Kollekteneinnahmen gehen zurück Weniger Klingeln und Knistern im Chörbli
Rund 20 Vorgaben für die Kollekte kennt das Direktorium des Bistums Chur. Diese reichen von der Spende zur Restaurierung von Kirchen und Klöstern (Epiphaniekollekte, Inländische Mission), über die Unterstützung von Missio bis zur Caritas-Woche, welche aktuell gerade läuft.
Caritas mit Sonderstellung
Im Verbund mit anderen Kantonen ist Caritas Zürich in diesem Jahr mit dem Schwerpunktthema «Armut ist weiblich» in den Pfarreien präsent. Rund ein Dutzend Mitarbeitende von Caritas berichten jeweils an den beiden Wochenenden Ende Januar/Anfang Februar in Gottesdiensten über ihre Arbeit. Für die Organisation der Caritas-Woche verantwortlich ist Martin Ruhwinkel, Leiter Abteilung Diakonie. Er sagt:
«Durch die Gottesdienst-Auftritte begegnen wir den potentiellen Spenderinnen und Spendern direkt und können von unserer Arbeit erzählen.»
«Grundsätzlich zeigt sich bei uns glücklicherweise kein stetiger Rückgang der Kollekten-Beträge», stellt Kommunikationschefin Sandra Rauch fest. «Das Vertrauen in Caritas Zürich ist bei den Gottesdienstbesuchenden solide. Mit Ausnahme der letzten beiden Pandemie-Jahre blieben die Zahlen in den letzten Jahren auf erfreulichem Niveau stabil.» Coronabedingt seien aber die Beträge 2020 und 2021 um gut 20 Prozent eingebrochen. Wer keinen Gottesdienst vor Ort besuchen möchte, könne sich an der «digitalen Kollekte» beteiligen.
Pandemie verstärkt den Trend
Die angefragten Pfarreien bestätigen den Spenden-Rückgang. Die Zahlen seien seit einigen Jahren rückgängig, meint etwa César Mawanzi, Pfarrer der Kirchgemeinde Thurbenthal:
«Mit Corona sind zusätzlich viele Menschen nicht mehr in den Gottesdienst gekommen. Gerade ältere Leute, welche das Gros der Besucherinnen und Besucher ausmachen und spendenfreudiger sind, blieben zu Hause.»
Auch Uschi Hefti, im letzten Sommer pensionierte Pfarreisekretärin der Kirchgemeinde Affoltern am Albis, stellt seit Jahren einen Rückgang der Kirchengängerinnen und -gänger fest, auch wenn Hochfeste wie Ostern und Weihnachten sowie Familien-, Erstkommunions- und Firmgottesdienste nach wie vor gut besucht seien. Hefti ist überzeugt, dass spezielle Projekte, die das Herz berühren, mehr in die Spendenkasse fliessen lassen.
Projekte im Wettbewerb
Dies wird auch von anderen Pfarreien bestätigt. Gehe es um Kinderprojekte und Anliegen, die im Gottesdienst speziell vorgestellt würden, komme klar mehr Geld in den Spendentopf. So stellen nicht nur Mitarbeitende von Caritas, sondern auch von der Fastenaktion (bis Ende 2021 Fastenopfer) ihre Projekte in den Pfarreien vor. Würden sich gar Pfarreiangehörige persönlich für eine Kollekte einsetzen, habe dies einen sehr positiven Einfluss. Einen schwierigeren Stand hätten demgegenüber etwa die Spendenaufrufe für die Aufgaben des Bistums oder für den Peterspfennig.
Alternativen sind gefragt
Nicole Büchel, Kommunikationsbeauftragte des Bistums Chur, bestätigt auf Anfrage, dass die Erträge für die beiden Bereiche in den letzten Jahren gesunken sind. So seien im Jahr 2016 für die Aufgaben des Bistums Chur noch 68‘000 Franken eingegangen, 2020 nur 49‘500 Franken. Ähnlich auch beim Peterspfennig: Die Beträge sanken von 70‘600 Franken (2016) auf 49‘900 Franken im letzten Jahr.
