Provisorische Zahlen zur Bevölkerung im Kanton Zürich 2022 «Kirche findet nicht nur am Sonntag statt»
Die neuen Zahlen des statistischen Amts sind publiziert. Ende 2022 war die Zürcher Bevölkerung zu 24,5 Prozent evangelisch-reformiert und zu 22,8 Prozent römisch-katholisch. Die Katholische Kirche verzeichnet erneut einen Mitgliederschwund von 2 Prozent, was in Zahlen 7400 Personen bedeutet, die reformierte Kirche weisst ein Minus von 2,7 Prozent (10'700 Personen) aus. Was war deine erste Reaktion?
Diese Zahlen überraschen nicht wirklich. Aber sie bedeuten unter anderem, dass immer weniger Menschen in den Kirchen noch eine religiöse Heimat finden können.
Worauf ist der Mitgliederschwund zurückzuführen?
Einerseits auf die gesellschaftliche Entwicklung, die Säkularisierung und die Verdunstung der institutionellen Bindung generell. Andererseits hören wir immer wieder, dass auch die Nachrichten über Missbrauch in der katholischen Kirche dazu beitragen. Diesen Herbst werden erste Daten zur gesamtschweizerischen Pilotstudie über Missbrauch in der Katholischen Kirche in der Schweiz bekannt. In den umliegenden Ländern haben solche Untersuchungen längst stattgefunden. Wir sind hier zu langsam. Wir müssen diese Tatsachen endlich seriös aufarbeiten.Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche leidet schwer darunter. Da können unsere Mitarbeitenden noch so gut arbeiten, das Image ist angeschlagen.
Wieso ist es dir wichtig, in der Katholischen Kirche zu bleiben?
Weil ich zusammen mit unseren Mitarbeitenden an der Basis dafür sorgen will, dass kirchliches Leben auch weiterhin gelingt. Mir sind Werte wie Solidarität, Mitmenschlichkeit, Hilfe für Menschen in Not und Gemeinschaft wichtig und ich bin stolz auf unsere unzähligen Mitarbeitenden, die tagtäglich für die Menschen im Einsatz sind. Vermehrt treten Frauen in meinem Alter zur Kirche aus. Sie haben sich ihr Leben lang engagiert und haben nun keine Hoffnung mehr, dass sich an den Strukturen etwas ändert. Ich habe Verständnis für diesen Schritt, doch bin ich überzeugt, dass wir Veränderung nur schaffen, wenn das ganze Kirchenvolk beteiligt ist.
Was bedeutet der Mitgliederschwund für die verbleibenden Mitglieder?
Die verbleibenden Mitglieder werden davon nicht soviel spüren. Schliesslich findet Kirche ja nicht nur am Sonntag während der Messe statt, sondern die ganze Woche; sei es in den Seelsorgestellen wie Migranten- oder Spitalseelsorge, in sozialen Institutionen wie Caritas oder auch in unserer Paulus Akademie oder den Schulen. Es ist an uns, unsere Angebote aufzuzeigen, damit sie weiterhin rege genutzt werden und wir helfen können, wo die Hilfe nötig ist.
Kann die Kirche ihre Aufgaben weiterhin erfüllen?
Ja, das kann sie. Wenn weniger Personen Kirchensteuer bezahlen, bleibt natürlich auch weniger Geld übrig. So müssen sich Kirchgemeinden Gedanken machen, ob sie noch alle Angebote aufrechterhalten können. Das grosse Glück sind die unzähligen Freiwilligen, die auf allen Ebenen aktiv unterstützen.
Was tut der Synodalrat, um den Mitgliederschwund zu bremsen? Kann er das überhaupt?
Wir können vorbildlich handeln, unsere Mitarbeitenden animieren, dies ebenfalls zu tun. Ich habe das Glück gehabt, in einer ganz tollen Pfarrei gross zu werden, sonst wüsste ich nicht, wie das Verständnis über Strukturen oder die Freude am pfarreilichen Leben hätte wachsen können. Deshalb ist es mir und dem Synodalrat ein grosses Anliegen, dass unsere Mitarbeitenden in ihren jeweiligen Fachgebieten top ausgebildet sind. Überheblicher Klerikalismus darf bei uns keinen Platz haben.
Die Medienmitteilung der Justizdirektion finden Sie hier.
Anmerkung: Die Zahlen geben nicht die effektive Zahl der Kirchenaustritte wieder, sondern die Abnahme der Mitgliederzahlen, also auch mehr Todesfälle als Geburten. Die konkreten Zahlen der Austritte sind erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt.
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