Kirche aktuell

Massnahmen gegen Missbrauch Opferberatung neu unabhängig

Die katholische Kirche Schweiz realisiert wichtige Massnahmen, um sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung zu verhindern und Opfer besser zu unterstützen: unabhängige Opferberatung, professionelleres Personalwesen und Eignungstest für angehende Seelsorgende werden umgesetzt. Die Zürcher Kirche hat den Aufbau der neuen Dienststelle Missbrauch mit 100'000 Franken unterstützt.
29. Januar 2025 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Die Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die Konferenz der Vereinigungen der Orden (KOVOS) haben auf nationaler Ebene eine Reihe von Massnahmen erarbeitet, mit denen die Aufarbeitung des Missbrauchs im kirchlichen Kontext fortgesetzt und institutionelle Mängel angegangen werden.

Kirchenunabhängige Opferberatung

Seit Januar ist die Opferberatung schweizweit von der Kirche unabhängig. Damit ist ein erster Meilenstein erreicht: In der ganzen Schweiz können sich Betroffene an die unabhängigen professionellen Beraterinnen und Berater der von den Kantonen anerkannten Opferberatungsstellen wenden. Die Beratungsstellen und ihre Angebote sind über www.opferhilfe-schweiz.ch erreichbar. Bis anhin hatten auch kirchliche Stellen diese Aufgabe übernommen, mit je nach Bistum unterschiedlichen Vorgehensweisen. Die Zusammenarbeit wurde zwischen der Kirche und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) geregelt. Eine Fallpauschale von 1'500 Franken entschädigt die Stellen für Zusatzaufwand, der aufgrund der Komplexität der kirchlichen Strukturen und der Abklärungen mit verschiedenen kirchlichen Stellen entsteht.

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Symbolbild zu Missbrauch. Foto: Pixabay/geralt

Die Betroffenenorganisationen (IG-M!kU, SAPEC, GAVA) tragen die neuen Regelungen mit. Sie werden eine zentrale Rolle bei der Bekanntmachung der neuen Zuständigkeiten und Abläufe spielen, da der Erstkontakt mit Betroffenen vielfach über sie erfolgt.

Nationale kirchliche Informationsstelle

Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den kantonal anerkannten Opferberatungsstellen war die Schaffung einer Informationsstelle seitens der Kirche, welche die unabhängigen Beraterinnen und Berater in kirchenspezifischen Fragen unterstützt. Sie nimmt die Anfragen der Opferberatungsstellen entgegen und beantwortet diese mit Unterstützung eines Pools von Fachpersonen, die mit kirchenrechtlichen Fragen sowie mit den Strukturen und Institutionen der katholischen Kirche in der Schweiz vertraut sind. Angelica Venzin ist als Ansprechperson der deutschen Schweiz tätig, für die lateinische Schweiz ist es Béatrice Vaucher. Der Aufbau des Pools an Fachpersonen ist in Gang. Das Zusammenwirken der Opferberatungsstellen mit der kirchlichen Informationsstelle wird nach einer zweijährigen Pilotphase evaluiert.

Professionalisierung des Personalmanagements 

In den letzten Monaten wurde mit dem für HR-Fragen spezialisierten Unternehmen von Rundstedt ein Leitfaden erarbeitet, der Standards zur Führung und Archivierung von Personaldossiers sowie der Weitergabe von Personalinformationen formuliert. Um die Praxistauglichkeit auf allen Ebenen sicherzustellen, werden nun Rückmeldungen bei Personalverantwortlichen eingeholt.

Eignungstest für neue Seelsorgende

In Zusammenarbeit mit Jérôme Endrass, Leiter Forschung & Entwicklung beim Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich, wurde ein psychologisches Abklärungsverfahren ausgearbeitet. Dieses dient als Basis für ein sorgfältiges und schweizweit einheitliches Auswahlverfahren. Priesteramtskandidaten sowie angehende Seelsorger und Seelsorgerinnen werden dieses Assessment künftig standardmässig durchlaufen.

Die katholische Kirche hat dafür verbindliche Standards festgelegt. Grundlage bilden Basiskompetenzen, die für den Erwerb seelsorgerischer Fertigkeiten und eine erfolgreiche Berufsausübung erforderlich sind. Ziel des Assessments ist die Überprüfung dieser Kompetenzen sowie die Identifikation möglicher Risiken für Dritte. Die Bischofskonferenz hat der flächendeckenden Einführung und Umsetzung der Assessments ab Mitte des Jahres zugestimmt.

Neues nationales Strafgericht

Im Herbst 2024 haben die zuständigen vatikanischen Stellen der Schaffung des nationalen kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts zugestimmt. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bischof Joseph Maria Bonnemain erarbeitet nun die rechtlichen Grundlagen. In dieser Arbeitsgruppe wirken neben kircheninternen Kirchenrechtsexperten auch Brigitte Tag (Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Universität Zürich) und Pierre Cornu (Richter am Obergericht des Kantons Neuenburg) mit. Bereits in Gang ist auch die Suche nach dem künftigen Gerichtspersonal.

Ziel des Gerichts ist, die Gefahr der Befangenheit zu reduzieren und die korrekte und schweizweit einheitliche Anwendung der kircheneigenen Richtlinien und Strafnormen im Umgang mit Missbrauchsfällen zu gewährleisten. Analog zum staatlichen Strafverfahren sollen im kirchlichen Strafverfahren die Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte der Betroffenen definiert und garantiert werden. Dabei haben die zivilen schweizerischen Strafgesetze und das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden weiterhin in jedem Fall Vorrang.

Nationale Dienststelle 

Im Juli 2024 hat die nationale Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext unter der Leitung von Stefan Loppacher ihre Arbeit aufgenommen. Seit Anfang Januar 2025 verstärken Annegret Schär und Mari Carmen Avila das Team. Mit 140 Stellenprozenten wird die Dienststelle im Auftrag der drei kirchlichen Institutionen die gemeinsam beschlossenen Massnahmen zur Verhinderung von Missbrauch und dessen Vertuschung bearbeiten und koordinieren. Die Zürcher Kirche unterstützte den Aufbau der neuen Dienststelle mit 100'000 Franken.

Weitere Informationen

Faktenblatt zum Stand der Umsetzung der 2023 beschlossenen Massnahmen und weiteres Vorgehen, Stand Januar 2025

Projektwebseite der Auftraggeberinnen:

Schlussbericht des Pilotprojekts zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts, Universität Zürich.