Kirche aktuell

Frauen am Altar ? «Dürfen Sie das als Frau?»

Der Abschiedsgottesdienst von Seelsorgerin Monika Schmid in Effretikon hat eine Welle medialer und bischöflicher Aufmerksamkeit ausgelöst. Jetzt weitet sich der Blick vom Einzelereignis hin zur allgemeinen Frage, wo Frauen in der Kirche überall Grenzen gesetzt werden. Seelsorgerinnen aus dem Kanton Zürich berichten von ihren Erfahrungen.
15. September 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Die Frage, wie Theologinnen in der Seelsorge bei der Feier von Sakramenten mitwirken dürfen und wo sie an Grenzen stossen, hat in den letzten Wochen viel zu reden gegeben, vor allem weil sich der Bischof gezwungen sah, nach dem Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid in Effretikon eine kirchenrechtliche Voruntersuchung zu eröffnen.

Wir haben Frauen, die seit vielen Jahren in der Seelsorge tätig sind, bei Begegnungen in den vergangenen Tagen gefragt, wo und wie sie denn in ihrem Seelsorgealltag an Grenzen stossen und was das bei ihnen auslöst.

Diskriminierung in Köpfe eingebrannt

Da ist zum Beispiel Barbara Ulsamer. Sie wirkt seit 2015 zusammen mit ihrem Mann als Pfarreibeauftragte in St. Stefan Männedorf. Das Frauenbild, das die Kirche selber vermittelt, gibt nicht nur ihr zu denken.

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Barbara Ulsamer leitet als Seelsorgerin zusammen mit ihrem Mann die Pfarrei St. Stefan in Männedorf

«Bei mehr als einem Trauergespräch habe ich erlebt, dass mir völlig kirchenferne Angehörige gegenüber sassen. Sie hatten jahrzehntelang keinen Gottesdienst besucht, kannten keine Kirchenlieder, sogar die Vorstellung des gemeinsam gesprochenen «Vater unser» löste Besorgnis aus. Nach mehr als eineinhalb Stunden, nachdem alle Abläufe besprochen, alle Unsicherheiten ausgeräumt waren und die Angehörigen ausführlich über das Leben des bzw. der Verstorbenen erzählt hatten, fragte ich sie gegen Ende des Gesprächs, ob sie noch irgendeine Frage hätten. «Ja, dürfen Sie das als Frau überhaupt?». Das beschäftigte die völlig kirchenfernen Angehörigen. Von Glauben, Kirche, Gottesdiensten usw. hatten sie keine Ahnung mehr. Das einzige, was sie mit der katholischen Kirche noch verbunden haben: Dass Frauen dort irgendwas nicht dürfen!

«Das ist das, was vielen zuerst oder auch zuletzt zur katholischen Kirche in den Sinn kommt: Die Diskriminierung der Frauen. Das sollte uns zu denken geben!»

Fremde Priester sind wenig hilfreich

Seit einem Vierteljahrhundert ist die Theologin und Sozialarbeiterin Tonja Jünger als Seelsorgerin in Pfarreien oder in Kliniken und Spitälern im Kanton Zürich im Einsatz. Wenn sie selber Sakramente spenden dürfte, würde dies sie in ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit sehr unterstützen und Menschen in schweren Situationen stärken.

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Tonja Jünger ist seit mehr als 25 Jahren als Seelsorgerin im Einsatz

«Schon oft hätte ich mir gewünscht, Sakramente feiern zu dürfen. Zum Beispiel, wenn an einem Sterbebett Angehörige in Aufregung geraten, weil sich der Zustand eines/einer Sterbenden plötzlich massiv verschlechtert und ihr/sein Wunsch, vor dem Tod die Krankensalbung zu empfangen, nicht durch mich erfüllt werden kann.

Obschon ich vor Ort bin und die Sterbende kenne, muss aufwändig ein «fremder» Priester eingeflogen werden (der notabene sonst schon genug zu tun hat).

Bei längerer Begleitung von Pfarreiange­hörigen oder Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie ist nach intensiven Gesprächen über Schuld und Reue auch schon der Wunsch formuliert worden zu beichten, beziehungsweise die Lossprechung empfangen zu dürfen. Dass dafür dann wiederum ein aussenstehender Priester gesucht werden muss, der den Patienten oder die Pfarreiangehörige mit ihrer/seiner Geschichte nicht kennt, ist wenig hilfreich.

Dass ich in all den Jahren meiner Tätigkeit zeitweise darunter litt, mit der Gemeinde nicht Eucharistie feiern zu dürfen, ist ein weiterer Punkt. Ich bin überzeugt, viele Pfarreiangehörige würden gerne mit mir, Frau und vertraute Seelsorgerin, Brot und Wein im Sakrament der Eucharistie teilen. Leider ist auch diese Tür bis heute verschlossen.»

Sakramentenmangel

Beinahe als Ironie der Geschichte mutet an, dass die Bischöfe zusammen mit dem Frauenrat der Bischofskonferenz und dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund (SKF) diese Woche eine Tagung dem Thema «Sakramentalität und Kirche» widmeten. Wenig überraschend lautete die Erkenntnis der Tagung, dass «die Bedürfnisse von Menschen nach seelsorgerischer Nähe und dem zeichenhaften Wirken Gottes nicht immer gestillt werden, weil geweihte Amtsträger für das Vorstehen von Sakramentenfeiern fehlen.»

Das Zweite Vatikanische Konzil hat vor mehr als einem halben Jahrhundert die Türen dafür geöffnet, dass auch nicht-geweihte Männer und Frauen mit der Leitung einer Sakramentenfeier beauftragt werden können - doch ist bis heute diesbezüglich fast nichts umgesetzt worden. Darunter leiden vor allem Frauen im seelsorgerlichen Dienst. Sie begleiten Menschen teils über längere Zeiträume, bauen eine Beziehung zu ihnen auf und wenn es um ein Sakrament wie etwa die Krankensalbung oder das Sakrament der Versöhnung geht, müssen sie einen fremden Priester rufen.

Wo stossen Sie als Seelsorgerin oder als Seelsorger an Grenzen?

Tonja Jünger und Barbara Ulsamer sind zwei Seelsorgerinnen, die uns erzählt haben, wo sie an Grenzen stossen und was dies bei ihnen auslöst. Sind Sie auch Theologin und in der Seelsorge tätig? Möchten Sie Ihre Erfahrung teilen? Oder sind Sie Priester und machen selber auch Grenzerfahrungen, weil nicht-geweihte Theologinnen und Theologen keine Sakramente spenden dürfen? Dann schicken Sie uns Ihre Erfahrung in einem kurzen Text an info@zhkath.ch

 

Teaserfoto: Markus Spiske on Unsplash