Kirche aktuell

Streitfrage Frauen-Diakonat Das fast schon perfekte Diakonats-Dilemma

Stephan Schmid-Keiser

Der in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie promovierte Theologe und Seelsorger Stephan Schmid-Keiser (*1949) kam seit 1975 in überregionalen Tätigkeiten und fünf Schweizer Pfarreien mit einer Vielzahl von Menschen in Kontakt, denen die Suche nach religiöser Identität in säkularer Gesellschaft wichtig bleibt. Nachberuflich folgte 2016/17 die Aufgabe als Ko-Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. Seit Januar 2018 ist er publizistisch tätig und veröffentlichte jüngst die Studie Religiöse Kommunikation im Christentum und Buddhismus –  vor dem Hintergrund von Paul Tillichs Lebensphilosophie. Lit-Verlag Münster 2024.

Stephan Schmid-Keiser
Unser Newsletter «Grüss Gott Zürich» griff am 31. Mai das schroffe «Nein» des Papstes zum Frauendiakonat auf. Der Theologe Stefan Schmid-Keiser reagierte darauf und stellte uns seinen Diskussionsbeitrag zum Thema zur Verfügung.
10. Juni 2024

 

Wohin führt das aktuelle «Nein» zum ordinierten Frauendiakonat? Wie ein unüberwindbares Stopp-Schild wirft es Papst Franziskus in die Debatten-Runde. Als deren Knackpunkt nannte Dorothea Reininger das Dilemma zwischen dem diakonischen Kernauftrag und der sakramentalen Struktur der Kirche. Daran anknüpfend soll hier der Bedarf nach einer gründlichen Bereinigung der Sichtweisen auf Rollen und Ämter in der Kirche erörtert werden.

Wie Seelsorgerinnen und Seelsorger um ihr Rollenverständnis ringen, zeigen beispielhafte Stimmen. So meinte eine in der Deutschschweiz wirkende Seelsorgerin:

«Das Rollenverständnis erlebe ich in der pastoralen Arbeit … als ständige Herausforderung, sei es in der Diskussion mit anderen Seelsorgenden, sei es als zu wenig reflektierter Begleitumstand allen liturgischen Handelns.»

Näher hin zu seiner Rolle als ständiger Diakon äusserte sich ein Seelsorger. Seine Aufgaben seien im CIC klar aufgelistet, der Einsatz in Pfarreien bezüglich Stellung und Zusammenarbeit mit anderen Seelsorgenden eher schwierig. Arbeite man mehr in Ressorts und Teams, sollten Seelsorgende, die nicht zur Priesterweihe zugelassen sind, vom Stand her gleichwertig sein. Und wenn Frauen zum Amt der Diakonin zugelassen wären, dürften sie auch nicht der Eucharistie vorstehen, die Krankensalbung spenden und die Lossprechung bei der Beichte aussprechen:

«Das Amt des ständigen Diakons in unserer Pastoral ist das schwierigste in den grossen Teams.»

«Es ist auch schwierig in Österreich und Deutschland, wenn nebenamtliche ständige Diakone, als Geweihte, in der Liturgie mitwirken und so die vollamtlichen und theologisch ausgebildeten Pastoralreferentinnen und -referenten verdrängen.» In seinem Team selber sah sich dieser Diakon akzeptiert. Wenn er aber «Pastoralassistent wäre» und sich zum «ständigen Diakon weihen lassen wollte, wären sie sicherlich dagegen und würden mich auf eine freie Stelle kaum anstellen».

Abkehr von Fixierung auf Amtsperson

Ob Männer oder Frauen, die sich als Diakoninnen und Diakone verstehen wollen, diesem verzerrenden Dilemma gegenüber, je zu einem für sie stimmigen Berufsbild finden können? Wenn zudem die Betroffenen mit dem Entscheid zur Diakonats-Weihe Teil des Kleriker(-innen?)-Standes werden, werden sie im Unterschied zu allen anderen Getauften anders wahrgenommen. Nur so kann ich verstehen, wie H. Hoping und Ph. Müller 2017 zu ihrem Vorschlag kamen, «Männer aus dem Kreis der ständigen Diakone, die Teil des einen sakramentalen Ordo sind, unter bestimmten Bedingungen mit Dispens vom Weihehindernis der Ehe die Priesterweihe zu spenden (can. 1042 1 CIC). Darunter können auch ehemalige Pastoralreferenten sein, die nach ihrer Weihe eine Zeit lang als Diakone gearbeitet haben».[1] Damit aber würde in meinen Augen das Profil des ständigen Diakonates geschmälert und die Rollenunsicherheit verstärkt und jedes pastorale Handeln zum Lücken-Füllen degradiert – weil dem fehlenden Priester-Nachwuchs geschuldet. Die Vielfalt pastoraler Orte bräuchte dagegen eine Abkehr von der absoluten Fixierung auf eine Amtsperson – in der Regel des seit dem Tridentinischen Konzil in seinen Funktionen inhaltlich und strukturell erhöhten männlichen Priesters.

