Offener Brief an Papst Zürcher Kirche fordert tiefgreifende Strukturreformen
Papst Franziskus, erneuern wir gemeinsam unsere Kirche!
Lieber Papst Franziskus
Die katholische Kirche steht in Flammen. Das Entsetzliche daran ist: Hirten, die zum Dienst am Evangelium bestellt wurden, haben diesen Flächenbrand gelegt.
Auch in der Katholischen Kirche im Kanton Zürich kehren zahlreiche Menschen der Kirche den Rücken. Sie sind befremdet, empört und verbittert. Nicht nur jüngere Menschen, sondern auch ältere, langjährige Kirchenmitglieder sind entsetzt.
Wir brauchen entschiedene Massnahmen gegen sexuellen Missbrauch
Das Ausmass des sexuellen Missbrauchs z.B. von Minderjährigen und Ordensfrauen sprengt jede Vorstellung. Zusammen mit den Opfern und ihren Angehörigen sind wir fassungslos und fordern weltweit entschiedene Massnahmen der Bekämpfung und Vorbeugung. In Zürich haben wir alles in die Wege geleitet, was in unserer Macht steht, um Missbrauch zu verhindern.
Am Ursprung der sexualisierten Gewalt in der Kirche und ihrer Vertuschung steht, wie Sie selber immer wieder betonen, die „Häresie des Klerikalismus“ – die Herrschaft von Priestern über das Volk. Diese ist der Versuch, «das Volk Gottes zum Schweigen zu bringen»; sie «erzeugt eine Spaltung im Leib der Kirche».
Ihre klaren Worte sind uns wichtig. Sie genügen aber nicht. Die Lage der Kirche ist dramatisch – ähnlich wie am Vorabend der Reformation hier in Zürich vor fünfhundert Jahren. Damals versagte die Kirchenleitung und war nicht fähig und nicht willens, Reformen einzuleiten. Auch heute sind tiefgreifende Reformen in der Kirche notwendig und unaufschiebbar.
Wichtig für eine nachhaltige Bewältigung der gegenwärtigen Krise ist die Einsicht, dass der sexuelle Missbrauch sich nicht auf die Vergehen fehlgeleiteter Einzelpersonen reduzieren lässt. Er ist vielmehr in den Strukturen der katholischen Kirche begründet.
Wir brauchen einen lebensnahen Umgang mit Sexualität
Die Kirche hat die menschliche Sexualität während Jahrhunderten verdrängt und verteufelt, statt sie zu pflegen und zu kultivieren. Eine verdrängte und unreife Sexualität ist der Boden, auf dem der Missbrauch gedeiht.
- Notwendig ist deshalb eine an der Liebesbotschaft des Evangeliums und an den heutigen Humanwissenschaften orientierte sowie lebensnahe kirchliche Sexualmoral.
Wir brauchen in der Kirche Gewaltenteilung und Mitverantwortung aller
In der katholischen Kirche muss Macht begrenzt, geteilt und kontrolliert werden. In den offenen, demokratischen Gesellschaften der Gegenwart ist dies eine Selbstverständlichkeit. Synodale Prozesse, das heisst gemeinsame Entscheidungsfindung von Klerikern und Laien, sind auch in der katholischen Kirche wichtig und dringlich.
- Es braucht in der Kirche unabhängige Gerichte, vor denen Grundrechte eingeklagt werden können.
- Frauen müssen in der Kirche Leitungsverantwortung wahrnehmen können
- Es braucht in der katholischen Kirche synodale Prozesse, in denen die Zugangsbedingungen zu den kirchlichen Ämtern (Pflichtzölibat, Ausschluss von Frauen) regional entschieden werden können.
Die katholische Kirche braucht das synodale Miteinander. Insbesondere die Bischöfe sind zu verpflichten, ihre Diözesen in gemeinsamer Verantwortung mit Laien und Priestern zu führen. Mit dem versteckten oder offenen Widerstand gegen die päpstlichen Reformbemühungen muss Schluss sein.
- Die Katholische Kirche im Kanton Zürich erwartet, dass der neue Bischof im Bistum Chur vorbehaltlos Ja sagt zu einer synodalen Kirche.
Wir brauchen mehr Mut und Kreativität
Lieber Papst Franziskus, mit dem Apostolischen Schreiben «Die Freude des Evangeliums» zu Beginn Ihres Pontifikats haben Sie Hoffnungen und Erwartungen geweckt. Sie haben von einer «Kirche im Aufbruch», einer mutigen und kreativen Kirche gesprochen.
Die Zeit drängt. Setzen Sie die Reformprozesse in Gang. Wir unterstützen Sie. Wie Sie setzen wir uns für eine Kirche ein, die niemanden ausschliesst und alle willkommen heisst. Wir teilen Ihr Engagement für Arme, Kranke, Fremde und Benachteiligte. Wie Sie verpflichten wir uns, Machtmissbrauch in jeder Form zu bekämpfen. Und wie Sie stehen wir ein für eine Kultur der gegenseitigen Achtsamkeit.
Papst Franziskus, die Zeit des Zuwartens ist abgelaufen. Gemeinsam müssen wir handeln.
Für den Synodalrat Generalvikar
Franziska Driessen-Reding, Präsidentin Josef Annen
Kommentare anzeigen