Kirche aktuell

Religionsgemeinschaften erhalten vom Kanton 300 Millionen Franken «Wir müssen die kritischen Voten ernst nehmen»

Mit 104 zu 56 stimmte das Kantonsparlament Zürich an Montag, 3. Februar, dem Antrag des Regierungsrates zu, den anerkannten Religionsgemeinschaften für die nächste Beitragsperiode von 2026 bis 2031 wieder mit 300 Millionen Franken zu unterstützen.
03. Februar 2025 Katholische Kirche im Kanton Zürich

In der Debatte wurde von allen Seiten der positive Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften für die ganze Gesellschaft gewürdigt. Aber in allen politischen Lagern war auch unüberhörbar der Ruf nach einer Überprüfung der staatlichen Gelder für die anerkannten Religionsgemeinschaften angesichts des grundlegenden Wandels der Zürcher Religionslandschaft zu hören.

Minderheitsanträge zur Kürzung der Beiträge, namentlich wegen der geplanten Unterstützung von Projekten der nicht anerkannten Religionsgemeinschaften durch die Kirchen, wurden im vergleichbaren Stimmenverhältnis abgelehnt.

Synodalratspräsident Raphael Meyer zum Entscheid des Parlaments: «Wir freuen uns über den Entscheid des Kantonsrats, in der Periode 2026 bis 2031 erneut 300 Millionen für die Arbeit der anerkannten Religionsgemeinschaften zur Verfügung zu stellen und danken dem Zürcher Parlament für das grosse Vertrauen. Die kritischen Voten müssen wir aber ernst nehmen und uns intensiv überlegen, wie die Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in unserem religiös vielfältig geprägten Kanton in Zukunft gestaltet werden soll. Insbesondere die Zusammenarbeit mit nicht anerkannten Religionsgemeinschaften, aber auch mit nicht religiös gebundenen Partnern muss diskutiert werden. Die gemeinsamen Legislaturschwerpunkte mit der Direktion für Justiz und Inneres bieten dazu eine gute Gelegenheit.»

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Eine Delegation des Synodalrats, Generalsekretär, Synodalratspräsident Raphael Meyer und Generalvikar Luis Varandas auf der Zuschauertribüne im Kantonsrat. Foto: Sibylle Ratz

Überprüfung der Grundlagen

Die Mehrheit der Kantonsrätinnen und Kantonsräte, die sich in der Debatte äusserten, fanden die geplanten Beiträgen für nicht anerkannten Religionsgemeinschaften zwar weitgehend sinnvoll. Aber sie störten sich am gesamten staatlichen Vergabesystem an Religionsgemeinschaften, das die Realitäten der Gesellschaften nicht wirklich erfasse; vor allem den Umstand, dass sich die Religionslandschaft in den letzten wenigen Jahrzehnten stark gewandelt hat und heute die Konfessionlosen die grösste Gruppe der Bevölkerung stellen.

Insbesondere FDP, SVP und EDU monierten, dass für die Unterstützung von je einer Million Franken durch die reformierte und die katholische Kirche an die kleineren und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften zuerst die gesetzlichen Grundlagen hätten geschaffen werden müssen.

Keine Auslandfinanzierung

Regierungsrätin Jacqueline Fehr bezog dazu Stellung. Für sie sind Staat und Religion im Kanton Züirch in einer fast idealen Balance. Sie will die Autonomie der Religionsgemeinschaften wahren und keine Rückkehr zur Statskirche. Vor allem aber meinte sie: «Wir wollen keine Auslandfinanzierung für die islamischen Glaubensgruppierungen in der Schweiz. Wir haben aktuell einen guten Austausch mit der VIOZ (Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich) und mit Quams ein gut eingeführtes Bildungsprogramm. Auch die VIOZ hat ein Tätigkeitsprogramm. Und dort haben wir, wie auch die GPK, im Detail Einblick.»

Florian Heer (Grüne) betonte: «Wir wollen, dass Projekte von nicht anerkannten Religionsgemeinschaften unterstützt werden. Wir haben Vertrauen, dass die Gelder für sinnvolle Projekte eingesetzt werden. Der zweistufige Prozess unter Einbezug der Justizdirektion bietet genügend Kontrolle.»

Weniger Mitglieder, mehr Leistungen

Sonja Gehrig (GLP) zitierte die in der Vergangenheit durchgeführten Studien, die aufgezeigt hätten, welche Leistungen die Kirchen für die Gesellschaft ausserhalb des kultischen Bereichs erbringen. Obwohl die Mitgliederzahlen zwar gesunken seien, blieben die Leistungen mehrheitlich gleich gross und seien sogar gestiegen. Das war auch klar das zentrale Argument gegen eine Kürzung. Zumal die nicht ausgeglichene Teuerung sowieso schon indirekt eine Kürzung bedeuten würden.

Religiöses Miteinander

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In ihrer Stellungnahme stützte sich Regierungsrätin Jacqueline Fehr auf ein Rechtsgutachten, das die rechtliche Grundlage für die Weitergabe von Geldern für gegeben hält. Für Fehr ist in der Zusammenarbeit mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften der interreligiöse Dialog und der religiöse Frieden besonders wichtig, auch wenn sie negative Punkte wie die Politisierung der Religionen und deren Beteiligung an Konflikten nicht ausliess.

«Unsere Religionsgemeinschaften stehen ein für Solidarität, Menschlichkeit, Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft und für Dialog. Nur dank den Religionsgemeinschaften war ein rasches Handeln während Corona und bei der Ukraine-Flüchtlingsbewegung möglich.» Sie gab zu bedenken, dass die orthodoxe und islamische Kultur bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien. «Die Religionsgemeinschaften sind autonom und unabhängig. Wir sind aber durch die Gesetzgebung und die finanzielle Unterstützung in intensivem Austausch. Viel besser als im Kanton Zürich geht es nicht.» Ansonsten müssten die kritisierenden Parteien Alternativen bieten.

Neue Lösungen erwartet

Auch wenn die Mehrheit den Staatsbeiträgen an die anerkannten Religionsbeiträge schliesslich zustimmten: Mit einem Stimmenverhältnis von 2:1 (109 Ja zu 59 Nein und 6 Enthaltungen), lag das Abstimmungsresultat deutlich unter der Unterstützung im Jahr 2018, wo der damalige Antrag mit 157 zu 0 bei 3 Enthaltungen gutgeheissen wurde. Sämtliche Fraktionen von links bis rechts verlangten von der Regierung unisono, bis spätestens in sechs Jahren ein revidiertes System für künftige Beiträge des Staates an Religionsgemeinschaften zu erarbeiten. Es könne nicht sein, dass sich die anerkannten Religionsgemeinschaften darum kümmern müssten. Eine solche Auslegeordnung und Neuregelung hätten sich viele Kantonsrätinnen und -räte eigentlich schon jetzt gewünscht.