Verstärkung der Kooperation

Es sei «dringlich, bzgl. der sakramentalen Wesensgestalt des Diakonats eine gesamtkirchliche Entscheidung zu treffen», bilanzierte 2006 Gisbert Greshake im Lexikon für Theologie und Kirche.[2] Demgegenüber wurde mit dem Motu proprio Omnium in mentem im Oktober 2009 basierend auf der konziliaren Kirchenkonstitution (LG 29) dem Diakon die Befähigung, in der Person Christi des Hauptes zu handeln, nicht mehr zugesprochen. Dann blieb Helmut Hoping früher schon betreffend Diakonat der Frau zurückhaltend.[3] Womit sich ständige Diakone definitiv auf einer ungeklärten Hierarchiestufe befinden. Sie haben de facto keinen Anteil am sakramentalen Ordo und dienen auf Weltkirchenebene besehen «dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe» (can. 1008/1009). Anderseits sind sie allen Getauften und Gefirmten in ihren ebenso gewichtigen Diensten in Kirche und Gesellschaft gleichgestellt.

Den Diakonen und Diakoninnen in petto(!) bleibt unter diesen Umständen keine andere Wahl, als deutlicher danach zu fragen, was ihre Identität und ihr Profil sein kann. Als Nicht-Priester werden sie nach ihrer Weihe zu Klerikern, die ihre Funktionen in der Verkündigung und Liturgie ebenso ausüben, wie sie ihr Spezifikum in sozial-diakonischer Tätigkeit konkreter finden (müssen). Vor diesem Hintergrund ist die Präzisierung durch Stephan Steger bemerkenswert: «So kam es in der amtstheologischen Umsetzung häufig stärker zur Ableitung als zur Zuordnung zum Presbyter und in der pastoralen Konkretion zum Ersatzdienst statt zur Kooperation.»[4]

«Amt des Wandels»

Als Diakon und Organisationsberater im Bistum Hildesheim zeigte sich Michael Bonert 2017 daran interessiert, Diakone nicht als «Priesterreserve» zu sehen, sondern als «Amt des Wandels».[5] Zwar im Dreiklang Bischof/Priester/Diakon erwähnt und «irgendwie zum Amt» gehörend, fehle Diakonen eine «eigene Amtsbestimmung im Kontext des Wandels». Die «sozial-diakonische Motivation» überwiege heute bei Männern, die sich zum Diakon weihen lassen. Bonert bat darum, in den Wandel und die Zukunftsfähigkeit zu investieren und «die Rollen aller kirchlich Beauftragten» genauer zu fassen.

Für den Wandel notwendig seien «Pioniere, die rausgehen… in die Ortschaften und Stadtteile, um das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Das gewünschte Kirchenbild der ‘Gemeinschaft von Gemeinden’ lässt sich ohne sie nicht erreichen».

Für den gewünschten Kulturwandel brauche es diese Pioniere, meinte Bonert und mahnte das Entdecken und Fördern der Charismen nicht allein durch den Priester als «amtlichen Anstifter» an. Das Diakonat sei «ein Amt, dass nahe bei den Sorgen der Menschen und beim Evangelium ist; verankert im sozialen Handeln der Menschen und in der Eucharistie». Tatsächlich ist Sozialraumorientierung, Not-Sensitivität und Nähe zum Evangelium ein Qualitätszeichen jedes diakonischen Tuns, kann jedoch durch Fixierung auf amtliche Beauftragung allein nicht genügend entfaltet werden.

Nun vermögen ständige Diakone (bald auch Diakoninnen?) nicht, wie Beispiele in Schwesterkirchen zeigen, allein den Wandel voranzubringen. Zwar können sie als amtliche «Initiatoren und Begleiter» lokaler und kontext-sensitiver Gemeinschaften gesehen werden, darin aber erschöpft sich in meinen Augen der notwendige Wandel im Kirchenbild nicht. Das von Michael Bonert vertretene Postulat hat es aber in sich:

«Anstelle der Debatte über die Zulassung der viri probati zur Priesterweihe wäre … jetzt eher die Klärung der Frage dran, wie eine sakramentale Stärkung der Frauen als Pionierinnen oder im diakonischen Dienst erfolgen könnte.»

