Sommerserie: Bahnhofkirche Schwer zu finden, immer offen
«Diese Bahnhofsatmosphäre hat mich schon immer fasziniert», berichtet Katrin Blome. «Am liebsten wäre ich gleich nach dem Studium hergekommen. Aber es war notwendig, erst mehr praktische Erfahrungen zu sammeln. Die Aufgabe hier ist eine besondere Herausforderung.»
Menschen, die ihre Tage am Bahnhof verbringen, Reisende, Pendler – das Publikum der Bahnhofkirche im Zürcher Hauptbahnhof ist vielfältig und erstreckt sich über alle Altersklassen. Die Muslime, die zum Beten vorbeikommen, erkenne sie leicht am Gebetsteppich, sagt Katrin Blome. Bei den anderen Konfessionen sei es weniger eindeutig und deshalb schwieriger. Aber auf die Religionszugehörigkeit kommt es in der kleinen Bahnhofskapelle auch gar nicht an. «Meine reformierten Kollegen und ich pflegen die interreligiöse Gastfreundschaft», betont Blome.
Jeden Abend eine Viertelstunde, bevor die Kapelle um 19 Uhr abgeschlossen wird, sprechen sie ein gemeinsames christliches Abendgebet. Dabei seien öfter Muslime, die parallel dazu ihr Gebet sprechen. Das sei jedes Mal etwas ganz besonders Schönes, erzählt Katrin Blome.
Eine Bahnhofkirche mit Seelsorgern vor Ort, das ist ein in der Schweiz einzigartiges Modell. Im Zürcher Hauptbahnhof sind vier Seelsorgende und derzeit 22 Freiwillige dafür im Einsatz.
«Wir öffnen unsere Räume an 365 Tagen im Jahr. An Wochenenden und Feiertagen etwas kürzer als an normalen Wochentagen, aber wir sind jeden Tag ansprechbar.»
Und das Angebot wird dankend angenommen. An manchen Tagen führe sie drei, an anderen zehn Gespräche pro Tag, sagt Katrin Blome. Jeder Tag sei anders hier im grössten Bahnhofsgebäude der Schweiz. Aber es erfülle sie mit Stolz, dass die Menschen – auch wenn sie in Tränen aufgelöst ankommen – die Bahnhofkirche in der Regel gestärkt und beruhigt verlassen.
Natürlich käme es auch vor, dass es lauter wird. «Leider wissen einige Menschen keinen anderen Weg als ihre seelische Not in Aggressivität auszudrücken», erklärt Katrin Blome. «Wir versuchen, mit jedem zu sprechen. Aber in Einzelfällen ist ein Gespräch gar nicht möglich. Das kommt zum Glück sehr selten vor.»
Oase der Ruhe
Die meisten Besucher fänden hier die Ruhe, nach der sie suchen. «Sobald man hier reinkommt, verschwindet auf einmal die ganze Bahnhofshektik von draussen», sagt Katrin Blome. Die Bahnhofkirche sei eine richtige Oase unter dem mächtigen Dach der Bahnhofshalle.
Leider seien sie etwas schwierig zu finden hier unten in der Zwischenetage neben den Schliessfächern, beklagt die Theologin. Die Beschilderung sei nicht besonders gut. Aber trotzdem fänden die Menschen den Weg zu ihnen – manchmal auch ganz zufällig. Und für alle die, die schon auf Reisen sind, gibt es täglich das «Wegwort», per E-Mail, pünktlich wie die Bahn.
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