Weltgebetstag der Frauen «Frauen entscheiden in Taiwans Kirche»
Die Theologin Brigitte Fischer Züger kennt in Taiwan Land und Leute aus persönlicher Erfahrung. Von 1998 bis 2004 lebte und arbeitete sie im Auftrag der Betlehem Mission Immensee in Taiwan und war theologische Mitarbeiterin einer Fachstelle der Asiatischen Bischofskonferenzen in Taipeh. Nach der Rückkehr aus Taiwan war sie neun Jahre lang bei der Betlehem Mission Immensee zuständig für die Einsätze von Fachpersonen auf den Philippinen, in Taiwan und China.
Heute arbeitet sie im Generalvikariat Urschweiz und ist Co-Leiterin der Stabsstelle Personal des Bistums Chur sowie Bereichsleiterin Personal für die Bistumsregion Urschweiz und Italienischbünden. Mit ihr hat sich Studienkollege Arnold Landtwing über den Weltgebetstag und Taiwan unterhalten.
Welche Bedeutung hat die katholische Kirche in Taiwan?
Taiwan ist ein multireligiöses Land, das generell Religionen gegenüber sehr offen ist, auch für die christliche. Die Verfassung schützt das Recht auf Religionsfreiheit. Die Bedeutung der katholischen Kirche entspricht nicht der Prozentzahl der Christen, die etwas mehr als 5 der 23,8 Millionen Einwohner ausmachen. Anzahlmässig zu den grössten Religionsgruppen zählen der Buddhismus, Taoismus und konfuzianische Organisationen.
Obschon die Christen eine Minderheit sind, kommt ihnen hohe Wertschätzung zu. Weshalb ist das so?
Die Christen haben wesentlich zum Aufbau des heutigen Staates Taiwan beigetragen. Die Missionarinnen und Missionare aus dem Westen haben im Bildungsbereich, im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitswesen Grossartiges geleistet.
Sie sind auch heute noch prägend mit dem Einsatz für Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung.
Sie sind hochgeachtet, weil sie sich in zahlreiche Zentren sozial engagieren.
Wie ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Kirche?
Taiwan gehört in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit zu den Pionieren. Im Beruf sind die Frauen in vielem gleichberechtigt – darum werden sie im beruflichen Kontext mit ihrem Mädchennamen angesprochen. Damit kommt ihnen unabhängig von ihrem Mann eine eigene Stellung zu. In der Politik gibt es viele Frauen. Ihr Zuhause jedoch ist meist konfuzianisch geprägt und patriarchal ausgerichtet. Dies ist selbst dann so, wenn die Frau ausserhalb der Familie eine wichtige Position innehat.
Die Missionare aus Europa und Amerika haben für eigentliche Frauenförderung in der Kirche gesorgt und Frauen zu Leitungsfunktionen befähigt. Entgegen kam ihnen, dass z.B. beim Ureinwohnervolk der Amis an der Ostküste die Frauen das Sagen haben und auch in der Kirche nicht einfach Helferinnen sein wollten, sondern mitentscheiden und Gemeinden vorstehen.
Frauen, die in der Kirche leiten: Was meint denn Rom dazu?
Taiwan ist so klein und so weit weg, das dringt nicht bis nach Rom. Ausserdem ist nicht alles so offiziell durchstrukturiert wie bei uns, wo ich als Verantwortliche im Bischofsrat sitze. Wo in Taiwan Frauen Verantwortung übernehmen, sind sie einfach die Leitungsperson in ihrer Pfarrei.
Was vermisst du bei uns in der Kirche? Oder umgekehrt gefragt: Was können wir von Taiwan lernen?
