Kirche aktuell

Sommerserie: Schiffseelsorge «Ich war alles, was gebraucht wurde»

Vier Jahre an Bord – gerne denkt Carlo de Stasio an seine Zeit als Priester auf italienischen Kreuzfahrtschiffen zurück. «24 Stunden mit der Gemeinde, immer ansprechbar für alle Sorgen und Probleme – das gefällt nicht jedem», weiss der Wahlschweizer.
10. August 2023 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Gottesdienste und Zusammenkünfte mit der Crew fanden in der Regel nachts zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh statt. Nur dann war es auf dem Schiff ruhig genug. Nur dann hatte die Besatzung Zeit für etwas anderes als «die Kleinstadt» am Laufen zu halten.

«Es lebt sich wie im Militär auf so einem Schiff. Alles ist streng hierarchisch und durchgetaktet», erzählt de Stasio, der heute in der Katholischen Kirche im Kanton Zürich als Bischöflicher Beauftragter für die Migrantenseelsorge im Regionalen Generalvikariat Zürich/Glarus tätig ist. «Aber auch die Frauen und Männer, die bis zu einem Jahr an Bord verbringen, brauchen ihre Auszeiten. Das ist immens wichtig für die Psyche.»

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Neben den Gottesdiensten hat er deshalb auch gerne Bingo- oder Karaokeabende organisiert, einmal auch eine grosse Party für 400 junge Erwachsene. «Ich hatte die Verantwortung gegenüber dem Kapitän übernommen und sehr gehofft, dass alles gut geht», schmunzelt de Stasio. «Als Schiffspriester war ich Freund, Bruder, Vater und alles, was gerade gebraucht wurde. Besatzung und Passagiere sind mit allen möglichen Problemen zu mir gekommen.» Schliesslich drehe sich die Welt an Land weiter – oft führte die lange Abwesenheit der Arbeiter zu familiären Problemen. Manchmal gab es sogar eine zweite Familie in einem anderen Hafen.

Bank, Post und Fahrradverleih

Und dann fielen ganz weltliche Aufgaben an: «Als Vertrauensperson habe ich auch als Bank- und Poststelle sowie als Fahrradverleih fungiert», sagt de Stasio. «Die Crewmitglieder konnten ihre Wertgegenstände bei mir in Verwahrung geben. Mehrere hundert Briefe habe ich täglich verteilt.»

Heute sei das alles anders. Auf den grossen Kreuzfahrtschiffen dieser Welt gäbe es, wenn überhaupt, nur noch einen Seelsorger, der sich um die Passagiere und deren Probleme kümmert. «Es gab einfach nicht mehr genug Priester in Italien, die sich diesen stressigen Job antun wollten.» Bordseelsorge gibt es allerdings noch in den grossen internationalen Häfen. Weltweit ist die Katholische Seemannsmission bekannt unter dem Namen «Stella Maris».