Auch bei Missio, dem Internationalen Katholischen Missionswerk in der Schweiz, sinken die Kollektenerträge. Der neue Direktor Erwin Tanner, schreibt dazu: «Wir haben Einbrüche sowohl bei der Sternsingeraktion als auch beim Weltmissionsmonat. Wir prüfen zurzeit, wie andere Einnahmequellen erhöht und neue erschlossen werden könnten.»
Urban Fink, Geschäftsleiter der Inländischen Mission, ist überzeugt: «Wir können davon ausgehen, dass sich die Erträge nach der Pandemie zwar wieder etwas erholen, in der Tendenz werden sie aber weiter zurückgehen.» Die Inländische Mission versuche, die Privatspenden zu steigern, was aber die Mindereinnahmen bei den Kollekten noch nicht ausgleichen könne.
Gleich tönt es beim Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF. Co-Präsidentin Karin Ottiger sagt:
«Coronabedingt mussten wir beim Solidaritätsfonds für Mutter und Kind 2021 massive Einbussen hinnehmen. Machten die Erträge aus den Kollekten 2019 noch 29 Prozent aller Einnahmen des Fonds aus, waren es letztes Jahr noch 20 Prozent.»
Der SKF habe das institutionelle Fundraising bei Stiftungen, Unternehmen und öffentlicher Hand verstärkt. Diese Strategie sei aber viel aufwändiger und müsse sich erst noch rechnen.
Andreas Rösch, Leiter Fundraising bei Fastenaktion, bilanziert für das Hilfswerk im Jahr 2020: «Rund 8 Millionen Franken unserer total 22 Millionen Einnahmen sind «Allgemeine Spenden». Davon gehen 50 Prozent auf die Kollekten zurück, was 18 Prozent der Gesamteinnahmen entspricht.» Allerdings konnten die rückläufigen Kollektenerträge kompensiert werden. «Einerseits», so Rösch, «haben wir mit einem Mailing reagiert. Zum andern durften wir auf eine unglaubliche Solidarität zählen. Viele Pfarreiangehörige haben uns anstelle der Kollekte mit einer Spende unterstützt, Kirchgemeinden haben ihren Beitrag an uns aufgestockt.
Kein Trend ohne Ausnahmen
Caritas Zürich scheint mit ihren stabilen Erträgen aus den Kollekten eine Ausnahme zu sein. Ein konstantes Spendenaufkommen gibt es auch in der Pfarrei Zürich-St. Anton. Pfarrer Andreas Rellstab dazu:
«Die Kollektenerträge blieben in den letzten Jahren praktisch gleich. Auffällig ist, dass auch die Kerzenkasse sehr gut gefüllt ist und eher noch zulegt, was vermutlich auf unsere zentrale Lage zurückzuführen ist. Coronabedingt hatten wir nur dann Einbussen, wenn wir die Zahl der Gottesdienstbesuchenden einschränken mussten.»
Für Pfarrer Rellstab ist klar, warum St. Anton in einer privilegierten Lage ist: «Wir sind ein Quartier mit exklusiven Wohnlagen und oft hohen Mieten, was entsprechend wohlhabende Gemeindemitglieder mit sich bringt. Unsere Gottesdienste sind gut besucht, weil wir Qualität bieten. Die Gottesdienste sind musikalisch gut unterstützt und die Predigten vielseitig. Dafür sorgen unterschiedliche Persönlichkeiten.»
Online spenden
Einige Pfarreien, wie etwa jene in Herz Jesu Zürich-Oerlikon, bieten digitales Spenden an. Seit Mitte 2020 können die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher in der Kirche per QR-Code oder via Homepage per Twint und Kreditkarte eine Sonntagskollekte berücksichtigen. «Allerdings machen die Gläubigen davon noch nicht regen Gebrauch», stellt Sekretärin Claudia Metzger fest. Und schliesslich sind die Leute beim Spenden aufgrund der vielen Möglichkeiten wählerischer.
Die Empfängerinnen und Empfänger der Kollektenerträge schätzen die künftige Entwicklung gleichermassen ein: Die Spendengelder über die Pfarreien werden tendenziell zurückgehen. Sehr unterschiedlich präsentieren sich hingegen die eigenen Möglichkeiten. Die einen können dem Trend wenig entgegensetzen. Andere, professionell arbeitende Hilfswerke und Institutionen, setzen auf institutionelles Fundraising. Aber das kostet – und frisst so einen Teil der Spenden wieder auf.
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