Kirche aktuell

Katholische Kirche – das neue Bungee Jumping

Katholische Kirche – das neue Bungee Jumping
Oliver Kraaz
Kommunikationsverantwortlicher katholischer Stadtverband Zürich. In der Innerschweiz aufgewachsen, schon früh in der Kommunikation mit allen Facetten tätig als Radio-Sportreporter, Werbekonzepter, Kolumnist, TV- und Radio-Unterhaltungsautor, Ghostwriter, PR-Texter, Blogger sowie als Projektleiter in der Unternehmenskommunikation. Wäre als Kind gerne ein so guter Fussballer wie Pele geworden. Der liebe Gott hat das Projekt allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben.
Oliver Kraaz
26. April 2018

Von der Migros in die Kirche – der neue Kommunikator des Dekanats Zürich Oliver Kraaz stellt sich vor.

 

«…oh… ja… spannend…». Begeisterung klingt anders. Die Reaktionen auf meinen Weggang vom alten Arbeitgeber hin in den Schoss der Mutter Kirche waren eine Mischung aus Irritation und peinlicher Berührtheit. Mehrheitlich jedenfalls. Zur Minderheit aber später.

Ich war während 10 Jahren in der Kommunikationsabteilung des grössten Detailhändlers tätig. Vieles, ja sehr vieles stimmte. Trotzdem stellte sich mir nach lebhaften und intensiven Berufsjahren irgendwann doch die Frage: Kommt noch was? Und wofür?

Es kam für mich die katholische Kirche. Eine bewusste Entscheidung. Weil diese Institution mir wichtig ist. Ohne falsche Verklärung. Aus Frust über sie war ich in meinen Sturm und Drang Jahren auch schon einmal ausgetreten. In der Folge habe ich mich zwar weniger geärgert. Aber: Nur noch bei schlechtem Wetter nach draussen zu gehen, um den Sonnenbrand zu vermeiden, kann auch keine Lösung sein. So trat ich nach meinem emotionalen, lauten Austritt wieder leise ein. Und das war gut so.

Warum aber nun gleich für die katholische Kirche arbeiten? Freiwillig? Das gewünschte «Viel Glück!» klang oft wie ein bedrückter letzter Salut an einen Bungee Jumper. Ohne Seil.

Nicht selten folgte im Gespräch die Bemerkung: «Ah, willst Du dann beim Kindsmissbrauch hinstehen und alles schönreden?» Nein, will ich nicht. Aber ich würde hinstehen. Es ist aber bezeichnend, dass man eine solche Meldung so sicher wie das Amen in der Kirche erwartet. Als ob es keine anderen und sogar erfreuliche Themen aus der Kirche gäbe. Oder interessieren die eventuell gar niemanden? Und wenn ja, warum nicht?

In meinem Fall war der Wechsel zur katholischen Kirche auch ein Outing. Ich habe meine Verbundenheit mit der Kirche nie versteckt. Eine berufliche, freie Entscheidung zugunsten der Kirche geht aber weiter. Weiter als für viele vernünftig.

Viele sind aber nicht alle. Es gab auch einige Menschen, die mich nach der Bekanntgabe meines Abgangs kontaktierten und in Ruhe mit mir sprechen wollten. Es ging um die Kirche, schlussendlich aber um den Glauben, einer Sehnsucht und der Frage: Wohin damit? Oft über eine Stunde lang.

Da merkte ich: Die Kirche, der Glaube – das ist ein grosses Thema. Tragischerweise ausserhalb und (zu) weit weg von der Kirche.

Woher kommt das? Ich habe unwohl eine dumpfe Ahnung.

Wenn ich jetzt in meiner neuen Funktion in Sitzungen bin, Menschen treffe, diskutiere – dann wirkt die Kirche und alles was mit ihr zusammenhängt, wie das Selbstverständlichste der Welt. Eine wohlige Fata Morgana, in der man es sich auch noch gemütlich einrichten kann.

Mal ganz ehrlich: Liturgie, Kirchenpolitik, Bistumsstreitigkeiten, Kirchenrecht, Feiertage und ihre Bedeutung, Ökumene – das sind alles wichtige Themen. Für uns!

Aber weiss die Kirche noch, was die Leute beschäftigt? Im prallen Alltag, fernab von den Amtsstuben und Kirchenbänken? Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie es leider zu wenig weiss. Oder sich bewusst bedeckt hält.

Die Kirche muss sich zu Wort melden und dieses halten. In einer Sprache, die alle verstehen und zu Themen, die alle beschäftigen. Sonst wird die Kirche endgültig zu Folklore. Dann ist das Heimatmuseum Ballenberg näher als das Himmelreich.

Die Kommunikation kann einen grossen Teil dazu beitragen. Jetzt muss ich mich auch beim Wort nehmen.

Ja, es wird spannend werden.

 

Oliver Kraaz (47) ist verheiratet und Vater zweier Töchter. Er lebt in Zürich. Als neuer Kommunikationsverantwortlicher des Dekanats Stadt Zürich unterstützt Kraaz die Kirchgemeinden sowie den katholischen Stadtverband in der Kommunikation. Das zweite grosse Tätigkeitsfeld ist das ökumenische Projekt urbaneKirche Zürich, das die katholische Kirche vor zwei Jahren lanciert hat.