Als Minderheit ist man in Taiwan als Christen eine Gruppe, die sich kennt. Am Sonntag trifft man sich selbstverständlich in der Pfarrei und macht mit: wir haben in Taishan miteinander Gottesdienst gefeiert, gemeinsam gegessen und auch zusammen den Nachmittag verbracht. Der Religionsunterricht findet ebenfalls am Sonntag statt. Einmal im Monat hat der Kirchgemeindepräsident eine Torte mitgebracht und wir haben alle Geburtstage gefeiert. Es ist eine Gemeinschaft von Freunden und Freundinnen. Das haben wir bei der Rückkehr in die Schweiz vermisst. Was auch zentral ist: Es ist eine Kirche mit enorm viel ehrenamtlichem Engagement. Alle haben irgendeine kleine Aufgabe, ausser dem Priester hat kaum jemand eine Anstellung.
Wie und wo feierst du dieses Jahr den Weltgebetstag der Frauen?
Ich feiere in der Pfarrei Niederurnen, wo ich vor unserer Ausreise nach Taiwan zehn Jahre lang gearbeitet habe. Diese Verbindung ist geblieben. Weil die Ökumene vor Ort seit Jahrzehnten sehr lebendig ist, wird gerade der Weltgebetstag der Frauen besonders sorgfältig gestaltet.
Von Taiwan ist derzeit in den Medien vor allem wegen einem drohenden Konflikt mit China die Rede. Ist es hilfreich, dass sich gerade jetzt der Blick mit dem Weltgebetstag auf Taiwan ausrichtet?
Im Chinesischen gibt es eine Sammlung von 36 Überlistungstechniken eines Generals aus dem 5. Jahrhundert. Eines davon heisst «Ein Feuer für einen Raub ausnutzen».
Weil die Welt auf den Krieg in der Ukraine schaut, befürchtet Taiwan, dass China ähnliches auch auf der kleinen Insel vorhaben könnte.
Dass jetzt im Rahmen des Weltgebestages der Frauen rund um den Erdball viele überhaupt wahrnehmen, dass es die Insel Taiwan als eigenständigen Staat mit demokratischen Strukturen gibt, ist ein Glücksfall. Damit rückt die reichhaltige Kultur Taiwans, in den Fokus und nicht nurmehr die Bedrohung durch den grossen Nachbarn. Das ist ein toller Zufall, der sehr hilfreich ist.»
Brigitte Fischer gibt in der Galerie Einblick in ihr persönliches Fotoalbum aus Taiwan:
Wie ein Bibelwort Christinnen und Christen in Taiwan ermutigt
Am 3. März finden vielerorts in der Schweiz und weltweit zum Weltgebetstag der Frauen ökumenische Gottesdienste statt. Im Mittelpunkt steht das Bibelwort aus dem Brief an die Epheser «Ich habe von eurem Glauben gehört» (Eph 1,15). Die Frauen des taiwanischen Vorbereitungskomitees zeigen auf, wie sie in ihrem Alltag die Ermunterung des Apostels Paulus leben und sichtbar machen. Selbstloses Engagement für die Familie, Einsatz für gesellschaftlich Benachteiligte, für verletzliche Menschen und für die Umwelt prägen ihre eindrücklichen Lebensgeschichten.
Auf der Homepage des Weltgebetstags der Frauen finden sich zahlreiche Unterlagen zur Gestaltung einer Feier, Bastelideen sowie Portraits von Taiwanerinnen.
Wer schon immer mal Taiwanisch lernen wollte: Das Vaterunser-Gebet ist ein guter Anfang und verbindet auch am Weltgebetstag der Frauen Christinnen und Christen rund um den Erdball. Hier zum Nachhören und Mitbeten…
…oder zum Mittanzen
Für alle, die sich vertiefter mit Taiwan beschäftigen möchten, gibt SRF mit dem DOK «Taiwan – Demokratielabor im Schatten Chinas» einen spannenden Einblick.
Das Titelbild auf dem Liturgieheft stammt von der 1993 geborenen Künstlerin Hui-Wen Hsiao. Vor dem dunklen Hintergrund einer unsicheren Zukunft dominieren die roten Schmetterlingsorchideen, der Stolz Taiwans. Der Mikadofasan und der Schwarzgesichtlöffler – zwei für Taiwan bedeutsame, aber vom Aussterben bedrohte Vögel – symbolisieren Eigenschaften des taiwanischen Volkes: Zuversicht und Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten.
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