Pater Martin Föhn - Ordensmann auf den zweiten Blick
Anders als er ist Jesuit Pater Martin Föhn nicht auf den ersten Blick als Ordensmann identifizierbar. «Wir Jesuiten orientieren uns an den Weltpriestern», erklärt Pater Martin. Auch er sei «stockkatholisch» aufgewachsen. Seinen Weg ins Kloster habe er aber erst nach seinem Studium der Religionspädagogik während Exerzizien gefunden.
Das Leben in der Gemeinschaft habe ihn überzeugt, erinnert er sich. Leider hätten die meisten Menschen heute keinerlei Vorstellung mehr davon, wie vielfältig das Ordensleben und auch die Ordenslandschaft ist, sagt Pater Martin. «Die Leute haben oft vergessen, was für eine reiche Tradition die Orden bieten.»
Deshalb müssten die Klöster verstärkt auf die Leute zugehen - das Gespräch suchen, ohne gleich missionieren zu wollen.
Ins «Schwatzen» wollen die Veranstalter mit den Marktbesuchern kommen, heisst es deshalb auf der Homepage des Klostermarkts.
Neben dem reinen Verkauf von Kerzen, Gebäck und Klostergin gibt es dafür zahlreiche Mitmachangebote. Neben dem Drechseln mit Bruder Anton aus der Benediktinerabtei Einsiedeln, steht zum Beispiel Rosenkrankzknüpfen und Kerzenverzieren mit Schwester M. Monja Schnider oder Ikonenmalen mit Schwester Erasma Höfliger auf dem Programm. Ganz ausser Konkurrenz läuft die Kirchturm-Kugelbahn, nicht nur für Kinder.
Schwester Deborah - Informatikstudium und Klosterleben
«Die Leute sollen sehen, dass es uns noch gibt», sagt Schwester Deborah aus dem Dominikanerkloster Cazis. Ihr cremeweisses Ordensgewandt fällt jedenfalls auf am Züricher Hauptbahnhof – das hilft schon einmal.
«Und wir wollen zeigen, dass wir gar nicht so steif sind, wie manch einer denkt», schmunzelt sie. «Kloster, nie im Leben», habe sie lange Zeit ihres jungen Lebens gedacht. Mit 29 ist sie dann doch ins Kloster eingetreten. Ihr Informatikstudium habe sie ausgelaugt, eine Freundin sie zu einer Auszeit im Kloster Cazis mitgenommen. Da sei Sie dann geblieben, erinnert sich Schwester Deborah.
«Der Klostermarkt ist für uns eine grosse Chance, den Menschen vom wahren Klosterleben zu erzählen. Auch, wenn wir ab 21 Uhr Stillschweigen vereinbart haben, können wir auch später nach Hause kommen.»
Ihr Kloster bietet sowie die Jesuiten von Pater Martin dafür auch Klosterauszeiten an. Und die Klosterpforten stehen nicht nur Katholiken offen.
Das Angebot sei nachgefragt, berichtet Pater Martin. Oft haben wir Wartezeiten von bis zu einem Jahr.
Zürcher Hauptbahnhof - Klostermarkt am Puls des Lebens
Solange müssen Besucher des Klostermarkts heute nicht warten, um ein wenig Klosterluft zu schnuppern. Und neben dem geistlichen Input gibt es Kaffee, Kuchen und Bratwurst. Für Letzteres hat Bischof Bonnemain extra den Marktbesucher eine Fleischerlaubnis für den Freitag erteilt, ist auf einer Tafel am Grillstand zu lesen.
Ob der Markt auch im kommenden Jahr wieder stattfinden wird, das sei noch offen, sagt Pater Thomas. Er und sein Organisationsteam von sieben Leuten hätten es bei der Organisation nicht immer einfach gehabt. «Die SBB war bei der Anmietung der Bahnhofshalle ganz offen uns gegenüber – die hatten keinerlei Berührungsängste mit Geistlichen.»
Auch die Sponsoren hatten sie relativ bald beisammen. Nur die Klöster zum Mitmachen zu bewegen, war etwas schwieriger. «Viele Gemeinschaften trauten sich das Projekt erst nicht zu», sagt Pater Thomas. «Aber wenn ich das tolle Ergebnis sehe, bin ich froh, dass wir nicht aufgegeben haben.»
Der Markt ist jedenfalls schon gut besucht am Freitagmittag. Vielleicht hat da auch der Heilige Geist etwas mitgeholfen: Wer den Blick schweifen lässt, entdeckt unweigerlich die stilisierten Tauben, die die Glasfassade oberhalb der wartenden Züge schmücken.
Der Klostermarkt im Hauptbahnhof wurde von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich als Hauptsponsor mitgetragen.
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