Experimentierstadium Diakonat

Dorothea Reininger betonte 2023 die Notwendigkeit der Ausbildung zum erhofften Eintritt in das weibliche Diakonat. Deshalb ist hier zu betonen, wie sich diese Ausbildung auswirken wird. Von jeher steht in Gottesdiensten lt. Stephan Steger «der Diakon …in der Rolle des Vermittlers, der die Brücke zwischen den Menschen und dem liturgischen Geschehen bildet und als `Übersetzer´ zwischen Lebens- und Glaubenswelten fungiert, (und hat dort/SSK) eine liturgische Selbstständigkeit». Für die weiteren pastoralen Bereiche müsste dennoch daraufhin gearbeitet werden, dass sich ein auf die individuellen Fähigkeiten zugeschnittenes Profil von Männern und Frauen in der allgemeinen Diakonie als nächstes Ziel realisieren lässt, etwa in den anforderungsreichen Kontexten des Sozial- und Gesundheitswesens oder in der Schulpastoral. Besonders im Blick auf die Ausbildung solcher Dienste zeigte die Dissertation von Michael Wollek 2016, worauf zu achten sei.[6] Der Autor wählte einen religionspädagogischen Ansatz und erhob mit Leitfadeninterviews die Erfahrungen von Diakonen im Zivilberuf. Interessiert an deren Ausbildung in der Transformationsgesellschaft bezog er sich auf Ortfried Schäffter und dessen Weiterbildungsmodelle, charakterisiert in Stichworten wie linear, zielvorwegnehmend, zieloffen, zielgenerierend, korrelativ und iterativ. Wolleck sah das Diakonat nicht allein auf sozial-caritative Tätigkeiten eingeschränkt und konnte diesen Aspekt weder in der Bibel noch im Wortfeld oder der Kirchengeschichte festmachen. So bestätigt sich, dass zwar dem letzten Konzil das auslösende Moment für die Neuprofilierung des Diakonats geschuldet ist, dieses jedoch lt. A. Weiss in ein «Experimentierstadium entlassen» wurde. Dieses Faktum ist angesichts der lange herausgezögerten Entscheidungen der römischen Kirchenleitung als grosser Hemmschuh für die Entfaltung vielfältiger Formen des Diakonats anzusehen.

Amts-Diakonat variabler gestalten

Müsste nicht deutlicher auf die Charismen von Frauen und Männern im Volk Gottes geachtet werden? Es sind ungezählte diakonisch Engagierte, die vor Ort mit säkular Engagierten und Gruppen kooperieren, Netze der Solidarität knüpfen und so der Nächstenliebe als christlichem Alleinstellungsmerkmal unverkennbar Konturen in der Gesellschaft verleihen. Kirchliches Tun weist im besten Fall auf den Anbruch des Reiches Gottes, feiert dies in Liturgien, verweilt jedoch nicht dabei. Darum wäre im Besonderen auch Frauen und Männern, die ausdrücklich als kirchlich Beauftragte in Quartieren oder Spitälern tätig sind, nach einer Spezialausbildung die Möglichkeit zur Feier der Krankensalbung mit den ihnen Anvertrauten zu eröffnen. Man würde so zumindest den Intentionen des Jakobusbriefes nicht widersprechen und die Theologie der kirchlichen Dienste variabler gestalten. Liegt der Sinn dieser Dienste nicht darin, Menschen in vielfältigsten Situationen des Alltags und der Gesellschaft zu begleiten und sie zur Begegnung mit Christus einzuladen? Und dies durch vielfältige Dienste an allen Orten der Weltkirche.

[1] H. Hoping, Ph. Müller: Ein Vorschlag: Viri probati zur Priesterweihe zulassen, in: HK 76 (2017) 13-16

[2] G. Greshake Art. Diakon, V. Gegenwärtige Diskussion, in: LTHK Sonderausgabe 2006, Sp. 183 f.

[3] H. Hoping: Diakonat der Frau ohne Frauenpriestertum? in: SKZ 168 (2000) 281-284

[4] S. Steger: Der Ständige Diakon und die Liturgie. Anspruch und Lebenswirklichkeit eines wiedererrichteten Dienstes. Regensburg 2006, 471

[5] M. Bonert (03.04.2017)

[6] M. Wollek: «Ich bin bereit!» Die Ausbildung zum Diakon mit/im Zivilberuf in Zeiten gesellschaftlicher und kirchlicher Transformation. Bd. 5 Diakonie und Ökumene, Berlin 2016 (Diss.), 133 f., 172