Religionsministerin Jacqueline Fehr zum Abschied von Franziska Driessen-Reding «Ein Riesenmist, dass du aufhörst!»
Ich stehe sehr ungern hier.
Nicht, weil ich ein paar Worte sagen muss. Das tut man als Politikerin ja öfters. Dabei hält man durchaus auch die eine oder andere Abschiedsrede. Und, ich geb’s zu: Nicht jede davon rührt einen innerlich. Es soll sogar vorkommen, dass man das Bedauern nicht ganz so massiv empfindet, wie man zum Ausdruck bringt…
Liebe Franziska, das ist heute ganz anders. Und genau das macht diese Ansprache für mich nicht so einfach.
Wie gesagt: Ich stehe nicht gerne hier.
Denn unangenehme Dinge verdrängen wir ja lieber. Und doch holt uns die Realität zuverlässig ein. Und die heisst: Deine Amtszeit als Präsidentin endet.
Genau: Unangenehm ist das. Oder lass es mich etwas direkter sagen: Es ist ein Riesenmist, dass du aufhörst!
Warum beschäftigt es mich in diesem, in deinem Fall so stark?
Ich beginne mal mit deiner Persönlichkeit.
Du bist nämlich eine: eine Persönlichkeit. Wenn du in einer Sitzung anwesend bist, spürt man dich. Du redest wahrhaftig, echt. Man merkt, dass dich vieles berührt und bewegt. Und ich weiss, dass es für dich oft nicht einfach war, alles zu verdauen, was du an Sitzungen und generell in einer öffentlichen Funktion so entgegennehmen musstest.
Es gibt ja diesen Ausdruck: «Trägheit des Herzens». Übrigens habe ich bei der Vorbereitung dieser Worte festgestellt, dass es sogar eine Biographie über Papst Franziskus gibt, die den Untertitel trägt: «Wider die Trägheit des Herzens».
Liebe Franziska: Du hast diese Trägheit des Herzens nicht. Dein Herz ist nicht träge, sondern sehr lebendig! Du hast dir eine Sensibilität bewahrt, die viele irgendwann verlieren. Darin bist du für mich eine Inspiration und ein Vorbild.
Das Zweite, Franziska: Du bist eine Katholikin. Bei den vielen Treffen, die wir in den letzten Jahren hatten, hast du immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass dir der Glaube wichtig ist. Du hast es auf eine sehr dezente Weise getan, aber ich habe es registriert.
Du hast um Verständnis geworben für die Menschen, die glauben. Du hast ihre Sichtweise eingebracht. Liebe Franziska: Das hat mich beeindruckt. Und zwar deshalb, weil mit solchen Aussagen heute ja kein Blumentopf zu gewinnen ist. Du hast es trotzdem gemacht.
Drittens, Franziska: Du bist eine wahre Präsidentin.
Hier müsste ich wohl langsam in die Vergangenheitsform wechseln, aber ich bleibe trotzig im Präsens!
2011 bist du in den Synodalrat gewählt worden, 2018 bist du Präsidentin geworden. Als Präsidentin hast du der katholischen Kirche ein Gesicht gegeben, das sehr deutlich abweicht vom klerikalen Muster, das wir kennen. Dieses Gesicht ist fröhlich, lebendig und unprätentiös. Was kann es Besseres geben, als wenn eine Kirche fröhlich wirkt!
Du hast dich für viele Themen engagiert und hast dabei viel erreicht. Wichtige Anliegen waren dir die Nachhaltigkeit, die Gleichstellung der Frauen, der Kampf gegen den Missbrauch.
Deine Arbeit spiegelt sich in der neuen Kirchenordnung, die am 18. Juni angenommen wurde. Darin steht, dass sich die Körperschaft für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzt. Zudem wurde die Stellung der Pfarreileiterinnen und Pfarreileiter, die nicht geweiht sind, verbessert.
Liebe Franziska: Du hast Spuren hinterlassen. Du hast gekämpft für eine zeitgemässe, offene Kirche, die mitten in der heutigen Gesellschaft steht. Du hast gekämpft für eine Kirche, die sich wirklich den Schwachen annimmt, und nicht einfach schöne Formeln verbreitet. Du hast gekämpft für eine Kirche, die nah bei den Menschen ist mit ihren Sorgen und Nöten.
Dieses Bild von der katholischen Kirche – das bleibt.
Ja, und jetzt endet diese Zeit, und wir müssen Abschied nehmen. Ich kämpfe damit, und ja: Ich hadere innerlich mit der katholischen Körperschaft, die eine solche Amtszeitbeschränkung kennt.
Liebe Franziska, ich möchte dir Danke sagen.
Und ich wünsche mir etwas von dir: Bleib ein Stachel im Fleisch von allen, die nicht ein so liebenswürdige, freundliche, fröhlich und solidarische Kirche wollen!
Es war mir eine Ehre, deine Religionsministerin gewesen zu sein.
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